Bürgergeld: Jobcenter treibt Pflegebedürftige fast in die Obdachlosigkeit

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Einer Pflegebedürftigen strich das Jobcenter das Bürgergeld, weil sie “einen Erbanspruch” hätte. Dabei ist dieser Anspruch weder geklärt, noch hat die Leistungsberechtigte etwas vom Erbe erhalten. Das berichtet Helena Steinhaus, die Gründerin der Initiative Sanktionsfrei. e.V.

Keinen Cent vom Erbe, aber Bürgergeld gestrichen

Steinhaus schildert den Fall auf X (ehemals Twitter): “N. ist pflegebedürftig und wohnt in einem Frauenwohnheim. Nach dem Tod ihrer Mutter im Ausland vor drei Jahren hat ihr das Jobcenter vor ein paar Monaten plötzlich einen Erbanspruch unterstellt, ohne dass N. einen Cent erhalten hätte. Von heute auf morgen wurde der Betroffenen das Bürgergeld eingestellt,” so Steinhaus.

Kurz vor der Obdachlosigkeit

Da die Leistungsberechtigte über keinerlei Einkommen mehr verfügte, seien Miet- und Pflegeschulden entstanden, und jetzt hätte ihr auch noch das Wohnheim gekündigt. Die Inititative Sanktionsfrei half mit etwas Geld aus, bevor N. obdachlos wurde.

Erbanspruch ist ungeklärt

Tatsächlich war die Betroffene lediglich benachrichtigt worden, dass sie möglicherweise (!) einen Erbanspruch hätte. Sie beauftragte einen Rechtsanwalt, um diesen Anspruch zu prüfen und im gegebenen Fall durchzusetzen. Im sozialrechtlichen Sinne wurden keine “bereiten Mittel” erzielt.

Kurz gesagt: Die Leistungsberechtigte besitzt keinen Cent eines Erbes, das beim Jobcenter als Vermögen an das Bürgergeld angerechnet werden könnte.

Nach falschen Unterstellungen: Jobcenter zahlt wieder

Das Wohnheim pochte auf sein Kündigungsrecht,und die Situation blieb unklar. Im Februar 2023 zahlte das Jobcenter doch endlich wieder, so Steinhaus.

Das schließt ein, dass das Jobcenter zugibt, dass das vorherige Streichen der Leistungen auf falschen Entscheidungen basierte.

Leistungsberechtigte sind Willkür ausgeliefert

Steinhaus schließt: “Nur ein Fall, der zeigt, wie gefährlich willkürliche Leistungseinschränkungen sind und wie ausgeliefert die Menschen, um deren Leben es dabei geht.”

Bürgergeld und Erbschaft

Erbschaften gelten im Bürgergeld als Vermögen. Es gibt Freibeträge von 15.000 Euro pro Person, im ersten Jahr des Bürgergeld-Bezuges sogar 40.000 Euro. Wer also seit zwei Jahren Bürgergeld bezieht und 20.000 Euro erbt, dem oder der werden 5.000 Euro auf das Bürgergeld angerechnet.

Die Erbschaft muss umgehend gemeldet werden

Leistungsberechtigte unterliegen der Mitwirkungspflicht. Sie müssen Veränderungen ihrer finanziellen Situation umgehend dem Jobcenter melden (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches). Das gilt auch für eine Erbschaft.

Ordungswidrigkeit oder Straftat

Eine Erbschaft dem Jobcenter nicht zu melden, ist strafbar. Es kann als Ordungswidrigkeit ein Bußgeld bis zu 5.000 Euro nach sich ziehen, wenn es als Versäumnis bewertet wird. Wird das Verschweigen als Absicht gedeutet, dann ist sogar eine Strafanzeige wegen Betrugs möglich.

Es geht um einen tatsächlichen Anspruch

Die Pflicht, eine Erbschaft -und damit eine Änderung der finanziellen Situation- dem Jobcenter mitzuteilen, gilt nur bei einem tatsächlichen Erbanspruch und einer tatsächlichen Änderung der Finanzsituation.

Willkürliche Sanktionen nach Fehlentscheidungen

Bei einer ungeklärten Erbschaft gilt dies selbstverständlich nicht. Implizit gestand die Behörde ihre Fehlentscheidung auch ein – bei der willkürlich sanktionierten Leistungsberechtigten, die das Jobcenter fast in die Obdachlosigkeit getrieben hatte.

“Wann werden solche Fehlentscheidungen bestraft?”

Ein Leser von Helena Steinhaus Text vermisst, dass die entsprechenden Mitarbeiter beim Jobcenter selbst bestraft werden.

Wie könnte es sein, so fragt er, dass “die (Mitarbeiter) mit einer Unterschrift unter Fehlentscheidungen Leute obdachlos machen, und das bleibt ohne Folgen?”

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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