21.03.2011
Noch immer bespitzeln Jobcenter in Stasi-Manier rechtswidrig Hartz IV-Empfänger. Die Persönlichkeits- und Menschenrechte von ALG II-Empfängern werden so von den Arbeitsagenturen und Jobcentern weiterhin mit Füßen getreten.
Wie das „Naumburger Tageblatt“ gestern berichtete, bespitzeln Arbeitsagenturen und Jobcenter in Thüringen seit Jahren systematisch rechtswidrig ALG II-Empfänger. Diese werden dazu ohne jeden Grund über Wochen und Monate hinweg observiert, um festzustellen, ob diese z.B. arbeiten ohne das Einkommen daraus anzugeben, oder was sie für sexuelle Kontakte pflegen, und ob sich daraus möglicherweise Bedarfsgemeinschaften konstruieren lassen.
Als Verantwortliche Arbeitsagenturen und Jobcenter werden u.a. die aus Jena, Weimar, Erfurt, dem Eichsfeldkreis, Altenburger Land, Kreis Schmalkalden-Meiningen, Ilm-Kreis, Kreis Saalfeld-Rudolstadt, Saale-Orla-Kreis, Saale-Holzland-Kreis und Kreis Sömmerda genannt. Es soll dort insgesamt 30 Vollzeit-Sozialdetektive geben, von denen in den letzten zwölf Monaten pro Sozialdetektiv u.a. 8758 Hartz-IV-Empfänger im Kreis Saalfeld-Rudolstadt und 2144 Hartz-IV-Empfänger in der Stadt Weimar observiert wurden.
Observation von Betroffenen ungeheuerlicher Skandal!
Bereits am vor gut zwei Jahren prangerten wir hier öffentlich eine Weisung der Bundesagentur für Arbeit (BA) an, in welcher diese die SGB II-Leistungsträger (damals noch unter der Bezeichnung ARGE) zur grundlosen Observationen von ALG II-Empfängern aufforderte, um vermeintliche "Hartz IV Betrüger" aufzuspüren. Aufgrund des sich daraufhin aufbauenden öffentlichen Drucks änderte die BA ihre Weisung umgehend und weist seither darin unter GA 6.11 unmissverständlich darauf hin, dass Observationen von ALG II-Empfängern durch Jobcenter generell rechtswidrig sind. Das scheint aber viele Arbeitsagenturen und Jobcenter nicht zu interessieren, sie tun es trotzdem und haben dazu extra Personen, sog. Sozialdetektive, angestellt.
Auch das am 25 November 2010 das Thüringer Oberverwaltungsgericht in Weimar verdeckte Beobachtungen durch einen Sozialdetektiv für generell unzulässig erklärte (1 KO 527/08), weil es darin eine durch keine gesetzliche Grundlage gedeckte Verletzung des Rechts auf informelle Selbstbestimmung sah (woran sich rechtlich bis heute nichts geändert hat), stört die Verantwortlichen in Arbeitsagenturen und Jobcentern nicht, was vielmehr bei diesen auf eine erhebliche kriminelle Energie schließen lässt.
Für ALG II-Empfänger gilt: Vorsicht beim Sex, das Jobcenter sieht zu!
Interessanterweise werden von den Arbeitsagenturen und Jobcentern keinerlei Angaben dazu gemacht, in wie vielen Fällen das eingesparte Geld – genannt werden ca. 48.000 Euro pro Jahr – tatsächlich auf Betrug zurückzuführen ist. Dazu gäbe es angeblich keine Daten, was mehr als unglaubwürdig erscheint. Hier kommt man zwangsläufig zu der einzig logischen Schlussfolgerung, dass der Großteil dieser Summe nicht etwa aus aufgedeckten Betrügereien stammt, sondern aus den – sich an Observationen sexueller Kontakte von ALG II-Empfängern anschließenden – finanziellen „Zwangsverheiratungen“ der Sexualpartner resultiert, indem sog. Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaften konstruiert werden, wo der eine Partner finanziell für den anderen aufzukommen hat. Das ALG II-Empfänger dazu beim Sex von Arbeitsagenturen und Jobcentern beobachtet werden, ist einfach nur widerlich.
Sozialdetektive finanzieren sich nicht mal selbst
Der vermeintliche finanzielle Erfolg stellt sich zudem als Nullnummer heraus, wie berichtet wird, denn die Steuermittel, welche bei der Aufdeckung tatsächlicher Betrügereien eingespart werden, reichen offenbar nicht aus, um die Kosten dieser Sozialdetektive zu decken. Selbst wirtschaftlich gesehen sind diese massiven Rechtsverstöße durch die Arbeitsagenturen und Jobcenter nicht zu rechtfertigen.
Die Redaktion gegen-hartz.de: "Wir fordern die verantwortlichen Arbeitsagenturen und Jobcenter auf, diese rechtswidrigen Observationen durch Sozialdetektive umgehend zu beenden und wir fordern die zuständigen Aufsichtsbehörden, die Bundesagentur für Arbeit und die Landesverwaltungsämter auf, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und dafür Sorge zu tragen, dass solch eklatanter Rechtsmissbrauch in Zukunft unterbleibt." (fm)
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Bild: wrw / pixelio.de
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