Bochum. Sozialausschuss: Kaninchen aus dem Hut gezaubert
Überraschung bei der heutigen Sitzung des Sozialausschusses: wenige Stunden vor der Sitzung zauberte die SPD drei Kaninchen und 95tausend Euros aus dem roten Zylinder. Finanziert werden soll damit eine "niedrigschwellige Sozialberatung" für erwerbslose und erwerbsunfähige Grundsicherungsberechtigte auf der Basis des Konzepts des Mietervereins. Abgelehnt wurde der Antrag der CDU, analog zur Schuldnerberatung mit Beratungsgutscheinen die Nutzung verschiedener Einrichtungen zu ermöglichen. Rechtsanwalt Passmann von der FDP war gleich gegen alles – dafür gäbe es doch seine Zunft. Neben „Ahhs“ und Ohhs“ ob des gelungenen Zaubers kam es über die strittigen Inhalte fast zu lauten Worten, warum weiss keineR so genau. Geprüft werden soll auch die Einrichtung eines "Beschwerdeausschusses" (ohne Weisungsbefugnis) bei der ARGE. – Schnell und einstimmig beschlossen: der Auftrag an die Verwaltung, zu prüfen, ob nicht entsprechend der Rechtslage grundsätzlich die zu zahlenden Heizkosten-Vorauszahlungen als "angemessen" anzusehen sind. Bis die aber antwortet (im März) werden viele schon frieren. Dann wird auch erwartet eine Stellungnahme der ARGE zur Anzahl der Zwangsumzüge.
Viele weitere Fragen wurden aber einfach ausgelassen: Was geschieht mit psychisch Erkrankten bei stationärem Aufenthalt? Dürfen unter 25jährige mit Kind oder schwanger einen eigenen Haushalt begründen? Was geschieht bei Sanktionskürzungen bis auf Null – Obdachlosigkeit? Wird der Zuschuss zu Klassenfahrten weiterhin unrechtmässig gedeckelt? Hier sind die Parteien gefordert, besondere Anträge zu formulieren.
Das Konzept des Mietervereins zur "niedrigschwelligen Sozialberatung" sieht vor, dass der Mieterverein selbst das "Backoffice" stellt und dafür 20 – 30.000 Euro im Jahr erhält. Für zwei volle Beratungsstellen werden bis 85.000 Euro veranschlagt, für Raumkosten bis 15.000 Euro, für Sachkosten und „externe Dienstleitungen“ bis 30.000 Euro. Macht zusammen 160.00 Euro. Zur Deckung der Differenz zu den plötzlich entdeckten 95.00 Euro sollten eigentlich die Kaninchen versteigert werden. Aber die waren plötzlich verschwunden …
Am Abend schüttelte das Team der "Unabhängigen Sozialberatung" gemeinsam verständnislos die Köpfe: seit 1975 steigt wieder die Arbeitslosigkeit (damals: eine halbe Million!). Seit dem gibt es auch Erwerbslosenberatungen, meist hervorgegangen aus Selbsthilfegruppen. NRW ist inzwischen von einem ganzen Netz kompetenter und engagierter Beratungsstellen überzogen – auch Bochum profitiert seit Jahren davon. Durch Hartz IV ist der Unterstützungsbedarf allerdings immens gewachsen. "Bestehende Erfahrung und Kompetenz stärken, Selbstorganisation fördern" ist unser Motto. Da machen wir einfach weiter – in gewohnter Qualität!
Wohingegen die CDU das Verhältnis zwischen ARGE und Betroffenen "befrieden" will – schliesslich beruhe vieles ja nur auf "Fehlinterpretationen und Missverständnissen". Und SPD und Grüne denken gleich wieder an "Beschäftigungsprojekte", besser bekannt als "Arbeitsgelegenheiten". Und das Alles für 95.000 Euros? Aber da winken ja noch ein paar Kaninchen und viel Geld aus Düsseldorf/Brüssel! (24.01.07)
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