Bürgergeld: Miete vom Jobcenter auch ohne Mietvertrag

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Auch ohne schriftlichen Mietvertrag haben Sie Anspruch auf Übernahme Ihrer Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) durch das Jobcenter, wenn Sie Bürgergeld beziehen oder beantragen. Entscheidend ist der Nachweis Ihrer tatsächlichen, angemessenen Kosten.

Viele leben zur Untermiete, bei Verwandten oder mit mündlicher Vereinbarung und stoßen auf Probleme mit Jobcentern. Dieser Artikel erklärt Ihre Rechte und wie Sie diese durchsetzen.

Was das Jobcenter zahlt: Ihre Kosten der Unterkunft (KdU) im Detail (§ 22 SGB II)

Das Jobcenter zahlt Ihre tatsächlichen, angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU). Diese umfassen die Kaltmiete (Grundmiete) für die reine Raumnutzung, die kalten Betriebskosten (Nebenkosten), sofern diese vereinbart sind – dazu zählen laufende Kosten wie Grundsteuer, Wasser/Abwasser, Müllabfuhr, Versicherungen oder Hausmeisterdienste – sowie die Heizkosten für die Beheizung der Wohnung und gegebenenfalls die zentrale Warmwasserbereitung.

Sollte Warmwasser dezentral erzeugt werden, beispielsweise durch einen Durchlauferhitzer, kann hierfür ein Mehrbedarf beim Regelbedarf geltend gemacht werden.

Was gehört NICHT zu den KdU?

Einige Kosten müssen Sie selbst aus Ihrem Regelsatz bezahlen. Dazu gehört der Haushaltsstrom für Licht und Elektrogeräte, da dieser im Regelbedarf enthalten ist. Eine Ausnahme kann bei untrennbaren Pauschalmieten gelten. Stromnachzahlungen sind meist selbst zu tragen; nur im Notfall (drohende Sperre) ist eventuell ein Darlehen möglich.

Auch Telefon und Internet sind aus dem Regelbedarf zu decken. Kosten für Möblierung gehören nur dann zu den KdU, wenn die Wohnung anders nicht anmietbar war und die Gesamtmiete angemessen bleibt. Für eine Erstausstattung gibt es separate Leistungen (§ 24 Abs. 3 SGB II). Bei selbst genutztem Eigentum werden zwar Zinsen, Grundsteuer und Nebenkosten übernommen, jedoch keine Tilgungsraten für Kredite.

Seien Sie wachsam bei Pauschalmieten; unberechtigte Kürzungen sollten Sie per Widerspruch anfechten.

Wohnen ohne Papiere: Typische Fälle ohne schriftlichen Mietvertrag

Nicht jeder hat einen Standardmietvertrag. Häufige Situationen sind das Wohnen bei Eltern oder Verwandten, wobei das Jobcenter genau prüft, ob eine WG oder eine unterstützungspflichtige Haushaltsgemeinschaft vorliegt. Auch die Untermiete “per Handschlag” ist verbreitet; hier sind mündliche Verträge gültig, aber die Vereinbarungen müssen nachgewiesen werden.

Bei informellen Wohnformen, etwa bei Freunden, können Kosten anerkannt werden, wenn sie belegbar sind. Für Menschen in Notunterkünften oder bei Wohnungslosigkeit besteht ebenfalls Anspruch auf Bürgergeld und Kostenübernahme (z.B. Tagessätze). Bei selbst genutztem Eigentum ersetzen Nachweise über Zinsen, Grundsteuer und Nebenkosten den Mietvertrag.

Nachweise statt Mietvertrag: So belegen Sie Ihre Wohnkosten überzeugend

Entscheidend ist der Nachweis, dass Ihnen tatsächlich Kosten entstehen und Sie zur Zahlung rechtlich verpflichtet sind, egal ob mündlich oder schriftlich vereinbart. Auch günstige Mieten (z.B. unter Verwandten) werden anerkannt, solange eine echte, nachweisbare Zahlungsverpflichtung besteht. Scheinverträge zählen nicht.

Als Belege eignen sich Kontoauszüge, die regelmäßige Mietüberweisungen mit klarem Verwendungszweck zeigen. Bei Barzahlung sind detaillierte Quittungen unerlässlich (Datum, Betrag, Zeitraum, Namen, Adressen, Unterschrift). Eine formlose Bestätigung des Unterkunftgebers über Wohnverhältnis, Größe, Kosten (aufgeschlüsselt) und mündlichen Vertrag ist ebenfalls hilfreich.

