Hartz IV Regelsatz 2011

Lesedauer 7 Minuten

Das Bundesarbeitsministerium stellt am Montag den Entwurf der neuen Hartz IV Regelsätze 2011 vor. Hier als Dokumentation eine Zusammenfassung des Entwurfs des Arbeitsministeriums der im Bundestag noch nicht verabschiedet wurde.

Der Referentenentwurf zu den neuen Hartz IV Regelsätzen wird morgen, am Montag, den 27 September 2010 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zusammen mit einer umfassenden Erläuterung der Berechnungsgrundlagen veröffentlicht. Die Regelleistungen bleiben – sowohl bei den Erwachsenen als auch bei den Kindern. Nach der Neubemessung liegt die neue Regelleistung für alleinstehende und alleinerziehende Erwachsene bei 364,- Euro. Das ist eine minimale Steigerung um 5,-Euro. Bei der Berechnung wurden Neubewertungen gegenüber der damaligen Bemessung vorgenommen. Die Einkommens- und Verbrauchsstatistik 2008 bildet – wie verfassungsrechtlich geboten – mit ca. 230 Positionen die Grundlage der Berechnungen. Bei der Überprüfung, welche Ausgaben Geringverdiener in Deutschland tatsächlich tätigen, wurden wenige Positionen neu hinzugefügt (z.B. Internet-Softwaredownloads, Praxisgebühr) und "nicht regelsatzrelevante" (z.B. Kraftfahrzeuge, Haushaltshilfen, Flugreisen, aber auch illegale Drogen, Tabak, Alkohol, Glücksspiel) oder anderweitig gedeckte Positionen (z.B. Unterkunftskosten) ausgeschlossen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist der Gesetzgeber gehalten, solche Wertentscheidungen zu treffen und sie transparent und schlüssig zu begründen.

Ausgerechnet wurden die Hartz IV Regelsätze für Kinder wie folgt:
0 bis unter 6 Jahren: 213,- Euro, damit 2,- Euro weniger als bisher.
6 bis unter 14 Jahren: 242,- Euro, damit 9,- Euro weniger als bisher.
14 bis unter 18 Jahren: 275,- Euro, damit 12,- Euro weniger als bisher.

Es wurden erstmals gesondert kinderspezifische Bedarfe ermittelt und auf eine prozentuale Ableitung verzichtet, da das Bundesverfassungsgericht zu recht festgestellt hat, dass Kinder keine "kleinen Erwachsenen" sind.

Die rechnerische Senkung wird nicht zu niedrigeren Regelsätzen für Kinder führen. Grund ist die politische Entscheidung, Familien im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlich gebotenen Umstellung der Berechnungsmethodik für die Kinderregelsätze keine Senkung zuzumuten. Die Familien haben sich auf das bisherige Existenzminimum eingerichtet und genießen Vertrauensschutz. Der Überzahlbetrag gegenüber dem statistisch ermittelten Wert wird bei zukünftigen Steigerungen angerechnet.

Es bleibt also bei den Hartz IV Kinderregelsätzen wie folgt:
0 bis unter 6 Jahren: 215,- Euro
6 bis unter 14 Jahren: 251,- Euro
14 bis unter 18 Jahren: 287,- Euro

Übergangsweise, bis die laufende Wirtschaftsrechnung (jährliche Ausgaben- und Verbrauchstichprobe für vierteljährlich 2000 Haushalte, die "kleine Schwester" der EVS) beim Statistischen Bundesamt belastbar entwickelt und erprobt ist (in ca. 3 Jahren), werden die Regelleistungen jährlich mittels eines ausgewogenen Mixes von Preis- (70%) und Lohnindikatoren (30%) fortgeschrieben. Diese Methode ist sachgerecht, weil Preis- und Lohnentwicklung (Kaufkraft) im engen Bezug zum Konsumverhalten stehen. Eine Kopplung an die Rente hatte das Bundesverfassungsgericht wegen des dämpfenden demografischen Faktors in der Rentenformel ausdrücklich gerügt.

