Null Euro Bürgergeld: LSG-Hamburg-Urteil verschärft Mitwirkungspflichten

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Wer dem Jobcenter keine lückenlosen Kontoauszüge vorlegt, riskiert künftig nicht nur eine vorläufige Kürzung, sondern den kompletten Leistungsstopp. Das Landessozialgericht (LSG)Hamburg hat mit Urteil vom (Az. L 4 AS 159/23 D) entschieden, dass eine „Nullfestsetzung“ nach § 41a SGB II zulässig ist, wenn wesentliche Unterlagen fehlen. Bereits überwiesene Beträge darf das Jobcenter in einem solchen Fall vollständig rückfordern.

Mitwirkungspflicht: Was genau verlangt das Jobcenter?

Nach § 60 SGB I müssen Leistungsberechtigte alle Tatsachen offenlegen, die für den Leistungsanspruch wichtig sein können. Dazu gehören sämtliche Kontoauszüge – auch verdeckte Neben- oder Geschäftskonten. Das Gericht betont: „Die Beweislast für das Vorliegender Anspruchsvoraussetzungen trägt derjenige, der Leistungen nach dem SGB II geltend macht.“ (Rn. 34). Fehlen Auszüge oder sind Passagen geschwärzt, bleibt unklar, ob Einkommen verschwiegen wurde; das Jobcenter darf dann auf Null festsetzen.

Bareinzahlungen gelten als Einkommen – was das Urteil klarstellt

Die Klägerin hatte mehrfach Bargeldsummen von insgesamt 3 159 € eingezahlt, ohne Herkunftsnachweise zu liefern. Nach Auffassung des Senats genügt ein bloßer Hinweis auf „Privatdarlehen“ nicht. Im Wortlaut (Rn. 41):
Ist dem Leistungsempfänger die Beweislast für eine Tatsache aufzuerlegen,
ist er bei Unaufklärbarkeit so zu behandeln, als ob das entsprechende
Tatbestandsmerkmal durchgehend nicht vorgelegen hat.

Anders gesagt: Wer die Herkunft des Geldes nicht belegen kann, muss
so behandelt werden, als hätte er Einkommen erzielt
. Eine spätere
Nachreichung ist nur ausnahmsweise vor Gericht möglich; das LSG sah
keinen Anlass, weitere Zeugen zu hören (Rn. 55).

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Beweislast umgekehrt: Antragstellende müssen lückenlos aufklären

Schon im Verwaltungsverfahren liegt die materielle Beweislast beim Antragsteller. Das LSG betont, dass Gerichte grundsätzlich nicht verpflichtet sind, „ins Blaue hinein“ weiter zu ermitteln. Damit verschiebt sich die bislang gefühlte Last: Nicht die Behörde muss nachweisen, dass Einkommen vorliegt, sondern die Betroffenen müssen beweisen, dass keins vorhanden ist. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, fällt der Leistungsanspruch rückwirkend weg.

Zweite Wohnung kostet Leistungsanspruch: Ein Praxisbeispiel

Im konkreten Fall unterhielt die Klägerin neben ihrer Hauptadresse noch ein
zweites Mietobjekt. Laut Urteil blieb unklar, warum diese Wohnung
notwendig war. Die Richter werteten die Indizien (Mietzahlungen,
fehlende Ummeldebescheinigung) als Hinweis darauf, dass der Bedarf
künstlich erhöht wurde. Auch hier griff wieder das Motto: Unaufklärbarkeit geht zulasten des Leistungsbeziehenden. Ergebnis: 0 € Bürgergeld und Rückforderung der bereits gezahlten Monate.

So vermeiden Betroffene die Nullfestsetzung nach § 41a SGB II

  • Kontoauszüge vollständig und zeitnah einreichen: Legen Sie lückenlos alle
    Seiten der letzten drei Monate vor. Schwärzen Sie nichts, außer es enthält
    eindeutig nicht leistungsrelevante Daten wie den aktuellen Online-Kontostand
    eines Sparbriefs.
  • Bareinzahlungen belegen: Erstellen Sie Quittungen oder Privatdarlehensverträge mit Datum, Unterschrift und Rückzahlungsplan. Screenshots von Geldübergaben via PayPal oder Kontobelege der einzahlenden Person helfen ebenfalls.
  • Unklare Positionen proaktiv erklären: Schon im Antragsformular ein Feld „Erläuterungen“ nutzen. Je früher Sie erklären, desto geringer das Risiko, dass das Jobcenter Auskünfte per § 60 SGB I nachfordert und Fristen setzt.

Was passiert, wenn Unterlagen fehlen?

Das Jobcenter darf laut § 41a Abs. 2 SGB II vorläufig Leistungen ganz oder teilweise versagen. Werden Belege trotz Frist nicht geliefert, wandelt sich die vorläufige Entscheidung in eine endgültige Nullfestsetzung. Gleichzeitig erlässt die Behörde einen Erstattungsbescheid für die bisherigen Zahlungen. Exakt dieses Vorgehen bestätigt das LSG Hamburg. Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Korrektur ist nur noch durch Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht möglich.

FAQ: Häufige Fragen zum Urteil

Muss ich auch Cent-Beträge erklären?
Nein, das Urteil betrifft insbesondere größere Summen ohne nachvollziehbare
Herkunft. Kleinere Bareinzahlungen bleiben riskant, wenn sie häufen.

Gelten dieselben Regeln für gemeinschaftliche Konten?
Ja. Wer über ein Konto verfügen kann, muss dessen Umsätze offenlegen
– auch wenn das Konto auf den Partner läuft.

Kann ich geschwärzte Passagen nachreichen?
Grundsätzlich ja, solange das Jobcenter die Frist noch nicht versäumt erklärt hat. Nach einer endgültigen Nullfestsetzung hilft nur noch ein neuer Antrag plus komplette Unterlagen.