Selbst ein nachträglich aufgesetzter (Unter-)Mietvertrag ist besser als nichts, kann aber Misstrauen wecken, wenn er kurz vor Antragstellung erfolgt und vorher keine Miete floss. Bei Wohnen mit Verwandten kann eine schriftliche Kosten- und Nutzungsvereinbarung sinnvoll sein. Auch Nebenkostenabrechnungen oder Bescheinigungen von Notunterkünften dienen als Nachweis.

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Umgang mit der “Vermieterbescheinigung”

Jobcenter fordern oft eine “Mietbescheinigung” (Anlage KDU). Hierbei ist wichtig zu wissen: Die Mitwirkung des Vermieters ist freiwillig. Das Jobcenter darf aus Datenschutzgründen nicht verlangen, dass der Vermieter die Bescheinigung direkt schickt oder dies der einzige Nachweis ist (§ 67a SGB X). Der Bundesdatenschutzbeauftragte kritisiert diese Praxis seit Jahren.

Ihre Strategie sollte sein: Weisen Sie auf Ihr Datenschutzrecht hin, bieten Sie alternative Nachweise an (Kontoauszüge, Quittungen, formlose Bestätigung an Sie) und füllen Sie die Anlage KDU gegebenenfalls selbst mit Belegen aus. Legen Sie bei Druck Widerspruch ein.

Jobcenter fordern die Bescheinigung oft aus Bequemlichkeit. Bleiben Sie standhaft. Glaubhafte Nachweise (regelmäßige Zahlungen, klare Kostenaufschlüsselung) sind ohne Mietvertrag besonders wichtig.

Spezialfall: Wohnen bei der Familie – WG, Haushalts- oder Bedarfsgemeinschaft?

Beim Zusammenleben mit Verwandten prüft das Jobcenter die Art der Gemeinschaft, was erhebliche Folgen für Ihre Leistungen hat. In einer Wohngemeinschaft (WG) lebt jeder finanziell für sich. Das Jobcenter zahlt nur Ihren Kopfanteil der angemessenen KdU; Einkommen/Vermögen der Mitbewohner sind irrelevant.

Bei einer Haushaltsgemeinschaft (HG) wird gemeinsam gewirtschaftet. Hier vermutet das Jobcenter gesetzlich eine Unterstützung durch Verwandte (§ 9 Abs. 5 SGB II) und kann deren Einkommen/Vermögen anrechnen; die KdU werden meist pro Kopf geteilt. Eine Bedarfsgemeinschaft (BG) besteht bei Partnern, Ehepartnern und Kindern unter 25 im Haushalt.

Hier wird das Einkommen/Vermögen aller gemeinsam betrachtet, und die KdU werden für die gesamte BG berechnet.

Problem: Jobcenter unterstellen oft fälschlich eine HG

Nachweis einer reinen WG: Da das Gesetz bei Verwandten Unterstützung vermutet, müssen Sie das Gegenteil beweisen. Hilfreich sind Nachweise über getrennte Konten, ein (Unter-)Mietvertrag oder eine Kostenvereinbarung, Belege für getrennte Lebensführung oder eidesstattliche Versicherungen der Mitbewohner, dass getrennt gewirtschaftet wird. Legen Sie bei falscher Einstufung Widerspruch ein. In einer WG wird Ihr Kopfanteil der angemessenen KdU übernommen.

Wichtig: Wohnen Sie nachweislich mietfrei bei Verwandten, gibt es i. d. R. keinen Anspruch auf KdU nach SGB II, da keine Kosten entstehen. Die BSG-Entscheidung zu fiktiven Kosten betrifft SGB XII und ist nicht direkt übertragbar.

Spezialfall: Obdachlosigkeit und Notunterkünfte

Auch ohne feste Wohnung können Sie Bürgergeld erhalten. Stellen Sie den Antrag beim Jobcenter am Ort Ihres “gewöhnlichen Aufenthalts”. Ein gültiger Personalausweis ist unerlässlich. Stellen Sie Ihre postalische Erreichbarkeit sicher, z.B. über die Adresse einer Beratungsstelle, eines Freundes oder ein Postfach.

Kosten für Notunterkünfte (Tagessätze) können als KdU übernommen werden, lassen Sie sich dies von der Einrichtung bestätigen. Sprechen Sie das Jobcenter auf Unterstützung bei der Wohnungssuche, Kaution (als Darlehen) oder Erstausstattung an. Die Auszahlung kann auch bar, per Scheck oder tageweise erfolgen. Suchen Sie bei Bedarf Hilfe bei Beratungsstellen für Wohnungslose.

