Geheime Zielvorgaben der ARGE. Unabhängige Sozialberatung verlangt Veröffentlichung.
Immer wieder wundern sich Betroffene wie BeraterInnen über nicht angemessene Sanktionen, Abweisung von Anträgen und Anordnung von Massnahmen und 1-Euro-Jobs, die nun mal gar nicht den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der Betroffenen entsprechen. Nun kommt Licht ins Dunkle: offensichtlich liegt die Ursache darin, dass „auf Teufel komm’ raus“ bestimmte Quoten zu erfüllen sind, die in einer geheimen Zielvorgabe der ARGE festgelegt sind. Vor allem soll eine Senkung der Gesamtausgaben erreicht werden, obwohl die Zahl der Hartz IV – Abhängigen kontinuierlich steigt.
Grundlage ist der § 48 des Hartz IV – Gesetzes SGB II, wonach das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit der Bundesarbeitsagentur entsprechende Sparvereinbarungen abschließt. Für das Jahr 2008 geschah das mit dem SGB II – Planungsbrief 2008 vom 17. Sept. 2007, worin eine bundesweite Einsparung der Leistungen zum Lebensunterhalt um 8 Prozent (ACHT !) anzustreben ist, und das bei steigender Zahl Hartz IV – Abhängiger. Um das zu realisieren, setzt die Bundesagentur alles daran, auf kommunaler Ebene entsprechende lokale Zielvereinbarungen durchzusetzen.
Eine solche Zielvereinbarung existiert auch für die ARGE Bochum. Wir haben die ARGE gebeten um Auskunftserteilung und um Herausgabe dieser lokalen Zielvereinbarung. Das ist uns verweigert worden. Nach Auskunft des Pressesprechers der ARGE Bochum, Herrn Kuckuk, hat die ARGE keine Verfügung darüber; die habe nur die Arbeitsagentur und die Stadt Bochum (Sozialamt).
Wir sehen allerdings auch die ARGE in der Pflicht, haben aber gleichermaßen unser Begehren auch an die AA und die Stadt gerichtet und begründen das mit dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes wie auch des Landes NRW. Danach haben wir ein Anrecht auf Herausgabe der lokalen Zielvereinbarung.
Andere ARGEn tun das gerne und gehen sogar aktiv damit an die Öffentlichkeit. Wie Kay Senius (Leiter des Zentralbereichs SGB II der Bundesagentur für Arbeit) auf Anfrage mitteilte, ist das seitens der Bundesagentur aus Transparenzgründen auch ausdrücklich gewünscht.
Was bislang durchgesickert ist erinnert uns ebenso wie der Versuch der Geheimhaltung an die fatalen Maßnahmen in Folge der Einführung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz III) im Jahr 2003. Bei Ver.di organisierte Personalräte der Arbeitsagentur Bochum griffen 2003 den in Arbeitsagenturen verwendeten Begriff „Verfolgungsbetreuung“ auf, um eine Verschärfung ihrer Aufgaben zu charakterisieren, für die sie eine Vorgabe der Bundesagentur für Arbeit zur Einsparung verantwortlich machten. Es handelt sich dabei um ein polemisches Schlagwort für Tätigkeiten, die eine Leistungseinstellung bewirken sollen.
Es darf nicht sein, das sogar trotz steigender Zahl Betroffener Einsparziele vorgegeben werden. Ebenso ist es nicht sachgemäß, Teilnahmequoten in Maßnahmen und 1-Euro-Jobs rein quantitativ festzulegen, unabhängig von der konkreten Situation der Betroffenen. Der Landkreistag Schleswig-Holstein hat sich zu Recht gegen solche pauschalen Vorgaben gewehrt. Die Sendung „Report Mainz“ hat am 26. Mai. 2008 darüber berichtet, wohin das führen kann:
Am 5. Juni 2008 berichtete Panorama über die Bespitzelung hilfloser Hartz IV-Empfänger. Auch hier vermuten wir Zusammenhänge zu oben angesprochenen Einsparungszwängen. Wir verlangen wegen der massiven Bedrohung existentieller Lebensrechte der Betroffenen die Herausgabe der Zielvereinbarung und die umfassende Unterrichtung der Betroffenen und ihre Interessenvertretungen, der Bevölkerung und der Politik. (Norbert Hermann, Sozialberatung Bochum, 07.06.2008)
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