Sanktionswut der Jobcenter: Mehr als eine Million Leistungskürzungen in 2012?
16.10.2012
Noch nie wurden so viele Sanktionen gegen Hartz IV-Bezieher verhängt wie in diesem Jahr. Bis Ende Juni zählte die Bundesagentur für Arbeit (BA) insgesamt 520.792 neu verhängte Sanktionen. Bei dieser regelrechten Sanktionswut der Jobcenter ist zu erwarten, dass in diesem Jahr mehr als eine Million Menschen von Leistungskürzungen betroffen sind.
Schon bei kleinen „Vergehen“ wie ein vergessener Termin im Jobcenter oder der Nichteinwilligung einer Arbeitsgelegenheit (AGH) werden Bezieher von Hartz IV-Leistungen mit massiven Leistungskürzungen belegt. Nach offiziellen Angaben der Bundesagentur für Arbeit wurden bis Ende Juni bereits 520.792 neue Sanktionen gezählt. Allein im Monat Februar 2012 sprachen die Jobcenter 93931 Sanktionen gegen Arbeitslosengeld II-Bezieher aus. Werden die Zahlen auf das laufende Jahr hochgerechnet, so könnte in diesem Jahr die Million Grenze überschritten werden. Zum Vergleich: Im Jahre 2011 wurden rund 912.000 Leistungskürzungen verhängt.
Am meisten sanktioniert: Meldeversäumnisse
In der Mainstream-Presse heißt es sinngemäß, die Jobcenter „greifen härter gegen Arbeitsverweigerer durch“. Am häufigsten wurden aber auch im ersten Halbjahr 2011 sogenannte Meldeversäumnisse in 352.233 Fällen bestraft. An zweiter Stelle rangieren Verstöße gegen aufgezwungene Eingliederungsvereinbarungen, wenn beispielsweise die Anzahl der „vereinbarten Bewerbungsanschreiben“ seitens des Leistungsbeziehers nicht erreicht wurde (bislang 74.432). In 56.489 Fällen wurden Leistungskürzungen ausgesprochen, weil die Aufnahme einer Arbeit zum Beispiel bei einer Zeitarbeitsfirma mit Aussicht auf Hartz IV-Aufstockung oder ein Ein-Euro-Job ohne Aussicht auf Integrieren in den ersten Arbeitsmarkt abgelehnt wurde.
Jedes Jahr neue Sanktionsrekorde
Bereits in den Jahren 2010 und 2011 stieg die Sanktionsquote kontinuierlich an. Das liegt augenscheinlich nicht daran, dass immer mehr Leistungsberechtigte gegen die Auflagen verstoßen, sondern weil die Bundesagentur die Mitarbeiter in den Behörden dazu anhält, auch kleine Vergehen „konsequent“ zu betrafen. Eine Einzelfallprüfung, warum ein Termin nicht eingehalten werden konnte, findet kaum noch statt. Stattdessen wird den Leidtragenden der sowieso schon geringe Regelsatz für drei Monate gesperrt. Nicht selten müssen die Betroffenen 100 Prozent Kürzungen hinnehmen und erhalten im besten Falle Lebensmittelgutscheine. (sb)
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