Ergänzend zu den Regelleistungen bekommen Kinder und Jugendliche ein Bildungspaket als Sachleistung. Jedes Kind erhält Zugang zu einem Verein in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit, zu Ferienfreizeiten und ausserschulische Bildung mit einem Jahresbeitrag bis zu 120 Euro (Budget monatlich 10 Euro), Schulmaterial im Gegenwert von 100 Euro im Schuljahr (70 Euro zu Jahresbeginn, 30 Euro zum Schulhalbjahr) und einen Zuschuss zu Schul- und Kitaausflügen von 30,- Euro im Jahr. Kinder und Jugendliche, die am Kita- oder Schulmittagessen teilnehmen, erhalten einen Zuschuss von ca. 2 Euro pro Mittagessen. Kinder mit objektiven Schulproblemen, erhalten ergänzend zu den schulischen Angeboten soweit erforderlich eine angemessene Lernförderung. Insgesamt steht für das Bildungspaket mit warmem Mittagessen ein Volumen von 620 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung.

Berechnungsgrundlage: Einkommens- und Verbrauchsstatistik
Alle fünf Jahre werden private Haushalte in Deutschland im Rahmen der Einkommen- und Verbrauchsstichprobe (EVS) zu ihren Einnahmen und Ausgaben, zur Vermögensbildung, zur Ausstattung mit Gebrauchsgütern und zu ihrer Wohnsituation befragt. Diese Haushalte aus ganz Deutschland führen dafür jeweils drei Monate lang Haushaltsbücher über sämtliche Einnahmen und Ausgaben – von der Seife über Lebensmittel bis hin zu Schuhreparaturen, Friseurbesuchen oder Eintrittsgeldern für Sport oder Kino. Damit liegen bezogen auf das ganze Jahr von rd. 60.000 Haushalten die Angaben vor. Durch das umfangreiche Datenmaterial bildet die EVS sehr genau die Einkommenssituation, den Lebensstandard und das Verbrauchsverhalten der Gesamtbevölkerung ab. Das Ministerium hat auf Basis dieser Zahlen das Existenzminimum vom tatsächlichen Verbrauch und damit von der Lebenswirklichkeit unterer Einkommensgruppen abgeleitet. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil bestätigt, dass die die Einkommens- und Verbrauchsstatistik (EVS), die das Statistische Bundesamt alle fünf Jahre erhebt, für diese Methode "geeignete empirische Daten" liefert. Gerügt hat das Gericht hingegen die mangelnde Transparenz der Berechnungen, mit denen der damalige Gesetzgeber aus diesem Datenpool die Regelleistungen abgeleitet hat: Schätzungen ins "Blaue", willkürliche Abschläge oder unbegründete prozentuale Kürzungen seien unzulässig. Das Urteil verlangt:

– eine klare Definition der Referenzgruppe: Welche Haushalte bilden den Maßstab für die Bemessung des notwendigen Existenzminimums?
– nachvollziehbare Wertentscheidungen darüber, welche der 230 Ausgabe-Positionen in den Haushaltsbüchern der EVS regelsatzrelevant sind und welche nicht;
– eine eigenständige Ermittlung der Regelleistungen für Kinder und Jugendliche, die sich an deren jeweiligen Entwicklungsphasen orientieren;
– die Entwicklung einer sachgerechten Systematik für die jährliche Anpassung der Regelleistungen.

Da eine realitätsnahe Bemessung auch eine fortwährende Überprüfung und Weiterentwicklung voraussetzt war zur Bemessung der Regelleistungen die Zahlenbasis der aktuellen EVS von 2008 heranzuziehen, deren ausgewertete Ergebnisse das Statistische Bundesamt bis September vollständig vorgelegt hat.

Die Referenzgruppe: Welche Haushalte bilden den Maßstab?
Wichtig für die Berechnung der Regelsätze ist die "Referenzgruppe", also diejenigen Gruppe, aus deren Verbrauchs- und Konsumverhalten auf das menschenwürdige Existenzminimum geschlossen werden soll. Wie schon 2003 wird auch bei der Neuberechnung der Regelleistungen jeweils das unterste Einkommensfünftel in den Blick genommen. Diese Praxis hatte das Gericht nicht moniert. Damit keine Zirkelschlüsse auftreten können, werden alle Haushalte herausgerechnet, die ausschließlich von staatlichen Transferleistungen leben: nämlich von

– Hilfe zum Lebensunterhalt
– Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung,
– Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch oder
– Sozialgeld nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch.

Während bei den Regelleistungen für Erwachsene das untere Fünftel der Einpersonenhaushalte maßgeblich ist, wird für den Kinder-Regelsatz erstmals ein anderer Haushaltstyp herangezogen, um den besonderen Bedarf von Kindern abbilden zu können: Paarhaushalte mit einem Kind.

