Witwenrente: Versorgungsehe vermutet – Wann der Staat keine Rente zahlt

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Eine Witwenrente wird grundsรคtzlich erst ausgezahlt, wenn die Partner mindestens ein Jahr verheiratet waren. Ausnahmen sind unvorhersehbare Tode, zum Beispiel durch einen Unfall. Dies soll verhindern, dass Betroffene die Ehe nur eingehen, damit der verbliebene Partner nach dem absehbaren Tod versorgt wird.

Das Landessozialgericht Hessen entschied zwar, dass die Adoption des Kindes einer Verstorbenen durch den Partner ebenfalls gegen eine Versorgungsehe sprechen kann. Das gilt aber nur, wenn das Abwรคgen aller Motive beider Ehepartner diesen Schluss zulรคsst. (L 5 R 240 / 05)

Die Motive werden umfassend geprรผft

Wenn der Hinterbliebene oder die Witwe bestreiten, dass es sich um eine Versorgungsehe handelte, dann sieht das Verfahren vor, alle Umstรคnde des Einzelfalls zu prรผfen, um zu entscheiden, welche Gesichtspunkte fรผr und welche gegen einen Versorgungszweck der kurzen Ehedauer sprechen. Dabei spielen alle Motive der Partner fรผr die Heirat eine Rolle, und dazu zรคhlen auch die hรถchstpersรถnlichen und subjektiven.

Heirat wรคhrend Krebserkrankung

Der Witwer hatte im konkreten Fall mit der Verstorbenen und ihrem Sohn in einer Wohnung zusammengelebt. Das zum Zeitpunkt des Todes 13-jรคhrige Kind war nicht von ihm, und der Vater ist unbekannt. Die Ehefrau arbeitete versicherungspflichtig als Kraftfahrerin.

Zweieinhalb Jahre vor ihrem Tod wurde bei der Frau ein bรถsartiges Melanom an der Schlรคfe entfernt, und erst einmal arbeitete sie weiter, wรคhrend der Klรคger arbeitslos war. Zwei Jahre spรคter traten bei der Frau multiple Knoten in der Haut auf, dann erlitt sie einen epileptischen Anfall, und ร„rzte diagnostizierten intrakranielle, thorakale, abdominale und dermale Metastasen.

Die Betroffene wurde รผber die Schwere ihrer Krebserkrankung informiert. Kurz darauf heirateten der Klรคger und die Krebspatientin. Ihre Schwester war Trauzeugin, und eine grรถรŸere Hochzeitsfeier gab es nicht.

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Ehemann will Sohn adoptieren

Wenig spรคter bat der Klรคger beim zustรคndigen Jugendamt um die Erlaubnis, den Sohn seiner Ehefrau zu adoptieren. Er begrรผndete dies damit, dass sie infolge ihrer Krebserkrankung bald sterben wรผrde. Das Adoptionsverfahren wurde nicht abgeschlossen, nachdem der Ehemann zwei Monate spรคter erklรคrte, dies ginge vorerst nicht, da Gegensรคtze in der Auffassung zur Kindererziehung bestรผnden.

Drei Monate spรคter starb die Ehefrau, nachdem sie in mehreren Kliniken behandelt worden war. Die Vormundschaft fรผr den Sohn รผbernahm ihre Mutter.

Adoption war Hauptgrund fรผr die Heirat

Knapp ein Jahr nach dem Tod stellte der Klรคger einen Antrag auf Gewรคhrung von Hinterbliebenenrente. Die Rentenversicherung lehnte diesen ab, mit dem Hinweis, dass die Ehe weniger als ein Jahr gedauert und der Klรคger die Vermutung nicht widerlegt habe, dass es sich um eine Versorgungsehe gehandelt hatte.

Der Bevollmรคchtigte des Ehemanns legte Widerspruch ein und begrรผndete diesen damit, dass die Ehe seit Jahren geplant gewesen sei und die Erkrankung der Ehefrau die EheschlieรŸung nur beschleunigt hรคtte. Klรคger und Versicherte hรคtten nur gewollt, dass der Sohn gut aufgehoben sei. Deshalb habe der Mann ihn adoptieren wollen. Die Heirat sollte die Bindung zwischen dem Klรคger und dem Kind stรคrken. Zusammen mit der emotionalen Verbundenheit sei dies der Hauptgrund fรผr die Ehe gewesen.

Der Ehemann hรคtte รผberhaupt erst nach dem Tod erfahren, dass es die Mรถglichkeit einer Hinterbliebenenrente gebe.

