Schwerbehinderung: 2 Ablaufdaten auf dem Schwerbehindertenausweis – Was ist jetzt gültig?

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Eine schwerbehinderte Betroffene verlässt die Sozialrechtsberatung mit gemischten Gefühlen. In der Hand hält sie ihren neuen Schwerbehindertenausweis, gültig bis Mai 2029. Im dazugehörigen Bescheid aber liest sie, die Überprüfung solle bereits im Oktober 2028 stattfinden.

Zwei Daten, ein Verfahren – und die Sorge, Rechte könnten früher verfallen, als der grüne Ausweis vermuten lässt. Der Fall ist exemplarisch für viele Betroffene, deren Grad der Behinderung (GdB) nach einer Krebsdiagnose zunächst nur auf Zeit festgestellt wird.

Heilungsbewährung: Warum die Schwerbehinderung befristet ist

Viele schwer Erkrankte erhalten fast immer einen pauschalen GdB von mindestens 50 für einen befristeten Zeitraum, meist fünf Jahre. Diese Phase nennt das Schwerbehindertenrecht „Heilungsbewährung“. Sie soll abwarten, ob die Erkrankung dauerhaft beseitigt ist oder ob sich Rezidive entwickeln.

Erst nach Ablauf der Heilungsbewährung wird wieder rein nach den verbliebenen Funktionsbeeinträchtigungen bewertet, was häufig zu einer Herabstufung des GdB führt.

Zwei Dokumente, zwei Funktionen

Der Schwerbehindertenausweis ist ein Ausweisdokument, das unmittelbar gegenüber Dritten gilt – etwa bei der Ticketkontrolle der Bahn, im Steuerbüro oder vor dem Rentenversicherungsträger. Maßgeblich ist einzig das Gültigkeitsdatum vorne auf der Karte.

Der Bescheid des zuständigen Landesamtes oder Versorgungsamtes dagegen ist der rechtsverbindliche Verwaltungsakt. Hier wird der GdB festgesetzt, eventuelle Merkzeichen werden zugeordnet, und es wird eine Überprüfung angekündigt.

Diese Frist ist kein „Ablaufdatum“, sondern der interne Erinnerungstermin der Behörde: Spätestens zu diesem Zeitpunkt beginnt sie, aktuelle Arztberichte einzuholen. Dem Betroffenen wird Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, bevor über eine Verlängerung oder Herabsetzung entschieden wird.

Ablauf der Überprüfung

Zunächst verschickt die Behörde einen Fragebogen, in dem der Gesundheitszustand seit der letzten Entscheidung abzufragen ist. Parallel bittet sie behandelnde Onkologinnen und Radiologen um Befundberichte.

Kommt es zu keiner wesentlichen Änderung – also weder zu einem Rückfall noch zu gravierenden Therapiefolgen – endet die Heilungsbewährung planmäßig. Je nach verbliebener Einschränkung kann der GdB herabgesetzt oder der Ausweis endgültig entzogen werden.

Betroffene müssen dabei nicht passiv bleiben. Sie dürfen eigene aktuelle Befunde einreichen, einen Schwerbehinderten­vertreter oder Rechtsbeistand einschalten und – falls sie mit der Entscheidung nicht einverstanden sind – Widerspruch und später Klage erheben.

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Rechte während der Befristung bleiben voll erhalten

Solange der Ausweis gültig ist, bleiben sämtliche Nachteilsausgleiche unangetastet: zusätzliche Urlaubstage, besonderer Kündigungsschutz, Steuerentlastungen und – bei einem GdB ≥ 50 – das vorgezogene Renteneintrittsalter.

Das Finanzamt gewährt beispielsweise einen Behindertenpauschbetrag von 1 140 Euro jährlich bei GdB 50; mit höheren GdB-Werten steigt der Betrag auf bis zu 7 400 Euro.

Tipps, um Rechtsnachteile zu vermeiden

Wer den Ausweis auch nach dem Ende der Heilungsbewährung benötigt, sollte sechs Monate vor Ablauf des Kartendatums prüfen, ob die Behörde von sich aus tätig geworden ist.

Liegt noch kein Fragebogen vor, kann ein formloser Antrag auf Verlängerung gestellt werden. Wichtig ist, aktuelle Befunde und – falls vorhanden – ärztliche Atteste zu Therapiespätfolgen beizulegen. Je detaillierter die Angaben, desto geringer das Risiko einer ungewollten Herabstufung.

Die große GdB-Reform 2025: Es soll sich verbessern

Die für Ende 2025 erwartete sechste Änderungsverordnung zur Versorgungsmedizin-Verordnung will die Systematik der GdB-Bewertung modernisieren. Teil A der Grundsätze erhält ein eigenes Kapitel zur Heilungsbewährung.

Der pauschale GdB 50 z.B. für Krebsbetroffene bleibt bestehen, außergewöhnliche Therapiefolgen sollen jedoch ausdrücklich zusätzlich gewürdigt werden.

Das könnte in Einzelfällen zu höheren Gesamt-GdB-Werten führen oder eine Herabstufung nach fünf Jahren verhindern.

Fazit

Die Diskrepanz zwischen Ausweis-Gültigkeit und angekündigter Überprüfung ist kein Fehler, sondern System: Der Schwerbehinderten­ausweis sichert soziale Teilhabe, während die Behörde im Hintergrund prüft, ob die Voraussetzungen fortbestehen. Entscheidend bleibt das Datum auf der Karte.

Wer seinen Ausweis darüber hinaus benötigt, sollte frühzeitig reagieren, medizinische Nachweise aktualisieren und notfalls Rechtsmittel einlegen. So bleibt der Schutzschild des Schwerbehindertenrechts auch nach der Heilungsbewährung erhalten.