Welche Ausgaben fließen in die Berechnung ein
Der Verbrauch der Referenzgruppe wird in der Einkommens- und Verbrauchsstatistik in über 230 Positionen dokumentiert. Für jede Position gibt es einen bestimmten Betrag, der den durchschnittlichen Konsum aller in der Referenzgruppe enthaltenen Haushalte abbildet. Dann kann der Gesetzgeber laut Bundesverfassungsgericht in einem weiteren Schritt Wertentscheidungen treffen, welche Positionen als "regelbedarfsrelevant" in die Regelleistung enfließen werden und welche nicht. Bedingung ist, dass er seine Entscheidungen transparent macht sowie schlüssig und sachgerecht begründet.

Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist nach dem Bundesverfassungsgericht sehr beschränkt, wenn es um das unmittelbar Lebensnotwendige geht, also beispielsweise Grundnahrungsmittel oder Hygieneartikel. Freier entscheiden kann der Gesetzgeber, wenn es um Ausgaben der allgemeine Lebensführung wie Freizeit, Unterhaltung oder Genußmittel geht. Für die Neuberechnung der Regelleistungen wurden alle Positionen noch einmal sorgfältig auf den Prüfstand gestellt – mit unterschiedlichen Ergebnissen:

Schon bei der letzten Regelsatzverordnung 2005 blieben beispielhaft Ausgaben für Flugreisen, illegale Drogen und Glücksspiel außen vor. Dies wurde so beibehalten. Ebenfalls ausgeschlossen werden jetzt aber auch Ausgaben für alkoholische Getränke und Tabakwaren, die in der letzten Berechnung noch zu hundert (Alkohol), bzw. fünfzig Prozent (Tabak) berücksichtigt wurden.

Alkohol und Tabakwaren sind legale Drogen oder sogenannte Genussgifte und gehören somit nicht zum existenzsichernden Grundbedarf. Deswegen fließen die in der EVS ermittelten Durchschnittswerte (8,11 Euro für Alkohol und 11,08 Euro für Tabak) nicht in den neuen Regelsatz ein. Anders als der Alkoholgehalt gehört die Flüssigkeitsaufnahme an sich zum existenxsichernden Grundbedarf. Deswegen wird, nachdem die Position für alkohlische Gertränke entfällt, an anderer Stelle ein Betrag für eine entsprechende zusätzliche Menge nichtalkoholischer Getränke regelsatzerhöhend aufgeschlagen (2,99 Euro für Mineralwasser).

Auf der anderen Seite fließen diesmal Positionen erstmals mit in die Berechnung ein, die für unabdingbar gehalten werden, weil sie zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben wichtig sind oder weil sie die Chancen, auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen, erhöhen. Dazu gehören beispielsweise Ausgaben für Internet-Softwaredownloads. Auch Ausgaben, die es bei der Regelsatzberechnung 2005 noch gar nicht gab, wie beispielsweise die Praxisgebühr, sind neu hinzugekommen.
Sonderauswertungen zu Strom und Mobilität
Das Bundesverfassungsgericht hat keine generelle Pflicht von Zusatzsonderauswertungen an­gemahnt. Sie sind nur geboten, soweit ein existenzsichernder Grundbedarf betroffen ist (z.B. Mobilität), nicht aber, wenn es um Fragen der Lebensführung und des Lebensstils geht (Flugreisen, illegale Drogen, Alkohol, Tabak, Glücksspiel, etc.).

In einigen zentralen Ausgabegruppen der EVS wurden zusätzliche Auswertungen in Auftrag gegeben, um die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auch genau zu erfüllen und damit das tatsächliche Existenzminimum so realistisch wie möglich herauszudestillieren.

Beispiel: Mobilität. Das Bundesverfassungsgericht hatte beanstandet, dass in den bisherigen Auswertungen die Höhe der Ausgaben für den Öffentlichen Nahverkehr/ Schienenverkehrsausgaben im Durchschnitt dadurch geringer ausfallen, weil die Haushalte in der Referenzgruppe auch Auto fahren und dafür Benzin ausgeben. Wenn keine PKW-Nutzung möglich ist, müssen, so das Gericht, die Ausgaben für andere Transportarten anders bemessen werden (entsprechend mehr Bus und Bahn). Daher wurden Zusatzauswertungen zu Verkehrsausgaben von Personen ohne Ausgaben für Kraftstoffe und Schmiermittel in Auftrag gegeben.

