LSG Chemnitz lehnt Unfallversicherungsschutz ab
Verlässt ein Arbeitnehmer ohne ersichtlichen Grund vorzeitig seinen Arbeitsplatz und verunglückt er auf dem üblichen Nachhauseweg tödlich, ist dies kein versicherter Wegeunfall. Sowohl die unklaren Umstände des Verlassens des Arbeitsplatzes als auch Zweifel daran, ob der Arbeitnehmer tatsächlich nach Hause fahren wollte, sprechen gegen einen gesetzlichen Unfallversicherungsschutz, entschied das Sächsische Landessozialgericht (LSG) in Chemnitz in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 28. November 2018 (Az.: L 6 U 103/17). Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da das Bundessozialgericht nach der Beschwerde der Klägerin die Revision zugelassen hat.
Geklagt hatte eine Witwe auf Hinterbliebenenleistungen von der gesetzlichen Unfallversicherung. Ihr Ehemann erlitt am 25. Juni 2014 abends auf einer Bundesstraße einen tödlichen Verkehrsunfall. Der in einem Reifenwerk beschäftigte Mann hatte ohne ersichtlichen Grund vorzeitig seine Arbeit beendet und dabei die Maschinen weiter laufenlassen. Weder informierte er seine Kollegen über sein vorzeitiges Arbeitsende noch stempelte er aus.
Er begab sich mit seinem BMW auf den üblichen Nachhauseweg und scherte Zeugen zufolge vor einem vorausfahrenden Lkw plötzlich und ohne zu bremsen nach links aus. Dabei stieß er mit einem entgegenkommenden Lkw zusammen und verstarb.
Der Unfallversicherungsträger lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. In diesem Fall hätte die Witwe Hinterbliebenenleistungen wie Sterbegeld oder auch eine Hinterbliebenenrente beanspruchen können. Es gebe keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der unfallbringenden Autofahrt, so der Unfallversicherungsträger.
Zwar habe sich der Versicherte auf dem üblichen Nachhauseweg befunden, ob er aber tatsächlich nach Hause fahren wollte, sei unklar. Da er seine Arbeit ohne seine Kollegen zu informieren vorzeitig und damit untypisch verlassen hat, könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Versicherte tatsächlich den versicherten Heimweg angetreten hat. Einziges Indiz sei lediglich die Nutzung des sonst üblichen Weges. Dies reiche aber nicht aus, so die Unfallversicherung.
Während das Sozialgericht Dresden noch einen versicherten Wegeunfall feststellte, hatte die dagegen eingelegte Berufung des Unfallversicherungsträgers Erfolg. Ein versicherter Wegeunfall bestehe nicht, urteilte das LSG. Grundsätzlich sei maßgeblich, mit welcher „Handlungstendenz” ein Versicherter den Arbeitsplatz verlässt. Wolle er nach Beendigung seiner Arbeitstätigkeit in seinen Privatbereich zurückkehren, bestehe auf den kürzesten Weg nach Hause Versicherungsschutz. Anderes gelte dagegen, wenn er nach Arbeitsende private Wege ausführt und damit kein ausreichender Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit mehr besteht.
Welche Handlungstendenz bei dem Versicherten bestand, sei hier aber unklar. In Fällen wie hier mit „typischer Beweisnot” dürfe bei einem regelhaften Ablauf der Geschehnisse von einem versicherten Wegeunfall ausgegangen werden, etwa wenn der Versicherte sich auf den üblichen Arbeitsweg befunden und er diesen nach Ende der regulären Arbeitszeit angetreten habe.
Hier habe der Versicherte aber ohne klaren Grund vorzeitig seine Arbeit verlassen, seinen Kollegen nicht informiert, nicht ausgestempelt und auch seine Maschinen weiter laufen lassen. Wegen dieser Unklarheiten gebe es Zweifel, ob der Versicherte tatsächlich sich auf dem versicherten Heimweg befand. Die Zweifel gingen zulasten der Klägerin, so das LSG. Beim BSG ist der Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen B 2 U 9/19 R anhängig. fle/mwo
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