Wer lange in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat, erwartet oft, dass auch der Grundrentenzuschlag greift. Ein Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg zeigt jedoch, warum diese Erwartung gerade bei ehemaligen Selbstständigen häufig scheitert:
Freiwillige Beiträge zählen in vielen Fällen nicht als Grundrentenzeiten. Ohne mindestens 33 Jahre (396 Monate) Grundrentenzeiten gibt es keinen Zuschlag.
Der Fall: Handwerkerin, viele Beitragsmonate – aber zu wenig Grundrentenzeiten
Die Klägerin (Jahrgang 1956) bezog seit 2020 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen und beantragte 2024 die Berücksichtigung eines Grundrentenzuschlags. Sie verwies auf ihren langen Versicherungsverlauf und zahlreiche Beitragsmonate.
Die Rentenversicherung lehnte ab und rechnete nur 216 Monate als Grundrentenzeiten an – statt der erforderlichen 396 Monate. Entscheidend war zweierlei:
In der früheren Pflichtversicherung als Handwerkerin wurden wegen der damals gewählten Beitragszahlung nur bestimmte Monate berücksichtigt; später kamen hauptsächlich freiwillige Beiträge nach Befreiung von der Versicherungspflicht hinzu, die nach der gesetzlichen Systematik nicht als Grundrentenzeiten zählen.
Das Landessozialgericht bestätigte diese Sicht und wies die Berufung zurück.
Was das Urteil praktisch bedeutet: Beitragszeit ist nicht gleich Grundrentenzeit
Das Urteil eignet sich als Orientierung, weil es ein verbreitetes Missverständnis auflöst: Für den Grundrentenzuschlag reicht es nicht, „viele Jahre“ Beiträge gezahlt zu haben. Maßgeblich ist, ob die Monate zu den gesetzlich definierten Grundrentenzeiten gehören.
Für Renten, die ab 2021 beginnen oder bei Bestandsrenten ab 2021 neu berechnet werden, gilt als Einstiegshürde: mindestens 33 Jahre Grundrentenzeiten. Bei Bestandsrenten wird der Zuschlag ab 2021 über die Übergangsregelung ermittelt – die 33 Jahre bleiben aber die zwingende Mindestgrenze.
Warum freiwillige Beiträge regelmäßig nicht helfen – bestätigt durch das BSG
Das Landessozialgericht stützt sich ausdrücklich auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts. Das Bundessozialgericht hat im Juni 2025 entschieden, dass der Ausschluss von freiwilligen Beitragszeiten, die nicht als Pflichtbeiträge gelten, verfassungsgemäß ist.
Begründung: Pflichtversicherung und freiwillige Versicherung unterscheiden sich strukturell – etwa bei Bindung an Beitragspflichten und der typischen Beitragsdichte. Der Gesetzgeber durfte den steuerfinanzierten Zuschlag gezielt an langjährige Pflichtbeitragszeiten knüpfen.
Für die Praxis heißt das: Selbst sehr lange Phasen freiwilliger Einzahlung können beim Grundrentenzuschlag „leer laufen“, wenn sie nicht ausnahmsweise als Pflichtbeiträge gelten oder als gleichgestellte Zeiten eingeordnet werden.
So lässt sich der eigene Anspruch besser einschätzen: Prüfung am Versicherungsverlauf ansetzen
Für die Einordnung ist eine klare Prüflogik entscheidend: Nicht „Jahre insgesamt“ zählen, sondern die Monate in den richtigen Kategorien. Die erste Frage lautet deshalb, ob im Versicherungsverlauf genügend Monate als Grundrentenzeiten ausgewiesen oder aus den Monatsarten ableitbar sind.
Liegt die Summe erkennbar deutlich unter 396 Monaten, scheitert der Zuschlag regelmäßig bereits an der Mindestzeit – unabhängig davon, wie lang die Erwerbsbiografie insgesamt war.
Warum das Verfahren ebenfalls ein Signal ist
Das Landessozialgericht hat die Berufung per Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Gerichte nach der höchstrichterlichen Linie kaum Spielraum sehen, freiwillige Beitragszeiten über den Grundrentenzuschlag „hineinzurechnen“.
FAQ zum Urteil und zur typischen Fallgruppe „freiwillig Versicherte“
Worum ging es konkret?
Um den Grundrentenzuschlag zu einer Altersrente. Die Klägerin erreichte nach der gesetzlichen Einordnung nicht die erforderlichen 33 Jahre Grundrentenzeiten.
Warum reichen jahrzehntelange Beitragszahlungen nicht automatisch?
Weil der Zuschlag an bestimmte Monatsarten geknüpft ist. Freiwillige Beiträge zählen häufig nicht, wenn sie nicht als Pflichtbeiträge gelten oder gleichgestellt sind.
Ist das rechtlich „angreifbar“ wegen Gleichbehandlung?
Nach der aktuellen höchstrichterlichen Linie nicht. Das Bundessozialgericht hält den Ausschluss bestimmter freiwilliger Beitragszeiten für verfassungsgemäß.
Was ist die wichtigste Zahl, die über alles entscheidet?
Die Mindestzeit von 33 Jahren Grundrentenzeiten, also 396 Kalendermonate.
Welche Gruppe ist besonders gefährdet, leer auszugehen?
Menschen mit langen Phasen freiwilliger Versicherung – etwa nach Befreiung von Versicherungspflichten – weil genau diese Monate beim Grundrentenzuschlag oft nicht mitzählen.
Quellenübersicht
- Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.12.2025 – L 2 R 2362/25
- Bundessozialgericht, Urteil vom 05.06.2025 – B 5 R 3/24 R
- Bundessozialgericht, Pressemitteilung zur Entscheidung (Grundrente und freiwillige Beiträge)
- § 76g SGB VI (Grundrentenzuschlag/Grundrentenzeiten)
- § 307e SGB VI (Zuschlag für Bestandsrenten ab 01.01.2021)
- Deutsche Rentenversicherung: FAQ zur Grundrente/Grundrentenzuschlag




