Krankes Hartz (IV) macht nicht gesund

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Krankes Hartz macht nicht gesund.
von Joachim Weiss

(29.05.2010) Die Krankenkassen schlagen Alarm: Hartz-IV, die unter Rot-Grün eingeführte Super-Sozialreform, lässt Arbeitslose immer häufiger erkranken! Zum Beweis legen die Technikerkrankenkasse und die Sozialverbände dramatische Zahlen auf den Tisch: Die Anzahl der Krankmeldungen bei Beziehern von Arbeitslosengeld I sei um 28 Prozent, bei Verhaltenstörungen und psychischen Erkrankungen gar um 44 Prozent angestiegen (s. Hartz-IV-Meldungen). In konkreten Zahlen bedeutet dies, dass etwa eine halbe Millionen Erwerbslose an sozialpolitisch verursachten Erkrankungen leiden.

Angaben der Agentur für Arbeit zufolge haben sich in den ersten elf Monaten des letzten Jahres 1,7 Millionen Arbeitslose krank gemeldet. Das sind ungefähr 13 Prozent mehr als bei den Erwerbstätigen. Allerdings neigen auch Beschäftigte mit befristeten Arbeitsverträgen, mehr als fünf Wochenarbeitstagen oder langen Arbeitswegen häufiger zu psychischen Erkrankungen, was zeigt, dass nicht nur Erwerbslosigkeit, sondern auch die Angst um den Arbeitsplatz Depressionen, Panik-Atacken und Herz-Kreislauferkrankungen verursacht.

Dass BILD, Deutschlands reichweitenstärkste Dreckschleuder gegen Erwerbslose, nicht nur an der Verbreitung, sondern auch an der Genese solcher Hiobsbotschaften nachhaltig mitwirkt, kommt erschwerend hinzu. Doch wer sich mit Schlagzeilen wie „So einfach ist es den Staat zu bescheißen“, „Hartz-IV-Abzocke“ bzw. ganzseitigen Skandalgeschichten über angebliche Hartz-IV Betrüger, die 500 qm – Luxus-Villen auf Teneriffa bewohnen und „Polen die Deutsche werden, um den deutschen Sozialstaat zu melken“, jahrelang als Diffamierungsprofiteur betätigt, hat nicht nur seine Glaubwürdigkeit, sondern auch jegliche soziale Kompetenz verspielt.

Die Krankenkassen, wie immer als Opfer kostümiert, sollten hingegen aufpassen, dass ihre dahergeheuchelte Besorgnis um die Gesundheit von Erwerbslosen und Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen nicht nach Hinten losgeht. Zu gerne und zu oft inszenieren sie sich als Opfer medizinischer Kostenexplosionen und habgieriger Pharmahersteller, reißen ein Milliardenloch nach dem anderen auf, und beteiligen sich unter der Hand jahrzehntelang selbst aktiv an der Demontage des Sozialsystems.

Zu diesem Behufe werden Versicherten seit mindestens 20 Jahren durch künstlich stabilisierte Beitragssätze hinters Licht geführt, Verhandlungserfolge vorgetäuscht, von denen allenfalls Politiker, Arbeitgeber und die um Mitglieder buhlenden Kassen selbst profitiert haben, während der Einnahmenrückgang durch radikalen Leistungsabbau zu Lasten der Versicherten kompensiert wurde.

An dieser Stelle sollte daher einmal klar und deutlich auf den unerträglichen Zustand hingewiesen werden, dass Erwerbslose und prekär Beschäftigte keinen Anspruch auf Brillen, Zahnersatz oder Betreuungskosten für behinderte Kinder bei der ARGE oder Grundsicherung geltend machen können. Selbst den Sozialgerichten sind in solchen Fällen die Hände gebunden, doch Schuld an der Misere tragen nicht die Sozialbehörden, sondern Krankenkassen, die sich immer offenkundiger nur noch für gesunde und erwerbstätige Beitragszahler zuständig fühlen.

Dass Not und Arbeitslosigkeit nicht nur die Entstehung von psychischen Erkrankungen fördert, sondern auch die Lebenserwartungszeit reduziert, ist andererseits keine neue Erkenntnis und durch nationale und internationale Studien gesichert. Weitaus seltener erfährt man hingegen etwas über die weitreichende Bereitschaft von Fachärzten, gerade psychische Beschwerden mit der Pharmakeule zu kurieren, wo nach medizinischen Gesichtspunkten eine -freilich zeit- und kostenintensive- Psychotherapie indiziert wäre.

Geradezu prädestiniert für solche Kunstfehler sind sogenannte Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wie das Präparat „Zoloft“ oder „Fluoxetin“, weil sie angeblich geringere Nebenwirkungen als klassische Psychopharmaka entfalten und darüber hinaus den Erhalt der Arbeitsfähigkeit vorgaukeln. Das erinnert an Wunderpillen zur sofortigen Wiederherstellung der Fahrtüchtigkeit bei 1,8 Promille, doch kritische Untersuchungen über Serotonin-Wiederaufnahmehemmer führen zu dem übereinstimenden Ergebnis, dass ihre unsachgemäße Anwendung schwere Psychosen und suizidale Begleiterscheinungen auslösen kann:

»Mittlerweile hat der Hinweis [auf die Suizidalität] seinen Platz auf dem Beipackzettel – und nicht nur auf jenem von Zoloft. Denn die gesamte Medikamentenklasse, genannt „selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer“ (englische Abkürzung: SSRI), ist betroffen. Ein Hersteller nach dem anderen muss sich rechtfertigen für das, was er in der Vergangenheit verschwiegen oder uminterpretiert haben soll. « Focus 8/08 [1]

Dass Erwerbslose und Menschen, die tagtäglich der Sorge um ihren Arbeitsplatz ausgesetzt sind, ein erhöhtes Krankheitsrisiko tragen, ist –mit oder ohne Studie- unschwer nachvollziehbar. Welche Absichten die Auftraggeber solcher Untersuchungen in Wirklichkeit verfolgen, bleibt jedoch im Dunkeln. Wahrscheinlich wäre das dafür bereit gestellte Geld in ein paar hundert Brillen und Zahnersatz für Schwerstfälle besser angelegt gewesen. (von Joachim Weiss, www.gegen-stimmen.de)