Wenn das Elterngeld nicht reicht – Bürgergeld oder Wohngeld und Kinderzuschlag

Lesedauer 4 Minuten

Nach der Geburt fällt in vielen Familien Einkommen weg, da Elternteile nicht mehr oder weniger arbeiten.
Sie haben in dieser Zeit Anspruch auf Elterngeld, aber was wenn das nicht ausreicht? Können betroffene Eltern Wohngeld, Kinderzuschlag oder Bürgergeld beantragen? Wir rechnen vor und geben Antworten.

Inhaltsverzeichnis

Ergänzende Sozialleistungen – eine Chance

Ergänzende Sozialleistungen können gerade für manche Menschen eine Chance sein, die zum Einen durch die Elternzeit tragen, zum Anderen aber auch eine parallele Elternzeit beider Elternteile ermöglichen können.

Bürgergeld

Eine Möglichkeit, das Elterngeld zu ergänzen wäre Bürgergeld. Der Elternteil, der Elterngeld bezieht, muss in dieser Zeit auch nicht der Vermittlung zur Verfügung stehen, da er häufig einen “pausierten” Arbeitsvertrag hat oder reduziert arbeitet.

Aber auch Elternteile, die kein Einkommen erzielen oder vor der Geburt erzielt haben, und Kinder unter 3 Jahren betreuen, müssen der Vermittlung nicht zur Verfügung stehen.

Zur Anrechnung des Elterngelds aufs Bürgergeld habe ich noch zum Arbeitslosengeld 2 einen Thread verfasst – da hat sich aber nichts grundlegendes verändert.

Wohngeld

Wohngeld ist eine weitere Option, die Familien, die mehr Einkommen als die im Bürgergeld haben, nutzen können. Dieses kann sofort beantragt werden, da es sich am Einkommen in der Zukunft orientiert.

Auch hier bleiben wie im Bürgergeld bis zu 300€ vom Elterngeld außer betracht, wenn im Bemessungszeitraum gearbeitet wurde.
Ein eigener Anspruch kann hier gut mit dem Wohngeldrechner von Wohngeld-MV.de geprüft werden (dabei den Freibetrag beachten).

Kinderzuschlag

Kinderzuschlag ist bei vielen Familien nicht direkt nach der Geburt möglich, da für die Berechnung das Durchschnittseinkommen der letzten 6 Monate zu Grund gelegt wird.
Da dies auch Monate vor der Geburt einbezieht, in denen noch voll gearbeitet wurde, muss häufig gewartet werden, bis der Durchschnitt weit genug gesunken ist.

Ist dies der Fall, macht eine monatlich befristete Antragsstellung Sinn, da der Anspruch jeden Monat steigt.

Beispiel

Familie Maier wird im Juni ihr zweites Kind bekommen, das erste ist 4 Jahre alt. Sie wohnen in Bochum und zahlen 600€ Kaltmiete, 100€ Nebenkosten und 120€ Heizung.

Er arbeitet Vollzeit, sie bis zum Mutterschutz halbtags.
Er bekommt nur Mindestlohn und hat 2080€ Brutto, Netto dann 1659€. Sie arbeitet zu Mindestlohn halbtags und erhalt 1040€ Brutto und 728€ Netto.
Bislang kamen sie finanziell klar.

Sie fragen sich ob sie nach dem Mutterschutz noch andere Unterstützung als Elterngeld erhalten können.
Das könnte entweder Bürgergeld oder Wohngeld und Kinderzuschlag sein.

Berechnung Bürgergeld

Bedarf:
451€ Regelbedarf Vater
451€ Regelbedarf Mutter
318€ Regelbedarf Kind(4)
318€ Regelbedarf Kind(1)
820€ Wohnkosten
—–
2358€ Bedarf

Einkommen Vater:
2080€ Brutto
1659€ Netto
378€ Freibetrag (Freibetrag ab 1.7.)
——
1281€ angerechnetes Einkommen

Einkommen Mutter:
532€ Elterngeld
-300€ Freibetrag
-30€ Versicherungspauschale
—–
202€ angerechnetes Elterngeld

Bürgergeld:
2358€ Bedarf
-1281€ angerechnet Vater
-202€ angerechnetes Elterngeld Mutter
-500€ Kindergeld
—–
374€
+40€ Kindersofortzuschlag
—–
414€ Bürgergeld

Es besteht ein ordentlicher Anspruch auf Bürgergeld, aber sind Wohngeld und Kinderzuschlag höher?

Ermittlung Wohngeld

Ich lasse hier die ausführliche Berechnung weg und gebe den Wert aus dem sehr guten Wohngeldrechner von wohngeld-mv.de an.
Die Familie hat Anspruch auf 509€ Wohngeld.

