Klagewelle gegen Hartz IV im Saarland.
Im kleinsten Bundesland Deutschlands, dem Saarland, werden laut Informationen des Saarländischen Rundfunks immer mehr Klagen gegen Hartz IV eingereicht. So habe sich die Anzahl der Fälle seit Inkrafttreten der Hartz IV-Arbeitsmarktreformen vor fünf Jahren mehr als verdoppelt: Von 407 Verfahren gegen das SGB II im Jahr 2005 auf insgesamt 834 Fälle im vergangenen Jahr 2009. Diese Verfahren blieben dem Sozialgericht für das Saarland (SG) zwar überwiegend erfolglos für die Kläger, in nicht wenigen Fällen hätte aber zumindest ein teilweiser Erfolg erzielt werden können. Bei einigen Konflikten könne dem Gericht nach jedoch auch eine außergerichtliche Lösung gefunden werden, z.B. durche einen Vergleich. Nach Aussage des Gerichts würden Betroffene in vielen Fällen ihre Klagen auch wieder zurückziehen – weil sie keine Erfolgsaussichten sehen würden.
Entgegen dieser Auskunft zeichnete die "Süddeutsche-Zeitung" noch im Februar ein ganz anderes Bild: Da hieß es in einem Artikel, dass laut der Jahresstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) über Widersprüche und Klagen in der Hartz-IV-Verwaltung im Jahr 2009 von den bundesweit insgesamt rund 830.200 Widersprüchen gegen Hartz IV-Bescheide 36,3 Prozent ganz oder teilweise erfolgreich – das sind immerhin mehr als 300.000 geänderte Bescheide, die die Jobcenter in veielen Fällen wegen nicht korrekt angewendetetem Recht oder unzureichender Aufklärung des Sachverhalts ändern mussten. In Fällen, in denen die Behörden auch nach einem Widerspruch nichts an dem Bescheid ändern, haben Empfänger von ALG II die Möglichkeit, dagegen zu klagen – hiervon wurde laut der BA-Statistik in fast 143.000 Fällen Gebrauch gemacht – und die Erfolgsquote kann sich sehen lassen: Von 114.000 abschließend bearbeiteten Klagen wurden so 55.800 Bescheide aufgehoben oder geändert, was einem Anteil von 48,9 Prozent entspricht.
Dieses Ergebnis entspricht zwar der Aussage des Gerichts, dass "überwiegend", d.h. also in weniger als 50% der Fälle keine Erfolge zu verzeichnen waren, dennoch zeigt es ebenfalls, dass diese nur knapp verfehlt wurden und angesichts dieser Zahlen die Chancen vor Gericht also alles andere als schlecht sind. Negative Erfolgs-Prognosen dienen folglich wie im oben beschriebenen Fall vermutlich eher der Abschreckung – denn jeder neue Widerspruch bedeutet natürlich unter Umständen einen enormen Arbeitsaufwand. Das sich augenscheinlich viel zu viele Betroffene tatsächlich abschrecken lassen, zeigt der Aspekt, dass viele Klagen aufgrund vermuteter fehlender Erfolgsaussichten letztendlich wieder zurückgezogen werden – hier ist es jedoch im Falle von Unstimmigkeiten unbedingt empfehlenswert, sich nicht von Zahlen, Prognosen oder Papierbergen abschrecken zu lassen, sondern sich gründlich über seine Möglichkeiten und Rechte zu informieren und diese auch einzufordern. (12.04.2010)
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