Wie schon bei dem autobiographischen Bericht "EinTag Hartz IV" von Jens Neugebauer, veröffentlichen wir heute einen Artikel von Mira Chiarello, die aus ihrer Sicht die steigende Armut in Verbindung mit Hartz IV thematisiert.
Hartz IV wurde von Menschen erdacht, die Hilfsbedürftigen nicht einmal in die Augen geschaut haben. Geschweige mit Ihnen eine vernünftige Konversation geführt haben. Hartz IV basiert auf Statistiken von Sozial- und Arbeitsämtern. Der Sozialarbeiter heißt jetzt Fallmanager – welch Ironie! Dafür hat er einen Schnellkurs belegt, wie man mit Hilfsbedürftigen umgeht. Die Menschlichkeit bleibt auf der Strecke. Die Kluft zwischen reich und arm ist größer geworden.
Ein Hartz IV Empfänger muss sein Privatleben offenbaren. Was bleibt, sind Scham und das Gefühl, ein Teil von sich verloren zu haben. Muss ein gut situierter Mensch sein Privatleben offenbaren? – Nein! Durch Hartz IV wurden Hilfsbedürftige zu Randgruppen unserer Gesellschaft. Muss das sein ? Man sagt, dass Hartz IV Empfänger monatlich mehr Lebensunterhalt bekommen. Das ist nicht die ganze Wahrheit. Ein Beispiel: Eine Alleinerziehende mit Kind hat durch die frühere Sozialhilfe eine Bekleidungspauschale bekommen – weggefallen. Zu Weihnachten gab es eine Vergütung, um etwas Freude an diesem besonderen Tag zu haben – weggefallen. Eis oder Pizza essen gehen – was ohnehin selten war – unmöglich. Die Familie gesund ernähren, auf Grundnahrungsmittel wie Fleisch, Obst und Gemüse nicht verzichten – unmöglich. Luxus bedeutet für diese Familien, einen Apfel zu kaufen oder Weihnachten Fleisch zu essen. Dass die Betroffenen sich schämen, verstehe ich.
Aber mir scheint, dass viele Menschen die Augen vor der Wahrheit verschließen. Über 93% der Hartz IV Empfänger wissen bis heute nicht, welche angeblichen Vorteile sie durch Hartz IV haben. Es fällt mehr Geld weg, als hinzu kommt, kein gesellschaftliches Ansehen, man gilt als arbeitsunwillig, Familienausflüge sind nicht mehr realisierbar, Spielsachen für Kinder fallen weg. Was bleibt, sind Menschen, besonders Kinder, die im sozialen Umfeld nicht mehr akzeptiert werden und in Konfliktsituationen geraten. Wo bleibt das Kinderlachen in unserer Stadt, die Familie, die mal sonntags ins Cafe geht? Ist das ein Privileg der gutsituierten Bevölkerung? Das kann nicht sein.
Ich weiß, wovon ich spreche. Die Hilfsbedürftigkeit in unserer Stadt hat zugenommen. Können Sie da ruhig schlafen?. Ich nicht. Darum mein Anliegen an euch, denen es besser geht. Verschließt nicht eure Augen, öffnet eure Herzen, schaut in Eure Nachbarschaft, ob Hilfe benötigt wird. Früher half man sich gegenseitig – warum heute nicht mehr? Gebt den Hilfsbedürftigen eine Chance auf ein menschenwürdiges Dasein. Denkt nicht nur nach – unternehmt etwas gegen die Armut in unserer Stadt. Der Dank gehört denen, die wirklich helfen wollen. (Mira Chiarello)
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