Mutter will nicht, dass Ehemann Witwerrente erhรคlt

Die Mutter der Verstorbenen schrieb an den Rententrรคger, sie wolle nicht, dass der Klรคger eine Witwerrente erhalte. Denn er habe ihre Tochter nur wegen der Versorgung nach deren Tod geheiratet. Der Rententrรคger lehnte den Widerspruch des Ehemanns ab. Er habe die gesetzliche Vermutung, dass eine Versorgungsehe vorlag, nicht widerlegen kรถnnen. Er hรคtte von der Krankheit gewusst und auch gewusst, dass ein tรถdlicher Ausgang nicht auszuschlieรŸen sei. Auch lรคsst sich kein ernsthafter Wille zur Adoption nachweisen.

Es geht vor das Sozialgericht

Der Ehemann klagte vor dem Sozialgericht Marburg und argumentierte, weder er noch seine Ehefrau hรคtten zum Zeitpunkt der EheschlieรŸung รผberhaupt vom Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente gewusst. Die Adoption sei fest beabsichtigt gewesen und nur aufgrund von Auseinandersetzungen mit der Familie der Ehefrau gescheitert. Sie beide hรคtten lange vorher heiraten wollen.

Das Sozialgericht lehnte die Klage ab. Fest stehe, dass die Adoption nicht stattgefunden habe, und die Grรผnde hierfรผr kรถnnten im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nicht ermittelt werden. Auch stehe infrage, warum die beiden bei den genannten Motiven nicht bereits beim erstmaligen Auftreten der Krankheit geheiratet hรคtten.

Keinen tรถdlichen Verlauf erwartet

Der Ehemann legte Klage vor dem Landessozialgericht Hessen ein. Hier sagte er, zum Zeitpunkt der EheschlieรŸung seien seine Frau und er fest davon ausgegangen, dass die Krankheit nicht tรถdlich enden wรผrde. Besonders der Gedanke, sie kรถnne innerhalb des nรคchsten Jahres sterben, habe ihnen fern gelegen.

Bei der Adoption kรคme es darauf an, dass sie diese ernsthaft beabsichtigt und mit grรถรŸter Eile vorangetrieben hรคtten. Dass sie letztlich gescheitert sei, spiele fรผr die Ernsthaftigkeit keine Rolle. Die Vorwรผrfe der Mutter seien ungerechtfertigt.

Kein Erfolg auch vor dem Landessozialgericht

Auch die Berufung blieb erfolglos. Das Landessozialgericht erlรคuterte: Die Vermutung, dass eine Versorgungsehe vorliege, sei nur dann widerlegt, wenn die Abwรคgung aller zur EheschlieรŸung fรผhrenden Motive beider Ehegatten den Schluss zulieรŸe, dass die Versorgung nicht der รผberwiegende Zweck der Heirat war.

Diese Vermutung zu widerlegen, bedeute, das Gegenteil zu beweisen. Das hรคtte der Klรคger nicht getan. Die schwere Krebserkrankung der Verstorbenen wรผrde zunรคchst auf eine Versorgungsehe hindeuten. Deren Unheilbarkeit sei zum Zeitpunkt der Heirat bekannt gewesen. Das eilige Vorantreiben der Adoption verstรคrke sogar die Vermutung, dass die Betroffenen von einem baldigen Tod ausgegangen seien. Dies hรคtte der Klรคger auch selbst gegenรผber dem zustรคndigen Jugendamt ausgefรผhrt.

Zwar treffe zu, dass eine Versorgungsehe ausscheide, wenn die Ehepartner nichts vom Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente wussten. Doch dies sei nicht nachgewiesen worden.

Die langjรคhrige Beziehung der beiden Partner spreche ebenfalls nicht gegen eine Versorgungsehe, da sie die Ehe ja gerade dann eingingen, als die Krankheit der Frau bekannt geworden war. Dies spreche eher fรผr eine Versorgungsehe als dagegen.

Die “tiefen Gefรผhle” fรผr die Verstorbene, die der Ehemann geltend machte, wรผrden nicht gegen eine Versorgungsehe sprechen. Ihr Vorhandensein wรผrde gerade keine EheschlieรŸung ausschlieรŸen, die in erster Linie dazu diene, den รผberlebenden Partner zu versorgen.

Wann spricht eine Adoption gegen eine Versorgungsehe?

Das Gericht fรผhrte aus, dass ein Adoptionsverfahren ein Indiz gegen eine Versorgungsehe sein kann. Allerdings gelte das nur, wenn es bereits vor beziehungsweise mit der EheschlieรŸung eingeleitet und erfolgreich abgeschlossen wรผrde. Dies sei hier gerade nicht der Fall.