Berechnung Kinderzuschlag

Elternbedarf:
451€ Regelbedarf
451€ Regelbedarf
582€ (71% von 820€) – Prozentwert aus der Tabelle der DA-KiZ
—–
1484€ Elternbedarf

Elterneinkommen- siehe Bürgergeld:
1281€ Vater
202€ Mutter
—-
1483€ anrechenbares Einkommen

Da der Elternbedarf höher als das anrechenbare Einkommen ist, erfolgt keine Anrechnung. Die Familie bekommt also den vollen Kinderzuschlag von 2x 250€, insgesamt 500€.

Diese Berechnung ist ab dem 6. Monat nach dem Ende der Lohnzahlung wegen des Mutterschutzes korrekt, zu Beginn des Elterngeldbezugs ist das Durchschnittseinkommens der Mutter für die letzten 6 Monate noch niedriger.
Bei Lohnsteuerklasse 5 muss die Mutter ca. 1000€ verdient haben, um jetzt diesen Elterngeldanspruch zu haben.
Wird der Antrag im 1. Monat nach dem Ende des Mutterschutzes gestellt, ergibt sich folgende Änderung:
Einkommen Mutter:
1000€ Brutto
694€ Netto
-328€ Freibetrag (ab1.7.)
——
366€ angerechnetes Einkommen der Mutter

Elterneinkommen:
1281€ Vater
366€ Mutter
—-
1647€ anrechenbares Einkommen

Übersteigendes Einkommen:
1647€ anrechenbares Einkommen
-1484€ Elternbedarf
——–
163€ übersteigendes Einkommen.

Das übersteigende Einkommen wirkt sich zu 45% senkend auf den maximalen Kinderzuschlag aus.
45% von 163€ = 73€ abzuziehendes Einkommen

500€ maximaler Kinderzuschlag
-73€ abzuziehendes Einkommen
—–
424€ Kinderzuschlag

Der Kinderzuschlagsanspruch steigt jeden Monat ab dem 1. Monat der Zeit nach dem Mutterschutz an, besteht aber sogar schon währenddessen.

Für die Familie würden daher monatliche befristete Anträge ab dem 1. Monat der Zeit nach dem Mutterschutz Sinn machen. Ob sie sich dafür entscheidet, hängt wohl auch davon ab, ob sie gut mit Papierkram klar kommt.

Vergleich der Leistungssysteme

Da Wohngeld und Kinderzuschlag parallel bezogen werden können, werden die beiden Werte addiert.

500€ Kinderzuschlag (mindestens ja 420€)
+509€ Wohngeld
—–
1009€ staatliche Unterstützung (mindestens 929€)

Da Kinderzuschlag und Wohngeld zusammen eine deutlich höhere Summe ergeben, als das Bürgergeld, kann die Familie diese Leistungen in Anspruch nehmen.

Haushaltssituation mit Kinderzuschlag und Wohngeld

Sie haben damit dann 3700€ in der Haushaltskasse.

1659€ Netto Vater
+532€ Elterngeld
+500€ Kindergeld
+500€ Kinderzuschlag
+509€ Wohngeld
——
3700€

Nach Zahlung der Miete bleiben noch 2880€.

Ergänzende Möglichkeiten

Außerdem hat die Familie nun Anspruch auf Bildungs- und Teilhabeleistungen und die Befreiung von den Kindergartengebühren für das ältere Kind.

Mehr Infos dazu hier.

Parallele Elternzeit

Wenn beide Elternteile parallel in Elternzeit gehen, ergibt sich folgendes in der Haushaltskasse:

1014€ Elterngeld Vater
532€ Elterngeld Mutter
500€ Kindergeld
766€ Wohngeld
500€ Kinderzuschlag
——
3312€

Familie Maier müssten mit Elternzeit beider Elternteile 388€ weniger je Monat hinnehmen als wenn nur die Mutter in Elternzeit ist. Das könnte aber in dieser Lebenssituation durchaus machbar sein, sie blieben noch immer ca. 1000€ über Bürgergeldniveau ohne Einkommen.

Durch den ergänzenden Sozialleistungsbezug kann so eine parallele Elternzeit beider Elternteile, die zunächst nicht finanzierbar schien, auf einmal denkbar werden.

Situation nach Ende der Elternzeit

Läuft das Elterngeld nach 12 Monaten aus und bleibt Fr. Maier aber (mangels Betreuungsplatz) daheim, ändert sich die Lage.

1659€ EK Vater
0€ Elterngeld
500€ Kindergeld
500€ Kinderzuschlag
584€ Wohngeld
——
3243€

Nach Mietzahlung verbleiben noch 2423€.

Es läuft nicht bei jedem so gut, wie bei Familie Maier. Aber es zu prüfen ist auf jeden Fall sinnvoll.

Twitter

Meine hier veröffentlichten Artikel findet ihr (ähnlich) auch bei Twitter. Zum Abschluss noch der Link zum Twitter-Thread für Rückfragen, Ergänzungen oder alles was ihr sonst dazu sagen wollt – natürlich auch gerne zum Retweeten: hier

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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