Hartz IV und die unbegründete Forderung nach Kontoauszügen im laufenden Leistungsbezug
Zur Begründung dieser Forderung verweisen die ARGEn i.d.R. auf die Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I und § 67a SGB X. Diese treffen hier jedoch nicht zu. Auch die "Gemeinsame Hinweise der Landesbeauftragten für den Datenschutz der Länder Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein zur datenschutzgerechten Ausgestaltung der Anforderung von Kontoauszügen bei der Beantragung von Sozialleistungen" aus 11/2005 sind hier unzutreffend, da dort dieser Sachverhalt lediglich aus datenschutzrechtlicher Sicht beurteilt wird, nicht jedoch aus sozial- und strafrechtlicher Sicht.
Der Gesetzgeber sieht weder im SGB II noch im SGB I oder SGB X die Pflicht zur Vorlage von Kontoauszügen vor, jedoch in § 60 SGB I und § 67a SGB X die Pflicht zur Angabe von Tatsachen und Vorlage von Beweismitteln, die zur Prüfung der Anspruchvoraussetzungen für die beantragte Sozialleistung und deren Berechnung erforderlich sind. Gemäß § 67a Abs. 2 SGB X sind diese Daten zuerst beim Betroffenen zu erheben. Hierbei darf der Betroffene nicht durch überzogene Beweisanforderungen unzulässig beschwert werden.
Daraus ergibt sich, dass Kontoauszüge nur dann als Beweismittel gefordert werden können, wenn andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen oder den zu klärenden Sachverhalt nicht hinreichend aufklären können. Zu beachten ist dabei, dass Kontoauszüge nur eingesehen, jedoch nicht kopiert und schon gar nicht zu den Akten genommen werden dürfen, da eine Speicherung dieser Daten aus datenschutzrechtlichen Gründen unzulässig ist. Außerdem ist diese Einsicht auf die Daten beschränkt, die zur Klärung des Sachverhaltes erforderlich sind.
Somit können Kontoauszüge vom Leistungsträger beim Erstantrag gefordert werden, z.B. um zu prüfen, ob der Antragsteller tatsächlich Bedürftig ist, oder ob er seine Bedürftigkeit selbst herbeigeführt hat, sowie als Nachweis der Höhe seines Barvermögens. Hierbei sind 3 bis 6 Monate rückwirkend zulässig.
Kontoauszüge im laufenden Leistungsbezug können jedoch nur gefordert werden, wenn sie zur Klärung eines weitergehenden Anspruches erforderlich sind, weil anderweitig keine hinreichenden Nachweise vorliegen, oder wenn ein begründeter Verdacht auf Leistungsmissbrauch vorliegt. Dies folgt aus § 60 Abs. 2 SGB I. Danach ist derjenige, der Sozialleistungen erhält, verpflichtet, alle Tatsachen und alle Änderungen in seinen Verhältnissen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind oder über die er bei Antragstellung Angaben gemacht hat. Dabei hat der Betroffene das Recht, alle anderen Angaben auf den Kontoauszügen unkenntlich zu machen, die nicht zur Klärung des Sachverhaltes erforderlich sind, da hier zur Offenlegung dieser anderen Buchungen keinerlei Erfordernis und damit keine Nachweispflicht besteht. Die Mitteilungspflicht nach § 60 Abs. 2 SGB I ist hier also generell vorrangig, zumal der Bedürftige darüber vom Leistungsträger umfassend belehrt wird.
Die Forderung von Kontoauszügen im laufenden Leistungsbezug ohne Angabe von Gründen ist hier klar erkennbar rechtswidrig.
Das folgt einerseits aus § 67a Abs. 3 Satz 1 SGB X, wonach der Betroffenen über die Zweckbestimmungen der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung der verlangten Nachweise zu unterrichten ist. D.h. also: keine Erhebung von Daten ohne den Nachweis der Zweckbestimmung.
Des Weiteren bestimmt § 11 Abs. 1 SGB II, dass alles, was der Hilfebedürftige während seines Leistungsbezuges Wertmäßig dazu erhält, als Einkommen zu berücksichtigen ist. Der Hilfebedürftige kann also während seiner Bedürftigkeit kein Vermögen erlangen, weshalb als Grund für die unbegründete Forderung der Vorlage von Kontoauszügen nur angenommen werden kann, dass hier verschwiegenes Einkommen aufgedeckt werden soll. Damit impliziert diese Forderung aber einen Verstoß des Betroffenen gegen § 60 SGB I und daraus folgenden Sozialleistungsbetrug, den der Leistungsträger jedoch verpflichtet ist, durch Angabe von konkreten Fakten und Beweisen (§ 67a Abs. 3 Satz 1 SGB X und § 35 Abs. 1 SGB X) zuvor nachzuweisen.
D.h. der Leistungsträger muss dem Betroffenen als Begründung für seine Forderung die Tatsachen nennen, die ihn zu der Annahme bringen, dass der Betroffene rechtswidrig leistungsrelevante Daten verschweigt und damit ein Betrüger ist. Ansonsten würde der Leistungsträger bei unbewiesener Unterstellung eines solchen Betruges selbst eine Straftat begehen und sich nach § 186 StGB der üblen Nachrede oder, wenn diese Forderung mit einer Leistungseinstellung/-verweigerung einher geht, nach § 187 StGB der Verleumdung und zusätzlich, wegen Entzuges der Lebensgrundlage, nach § 223 StGB der Körperverletzung oder sogar nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB einer gefährlichen Körperverletzung schuldig machen.
Hier kann auch nicht das Recht des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft zurücktreten, wie verschiedentlich argumentiert wird, da hierbei klar erkennbar strafrechtliche Grenzen überschritten und dadurch die Grundrechte des Betroffenen massiv verletzt würden.
Jeder, der durch eine solche unbegründete Forderung seines Leistungsträgers zur Vorlage von Kontoauszügen im laufenden Leistungsbezug als Betrüger hingestellt wird, sollte Widerspruch dagegen einlegen und, falls dieser erfolglos bleibt, entsprechend den im Einzelfall zutreffenden Fakten, Strafanzeige und -antrag gegen den Leistungsträger wegen § 186 StGB übler Nachrede, § 187 StGB Verleumdung, § 223 StGB Körperverletzung oder § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB gefährlicher Körperverletzung erstatten. (04.04.2008)
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