Hartz IV: Strafantrag gegen Arge Sachbearbeiterin

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Hartz IV: Wiesbadener Behörde zerrt Hartz4-Plattform Sprecherin vor den Staatsanwalt: Verfahren eingestellt
Brigitte Vallenthin erstattet Strafanzeige gegen Hartz IV-Sachbearbeiterin wegen falscher Verdächtigung

Brigitte Vallenthin, Sprecherin der Hartz-4-Plattform, stellte bei der Wiesbadener Staatsanwaltschaft einen Strafantrag gegen eine Sachbearbeiterin der Arge. Der Vorwurf: „falsche Verdächtigung“ und „Verfolgung Unschuldiger“ nach § 164 und § 344 Strafgesetzbuch (StGB). Hiermit dokumentieren wir die Pressemitteilung der Hartz4 Plattform aus Wiesbaden.

„Beschlossen und verkündet: Das Verfahren wird eingestellt, die Kosten gehen zu Lasten der Staatskasse.“ Mit diesem Richterspruch endete nach einem Jahr vor dem Wiesbadener Amtsgericht – nach einem Bruchteil der auf 1 1/2 Stunden angesetzten Verhandlung – das von einer Sachbearbeiterin der Hartz IV-Behörde mit falschem Zeugnis angezettelte
Strafverfahren gegen Hartz4-Plattform-Sprecherin Brigitte Vallenthin. Ihr war zu Unrecht Betrug vorgeworfen worden. Für dieses Ergebnis eines abermaligen, mutwilligen und willkürlichen Versuchs, die Arbeitslosen-Aktivistin zu diskriminieren muss nun der Steuerzahler tief in die Tasche greifen. Er muss Mehrkosten in der Hartz IV-Verwaltung für mehrere Sachbearbeiter, Arbeitsgruppenleiter sowie die Rechtsabteilungen berappen.

Dazu die Verfahrenskosten beim Amtsgericht und der Staatsanwaltschaft sowie für einen Rechtsanwalt. Obendrauf kommen noch die Kosten des zusätzlich notwendig gewordenen Sozialgerichtsverfahrens in derselben Sache. „Da diese vorsätzliche Schikane und Diskriminierung nicht alleine mich betrifft sondern bundesweit tagtäglich Unzählige in Hartz IV-Behörden, habe ich jetzt Strafanzeige nach § 164 und § 344 Strafgesetzbuch (StGB) gegen die Sachbearbeiterin erstattet. Sie hat mir mit ihrem strafbarem Verhalten der „falscher Verdächtigung“ und der „Verfolgung Unschuldiger“ als Zeugin – entgegen der Aktenlage – zunächst im Dezember 2008 eine Strafanzeige, danach ohne Verhandlung im April einen Strafbefehl über 900 € ersatzweise 30 Tage Haft vorsätzlich und wider besseres Wissen verursacht. Hätte mein Anwalt, Lutz Schäfer, – der sich auch
als Rechtsbeistand für den Hauptkläger gegen Hartz IV beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) engagiert – mir nicht erfolgreich den Rücken gestärkt und hätte ich nicht schriftliche Dokumente gegen die falsche Verdächtigung des angeblichen Missbrauchs- Betruges vorlegen können, wäre ich vermutlich auf enormen Gerichts- und Anwaltskosten sowie einer Vorstrafe und 30 Tagen Haft im wahrsten Sinne des Wortes sitzen geblieben.“

Ein Arbeitsgruppen-Vorgesetzter des Amtes für Soziale Arbeit bestätigte schließlich als Zeuge vor dem Wiesbadener Amtsgericht, dass laut Aktenlage Brigitte Vallenthin niemals der Vorwurf des Betruges hätte gemacht werden dürfen. So sahen es auch Richter und Staatsanwältin. „Ich habe jetzt Strafanzeige erstattet, weil es endlich Zeit wird, ein Zeichen zu setzen, dass Hartz IV Sachbearbeiter nicht weiterhin schikanös und willkürlich ihre „Kunden“ mutwillig in zusätzliche Not bringen oder gar mit Vorstrafe-Bedrohung unter Druck setzen können, ohne dafür selber die Verantwortung übernehmen zu müssen,“ ist Brigitte Vallenthins Resümee aus dem, was sie in den letzten Monaten zu Unrecht ertragen musste.

So geht es jedoch nicht für alle Hartz IV-Betroffenen in dieser Lage aus. Denn nach Erkenntnissen der Hartz4-Plattform ist zu befürchten, dass fälschlich angezeigte Hartz IVBetroffene unverhältnismäßig häufig verurteilt werden. Und das nicht etwa, weil sie schuldig wären, sondern deshalb, weil sie sich eine aussichtsreiche Strafverteidigung nicht leisten können. Entgegen weit verbreiteter Falschmeldungen kommen sie nämlich in der Regel noch nicht einmal in den Genuss eines Pflichtverteidigers. Den erkennen Strafgerichte nur dann an, wenn äußerst gravierende Straftaten vorliegen und hohe Freiheitsstrafen zu erwarten sind. Diese Voraussetzungen jedoch erfüllen Hartz IV-Klagen wegen angeblichen Missbrauchs niemals. So sind Hartz IV-Angeklagte zumeist schutzlos und unerfahren dem unbekannten Procedere zwischen Staatsanwaltschaft und Richter vor
Gericht ausgeliefert, weil sie als Laien wenig Chancen haben, dort alleine aussichtsreich ihre Rechte zu verteidigen. „Hier ist,“ so Vallenthin, „dringend der Gesetzgeber gefordert, sich schützend vor solche Angeklagten zu stellen und einen Pflichtanwalt auch für die Menschen sicher zu stellen, die sich aus finanziellen Gründen einen Rechtsbeistand nicht leisten können.“

In diesem Zusammenhang ist es für die Hartz4-Plattform ebenfalls ein Gebot der Stunde, endlich der falschen und Vorurteile schürenden angeblichen Missbrauchs-Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BAA) einen Riegel vorzuschieben. Da wird nämlich gegen jedes Recht und Gesetz unwidersprochen angeblicher Leistungs-Missbrauch mit den von den Hartz IV-Behörden erlassenen Bußgeld- und Strafanzeigen gleich gesetzt. Dass es den Rechtsgrundsatz des „in dubio pro reo“, im Zweifel für den Angeklagten, gibt schert die BAA dabei offenbar wenig. Im Gegenteil: auf Brigitte Vallenthins Anfrage, ob man für die Statistik nicht erst prüfe, wie viele der Anzeigen tatsächlich mit schuldig endeten, ehe man mit Statistiken quasi vorverurteile, antwortete die BA-Presse-Verantwortliche Anja Huth sinngemäß: „Nein. Aber wir gehen davon aus, dass alle eingeleiteten Verfahren mit schuldig enden, weil sie ja vorher in den Verwaltungen gründlich geprüft werden.“ Für Brigitte Vallenthin: „Ein Skandal, dass hier die Verwaltungen sowie die Bundesagentur für Arbeit sich quasi selber zum Richter erhebt und Unschuldige mit angeblichen Missbrauchs-Statistiken vorverurteilen– noch ehe ein Richter darüber befinden konnte.“ (Hartz-4-Plattform, 20.12.2009)