Eine Aufrechnung von Beitragsforderungen gegen Krankengeldansprüche darf nicht zu Bürgergeld führen
Mit wegweisender Entscheidung vom 13.03.2025 gibt das Landessozialgericht Berlin – Brandenburg ( L 14 KR 29/25 B ER ) bekannt, dass Krankenkassen vor der Aufrechnung von Beitragsforderungen gegen Krankengeldansprüche von Amts wegen Feststellungen zum Eintritt von Hilfebedürftigkeit treffen müssen.
Versicherte sind aber nicht verpflichtet, zum Nachweis ihrer Hilfebedürftigkeit, Bescheide des Jobcenters oder des Sozialamtes vorzulegen (entgegen LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. Juni 2016 – L 3 R 394/15 B ER -).
Nachweis der Hilfsbedürftigkeit bei Aufrechnungen § 51 Abs. 2 SGB I
Der geforderte Nachweis der Hilfebedürftigkeit ist durch den Versicherten zu erbringen. Ihn trifft eine verstärkte Mitwirkungsobliegenheit.
Versicherte sind aber nicht verpflichtet, zum Nachweis ihrer Hilfebedürftigkeit Bescheide des Jobcenters oder des Sozialamtes vorzulegen
Denn entgegen der Ansicht des Sozialgerichts und der Krankenkasse (ebenso jedoch auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27. Juli 2020 – L 1 R 92/20 B ER –) sind die Versicherten nicht verpflichtet, zum Nachweis ihrer Hilfebedürftigkeit Bescheide des Jobcenters oder des Sozialamtes vorzulegen.
Die Nachweisobliegenheit des § 51 Abs. 2 SGB I beseitigt den Untersuchungsgrundsatz nicht, so dass von Amts wegen zu ermitteln ist, ob Hilfebedürftigkeit bei noch andauernder bzw. erst noch zu vollziehender Verrechnung eintritt.
Allerdings kann sich die Ermittlungspflicht durch die Mitwirkungsobliegenheit verringern (so ausdrücklich BSG, Beschluss vom 31. Januar 2017 – B 13 R 33/16 BH – ).
Steht der Versicherte nicht im Bezug von Grudsicherungsleistungen kann der Eintritt der Hilfebedürftigkeit durch Einkommensnachweise, Mietvertrag, eine Vermögensaufstellung nachgewiesen werden (h.M., vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 12. Januar 2021 – L 5 R 282/20 – ).
Fazit
Hier stand der Antragsteller bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht im Bezug von existenzsichernden Leistungen, so dass ihm ein zuvor erlassener Bescheid nicht zur Verfügung stand.
Das vorliegende Verfahren zeigt anschaulich, dass eine Probeberechnung des zuständigen Existenzsicherungsträgers ohne vorherigen Leistungsbezug nicht einfach zu bekommen ist.
Das kann jedoch dahinstehen, da der Antragsteller nicht nur eine schlichte Erklärung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse gegeben, sondern im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren umfassende Angaben zur Hilfebedürftigkeit gemacht hat.
Praxistipp
Verrechnung der Rente darf nicht in Sozialhilfe oder zu Bürgergeld führen, denn einer Bedarfsbescheinigung des örtlich zuständigen Leistungsträgers ( Jobcenter/Sozialamt ) bedarf es nicht zwingend.
Anmerkung vom Sozialrechtsexperten von Tacheles e. V.
1. Einer Bedarfsbescheinigung des örtlich zuständigen Leistungsträgers wie das Jobcenter/ Sozialamt bedarf es nicht zwingend, solange das Gericht durch Vorlage sämtlicher zur Ermittlung von Hilfebedürftigkeit notwendigen Angaben zu einer eigenen Berechnung in die Lage versetzt wird.
2. Soweit jedoch die zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit vorliegenden Angaben lückenhaft bzw unvollständig bleiben und auch durch naheliegende ergänzende Ermittlungen des Gerichts nicht vervollständigt werden können, geht dies zu Lasten des Leistungsberechtigten.
3. Von dem durch §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I eingeräumten Ermessen zur Verrechnung von Sozialleistungsansrpüchen mit Beitragsrückständen darf der Sozialleistungsträger nur unter angemessener Berücksichtigung auch der berechtigten Interssen des Leistungsempfängers Gebrauch machen ( LSG NSB Az. L 2/1 R 253/23 ).