Ein Kläger mit Behinderung, der sich nicht mehr mit eigener Kraft im Nahumfeld seiner Wohnung fortbewegen kann, hat Anspruch auf einen Elektrorollstuhl. Die Krankenkasse darf dieses Recht nicht mit dem Verweis auf Verwandte ablehnen. So entschied das Bundessozialgericht. (B 3 KR 808 R)
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Schweres Übergewicht und Amputationen an beiden Beinen
Der Betroffene litt an schwer einstellbarer Diabetes und erheblichem Übergewicht. Die Erkrankung führte zur Amputation des rechten Unterschenkels und des linken Beins am Oberschenkel. Die von der Krankenkasse bereit gestellten Prothesen ermöglichten ihm nur, wenige Meter zu gehen und auch dies nur mit Hilfe einer stützenden Begleitperson.
Grad der Behinderung von 100 und außergewöhnliche Gehbehinderung
Der Grad der Behinderung ist 100 mit den Merkzeichen G und aG (erhebliche Gehbehinderung und außergewöhnliche Gehbehinderung). Er bekam von der Krankenkasse einen Aktivrollstuhl und besitzt einen zweiten, privat angeschafften Gehrollstuhl. Seine Ehefrau pflegt ihn ganztägig.
Antrag auf Elektrorollstuhl, weil Aktivrollstuhl nicht ausreicht
Er beantragte bei der Krankenkasse einen Elektrorollstuhl, weil er sich sonst außerhalb der Wohnung nur mit einer Begleitperson bewegen kann, die den Rollstuhl schiebt. Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab. Ihre Begründung lautete, dass er sich mit den bestehenden Aktivrollstühlen in der Wohnung und deren Nahbereich selbstständig bewegen könne.
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Landessozialgericht weist auf mögliche Hilfe der Ehefrau
Vor dem Sozialgericht und vor dem Landessozialgericht blieb die Klage ohne Erfolg. Das Landessozialgericht begründete dies damit, dass er sich in der Wohnung und dem Nahbereich mit den vorhandenen Rollstühlen bewegen könne, zumindest aber mit Hilfe seiner Ehefrau und seines Schwiegersohns.
Krankenkasse ist nur für den Basisausgleich zuständig
Aktivitäten außerhalb des Nahbereichs könnten nicht berücksichtigt werden, und ebensowenig räumliche Besonderheiten der Umgebung. Dies gehe über den Basisausgleich hinaus, den die Krankenkassen zahlen müssten, denn dieser orientiere sich an den allgemeinen Bedürfnissen des täglichen Lebens.
Hilfsmittel sollen Menschen mit Behinderung unabhängig ermöglichen
In der Revision vor dem Bundessozialgericht argumentierte der Betroffene mit dem Paragrafen 33 des Sozialgesetzbuches V. Demnach muss die Hilfsmittelversorgung dem Ziel dienen, Menschen mit Behinderung möglichst unabhängig von der Hilfe Dritter zu machen. So soll die Unabhängigkeit der Betroffenen unterstützt werden.
Schieben des Rollstuhls durch Verwandte ist kein Argument
Das Bundessozialgericht sah das genau so und verwies die Angelegenheit an das Landessozialgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Zu Unrecht habe das Landessozialgericht das Schieben des Rollstuhls durch Verwandte als Argument angegeben. Denn es ginge bei den verfügbaren Hilfsmitteln gerade darum, den Menschen mit Behinderung unabhängig von der Hilfe anderer Menschen zu machen.
Anspruch besteht, wenn Bewegung aus eigener Kraft nicht möglich ist
Deshalb bestehe grundsätzlich ein Anspruch auf einen Elektrorollstuhl, wenn ein Betroffener den Nahbereich seiner Wohnung nicht mehr aus eigener Kraft mit einem Aktivrollstuhl befahren könnte.