Auch bei den Ausgaben für die Haushaltsenergie hatte das Bundesverfassungsgericht Auflagen erteilt. Es hatte gerügt, dass es bei den ermittelten Stromausgaben bisher einen empirisch nicht belegten Abschlag von 15 Prozent für Heizungsstrom gab. Vom Grundsatz her ist der Abschlag berechtigt, weil Heizstrom mit den Kosten der Unterkunft gesondert gewährt wird. Um der Kritik des Bundesverfassungsgerichts zu, wurde daher entsprechen nun bei der EVS 2008 eine Sonderauswertung nur für solche Haushalte durchgeführt, die nicht mit Strom heizen, sondern Strom lediglich als Haushaltsenergie verwenden.

Die neuen Hartz IV Kinder-Regelsätze
Für Kinder sind überwiegend dieselben Güter und Dienstleistungen wichtig wie für Erwachsene. Trotzdem ist es nicht zulässig, den Bedarf von Kindern einfach durch einen gegriffenen prozentualen Abschlag vom Erwachsenenregelsatz abzuleiten (Bundesverfassungsgericht: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen). Deswegen wurden bei der Berechnung der neuen Kinderregelsätze die Verbrauchsausgaben von Haushalten mit Kindern herangezogen. Weil jedoch in der EVS die Ausgaben für den privaten Verbrauch nur für den Haushalt insgesamt erfasst werden, mussten die Verbrauchsausgaben von Mehrpersonenhaushalten über Verteilungsschlüssel den einzelnen Personen zugeordnet werden. Dafür wurden Schlüssel verwandt, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) von Wissenschaftlern speziell für Kinder ermitteln ließ. Der Bedarf von Kindern ändert sich auch mit dem Alter. Um ein möglichst realistisches Bild zu erhalten, wurden daher mehrere Altersstufen in den Blick genommen. Die Ergebnisse sind in die eigenständigen, gestuften Regelsätze für Kinder unterschiedlichen Alters eingeflossen.

Anpassung nach der jeweils laufenden Wirtschaftsrechnung
Wegen der sehr aufwändigen Auswertung der tatsächlichen Ausgaben von 60.000 Haushalten (jährlich), die alle Ausgaben notieren, gibt es die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) nur alle fünf Jahre. Die jährliche Anpassung der Regelleistungen wurde bisher an die Rentenentwicklung gekoppelt. Diese Kopplung an den Rentenwert wurde vom Bundesverfassungsgericht als unzulässig verworfen. Grund für die höchstrichterliche Rüge sind mehrere Umstände. Zum einen hat der der aktuelle Rentenwert eine andere Funktion: Er bezweckt die Steuerung und Dämpfung der Rentenzahlungen innerhalb eines Umlagesystems. Der Rentenwert orientiert sich außerdem neben den demografischen Dämpfungsfaktoren an Bruttolöhnen. Bruttolöhne sind keine taugliche Richtgröße, um zuverlässig Auskunft über die Entwicklung des Bedarfs und des Existenzminimums zu geben.

Zukünftig soll die "kleine Schwester der EVS", die laufenden Wirtschaftsrechnung (LWR), die statistischen Daten und Zahlen für die Anpassung der Regelsätze liefern. Sie ist bereits mit der EVS methodisch weitgehend verzahnt und bezieht in ihre jährliche Stichprobe 8000 Haushalte ein, die Buch über ihre Ausgaben führen. Differenzierte Auswertungen, z. B. nach Haushalten mit niedrigem Einkommen, sind bei dieser Erhebung allerdings bislang nicht möglich. Das soll jetzt geändert werden. Die LWR soll in den kommenden Jahren breiter und differenzierter aufgestellt und schneller ausgewertet werden können. Erst dann darf sie für die Fortschreibung des Regelsatzes genutzt werden.

Als Zwischenlösung für die Übergangszeit dient zur jährlichen Anpassung ein ausgewogener Mischindex aus Preis- (70%) und Nettolohnentwicklung (30%). Beide Fakto

Lesen Sie auch:
Hartz IV Regelsatz

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

Wird geladen ... Wird geladen ...