Vorläufige Bürgergeld-Zahlungseinstellung wegen vorrangiger Leistungen

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Einige Jobcenter stellen aufgrund nicht gestellter Anträge auf vorrangige Leistungen (Unterhaltsvorschuss, Arbeitslosengeld 1, Wohngeld) vorläufig die Bürgergeld-Zahlung ein um eine Antragsstellung zu erzwingen. Darf das Jobcenter die Leistungen einstellen? Wir geben Antworten.

Inhaltsverzeichnis

Argumente gegen eine Zahlungseinstellung

Aber ist das zulässig? Einfache Antwort: NEIN. Dafür gibt es 2 Gründe:

  1. Es ist unangemessen, die Zahlungen vollständig einzustellen. Das Jobcenter hat nach §40 Abs3 SGB II die Möglichkeit, die Zahlungen teilweise (z.B. in Höhe des Unterhaltsvorschusses) einzustellen. Diese Option wäre milder.
  2. Die Vorschrift ist dazu da, Rückforderungen zu vermeiden und nicht dazu Leistungsberechtigten Druck zu machen. Eine Rückforderung kann aber gar nicht entstehen, wenn das Amt seine Arbeit richtig macht.

Verweigerung der Antragsstellung

Wenn der Leistungsberechtigte trotz Aufforderung einen Antrag auf eine vorrangige Leistung nicht stellt, dann hat das Jobcenter nach §5 Abs.3 SGB II die Möglichkeit (und Aufgabe) den Antrag ersatzweise für ihn zu stellen.

Wenn es gleich mit dem ersatzweisen Antrag auch noch einen Erstattungsanspruch geltend macht, dann müsste nie eine Rückforderung beim Leistungsberechtigten erfolgen, sondern zB. der Unterhaltsvorschuss würde vom Jugendamt direkt ans Jobcenter fließen.

Eine vorläufige Zahlungseinstellung des Bürgergelds müsste, damit sie rechtens ist, das mildeste Mittel sein, um eine Antragstellung zu erreichen – ist sie nicht, da das Jobcenter die Möglichkeit hat, den Antrag ersatzweise zu stellen, wenn der Leistungsberechtigte dies nicht tut.

Folge: Es gibt keinen Grund aufgrund nicht erfolgter Antragsstellung die Zahlung vorläufig einzustellen – schon gar nicht komplett. Daher ist es auch nicht zulässig.

Darf wegen nicht gestellter Anträge sanktioniert werden?

Sanktionen wären wegen nicht gestellter Anträge auf vorrangige Leistungen zur Durchsetzung der Antragsstellung sind nicht möglich, da §12 SGB II kein Leistungsminderungsgrund nach §31 SGB II ist.

Die vorläufige Zahlungseinstellung ist aber auch nicht dafür gedacht und geeignet, in dieserm Punkt eine unmögliche Sanktion zu ersetzen und dann doch Druck zu machen.

Korrektes Vorgehen des Jobcenters

1. Jobcenter fordert mit Fristsetzung zur Antragsstellung auf und weist auf die Pflicht nach §12 SGB II hin.
2a. Leistungsberechtigter weist Antragsstellung nach: Alles gut.
2b. Leistungsberechtigter stellt den Antrag nicht/weist dies nicht nach:
Jobcenter stellt ersatzweise und formlos den Antrag nach §5 Abs3 SGB II
3. Jobcenter fordert zur Mitwirkung auf: Ausfüllen von Formularen und Vorlegen von Unterlagen bei der zuständigen Stelle.
4. Kommt der Leistungsberechtigte nun dieser Aufforderung zur Mitwirkung nicht nach, dann kann nach §66 SGB I teilweise (in Höhe des vermuteten Anspruchs) (vorläufig) entzogen werden.

“Leitsatz”

Eine vorläufige Zahlungseinstellung wegen eines nicht gestellten Antrags ist wegen Unverhältnismäßigkeit unzulässig. Eine (teilweise / vorläufige) Entziehung wegen fehlender Mitwirkung nach ersatzweiser Antragsstellung ist aber zulässig.

Rechtsgrundlagen

  • §40 Abs2 Nr4 SGB II übernimmt §331 SGB III ins SGB II
  • §331 SGB III – vorläufige Zahlungseinstellung
  • §12 SGB II – Pflicht zur Beantragung vorrangiger Leistungen
  • §5 Abs3 SGB II – ersatzweise Antragsstellung

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