Millionen verzichten auf Hartz IV

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Mehr als jeder dritte Berechtigte stellte keinen Antrag auf Hartz IV

01.07.2013

Mehr als jeder Dritte Leistungsberechtigte verzichtet auf Hartz IV. Das berichtet der Tagesspiegel unter Berufung auf Simulationsrechnungen des Arbeitsministeriums. Demnach gehören vor allem Scham, Unwissenheit oder eine voraussichtlich nur geringe Leistungshöhe und -dauer zu den Gründen für den Verzicht auf die staatliche Grundsicherung.

Verzicht auf Hartz IV aus Scharm und Unwissenheit
Laut einer aktuellen Berechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) für das Arbeitsministerium beantragen mehr als ein Drittel der Leistungsberechtigten kein Hartz IV. 3,1 bis 4,9 Millionen sozial schwache Menschen sollen demnach in verdeckter Armut leben, wie der Tagesspiegel berichtet. Das entspricht 34 bis 44 Prozent der Leistungsberechtigten, die meist aus Scham, Unwissenheit oder einer voraussichtlich nur geringen Leistungshöhe und -dauer auf Hartz IV verzichten.

Die Simulationsrechnungen der Forscher sind im Hinblick auf die Höhe der Hartz-IV-Regelsätze von Bedeutung, da sie sich an den Konsumausgaben der Menschen mit den unteren 20 Prozent der Einkommen orientiert. Hartz IV-Bezieher werden dabei nicht mit einbezogen. Die Berechnung des Regelsatzes wurde 2011 gemäß Urteil des Bundesverfassungsgerichts geändert, nachdem die Richter festgestellt hatten, dass die Einbeziehung der verdeckten armen Haushalte das Ergebnis verfälschte. Zukünftig müssten diese deshalb aus der Berechnung ausgeschlossen werden. Folglich würde das einen Anstieg der Regelsätze bedeuten. Wie das IAB berechnete, würden Alleinstehende dann eine Erhöhung von durchschnittlich bis zu 2,4 Prozent und Paare mit einem Kind von bis zu 5,5 Prozent erhalten, berichtet die Zeitung. Dennoch will das Bundesarbeitsministerium die Berechnung der Regelsätze nicht ändern. Anderenfalls „käme es durch die an deren Stelle nachrückenden Haushalte mit höherem Einkommen tendenziell zu einer Verlagerung der Referenzgruppe in den mittleren Einkommensbereich“, wie im aktuellen Regelbedarfsbericht vermerkt ist, über den am Mittwoch im Sozialausschuss beraten wurde.

Katja Kipping, Vorsitzende der Linkspartei, fordert eine sanktionsfreie Grundsicherung statt Hartz IV. „Angesichts der entwürdigenden Prozeduren auf den Jobcentern ist es kein Wunder, dass Millionen auf Leistungen verzichten. Die Abschreckung durch Diskriminierung spart dem Staat pro Jahr mindestens 20 Milliarden Euro“, erklärte die Politikerin gegenüber der Zeitung. (ag)

Bild: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de