Nicht zu teuer, nicht zu groß: Die “Angemessenheit” Ihrer Kosten

Das Jobcenter zahlt KdU nur bis zur lokalen Angemessenheitsgrenze. Geprüft wird die Bruttokaltmiete (Kaltmiete + kalte Nebenkosten) sowie separat die Heizkosten. Die Grenzen legen Kommunen fest, oft basierend auf Mietspiegeln oder “schlüssigen Konzepten”. Fragen Sie bei Ihrem Jobcenter nach oder recherchieren Sie online.

Eine wichtige Erleichterung ist die Karenzzeit von einem Jahr ab Erstbezug (§ 22 Abs. 1 S. 2 SGB II). Während dieser Zeit wird die Angemessenheit der Bruttokaltmiete nicht geprüft, die tatsächlichen Kosten werden übernommen.

Die Heizkosten müssen von Anfang an angemessen sein! Die Karenzzeit gilt zudem nicht bei vorheriger Kürzung oder bei Umzug in eine unangemessen teure Wohnung ohne Zustimmung.

Nach der Karenzzeit kann das Jobcenter bei zu hohen Kosten ein Kostensenkungsverfahren einleiten. Sie erhalten dann meist sechs Monate Zeit, die Kosten zu senken (z.B. durch Umzug, Untervermietung), währenddessen werden die vollen Kosten weitergezahlt. Danach ist eine Kürzung möglich, wenn die Senkung trotz nachweisbarer Bemühungen nicht gelang.

Eine Kostensenkung (insbesondere Umzug) kann jedoch unzumutbar sein, z.B. wegen Alter, Krankheit, Pflege, Alleinerziehung oder kurz bevorstehendem Renteneintritt/Schulabschluss. Diese Gründe müssen Sie aktiv mitteilen und nachweisen!

Nutzen Sie die Karenzzeit zur Prüfung Ihrer Situation. Für Umzüge brauchen Sie immer die Zustimmung des Jobcenters zur Kostenübernahme, auch während der Karenzzeit.

Tabelle 1: Beispielhafte Angemessenheitsgrenzen (Bruttokaltmiete) für Musterstadt (Stand 2025)

Haushaltsgröße Angemessene Wohnfläche (ca.)
Max. Bruttokaltmiete (€)
1 Person 50 qm 450,00€
2 Personen 60-65 qm 550,00€
3 Personen 75 qm 650,00€
4 Personen 90 qm 780,00€
5 Personen 105 qm 900,00€
Jede weitere Person + 15 qm + 120,00 €

Quelle: Fiktive Werte zur Illustration. Die tatsächlichen Werte an Ihrem Wohnort können erheblich abweichen! Bitte erfragen Sie die für Sie gültigen Grenzen bei Ihrem zuständigen Jobcenter oder Ihrer Kommune.

Ihre Rechte durchsetzen: Praktische Tipps und Strategien

Bei der Antragstellung füllen Sie den Antrag und die Anlage KDU vollständig aus und reichen Kopien (!) aller Nachweise ein. Erklären Sie Ihre Situation ohne Mietvertrag kurz schriftlich und legen Sie alternative Belege bei.

In der Kommunikation mit dem Jobcenter sollten Sie proaktiv sein, Änderungen melden und alles schriftlich erledigen (Anträge, Fristsetzungen), idealerweise mit Eingangsbestätigung. Reichen Sie nur zulässige Unterlagen ein und bleiben Sie hartnäckig.

Die goldene Regel lautet: Holen Sie immer die schriftliche Zusicherung des Jobcenters zur Kostenübernahme ein, bevor Sie einen neuen Mietvertrag abschließen oder umziehen. Ohne diese Zusicherung riskieren Sie, auf Umzugskosten, Kautionsdarlehen und möglicherweise einem Teil der Miete sitzenzubleiben. Dies gilt besonders streng für Personen unter 25, die aus dem Elternhaus ausziehen möchten.

Wenn es Probleme gibt, legen Sie innerhalb eines Monats schriftlich Widerspruch gegen fehlerhafte Bescheide ein und begründen Sie diesen. Suchen Sie Hilfe bei unabhängigen Beratungsstellen, Sozialberatungen oder Mietervereinen. Bei Ablehnung des Widerspruchs oder komplexen Fällen kann ein Anwalt für Sozialrecht helfen, eventuell mit Beratungs- oder Prozesskostenhilfe.

Zusammenfassung: Ihr Recht auf ein Dach über dem Kopf

Ein fehlender Mietvertrag ist kein Hinderungsgrund für die Übernahme der KdU. Entscheidend ist der glaubhafte Nachweis Ihrer tatsächlichen, angemessenen Kosten durch alternative Belege. Achten Sie auf die Angemessenheitsgrenzen und die Karenzzeit (die Heizkosten nicht umfasst!). Holen Sie immer die schriftliche Zusicherung vor einem Umzug oder Vertragsabschluss ein.