"Fliegende Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft unterbinden!" LobbyControl präsentiert Kurzstudie zu derzeitigen Tätigkeiten der ehemaligen Rot-Grünen Regierung
Köln, 15. November 2007. Zwei Jahre nach dem Ende der Rot-Grünen-Koalition präsentiert LobbyControl eine Kurzstudie über den Verbleib der 61 damaligen Minister und Staatssekretäre. Die lobbykritische Organisation hat untersucht, in welchem Umfang die ehemaligen Regierungsmitglieder in Lobbytätigkeiten gewechselt sind. LobbyControl ist eine zivilgesellschaftliche Initiative, die mit eigenen Recherchen über Lobbyismus in Berlin und Brüssel, die Beeinflussung der Medien und die Arbeit von Denkfabriken aufklärt. Die 2005 gegründete Organisation setzt sich für ethische Standards im Lobbybereich ein und will einseitige Einflussnahme auf Politik und Öffentlichkeit eindämmen.
"Die Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft kreist munter. Der viel diskutierte Wechsel von Ex-Kanzler Schröder in den Aufsichtsrat eines deutsch-russischen Pipline-Unternehmens steht keinesfalls alleine. Unsere Untersuchung zeigt, dass ein erheblicher Anteil der damals aus dem Amt geschiedenen Politiker heute in lobbyrelevanten Jobs bei großen Unternehmen
oder Agenturen tätig ist", erklärt Heidi Klein, Vorstandsmitglied von LobbyControl.
LobbyControl kritisiert, dass die fliegenden Wechsel einzelnen Großunternehmen und Verbänden Insiderwissen und privilegierte persönlichen Kontakten verschafften. Davon profitierten vor allem finanzstarke Akteure, die sich leisten könnten, ehemalige Regierungsmitglieder anzuheuern. Bis auf eine Ausnahme (eine Umweltorganisation) sind alle ehemaligen Regierungsmitglieder mit Lobby-Tätigkeiten heute für Unternehmen, Wirtschaftsverbände oder unternehmensnahe Denkfabriken tätig. Zudem sei
nicht auszuschließen, dass Politiker schon während ihrer Amtszeit Entscheidungen im Hinblick auf spätere lukrative Beschäftigungen in der Privatwirtschaft träfen.
"Es darf nicht sein, dass Spitzenpolitiker nahtlos in Vorstände und Aufsichtsräte wechseln oder ihre noch warmen Kontakte und
Insiderinformationen durch Beratungstätigkeiten für die Privatwirtschaft in privilegierten Einfluss umsetzen", kritisiert Klein. LobbyControl fordert eine dreijährige Karenzzeit — eine Abkühlphase — für scheidende Regierungsmitglieder, in der ein Wechsel in lobbyrelevante Tätigkeiten verboten sein soll.
"Auch die ausgeprägte Heimlichtuerei, die Ex-Politiker um ihre heutigen Tätigkeiten pflegen, muss ein Ende haben", fordert LobbyControl. "Wir brauchen in Deutschland ein Lobbyisten-Register, wie es zur Zeit – leider nur auf freiwilliger Basis – in Brüssel eingerichtet wird. Es muss alle Lobbyisten verpflichten, ihre Auftraggeber und Kunden, ihre Finanzquellen und Budgets sowie die Themen ihrer Lobbyarbeit offen zu legen", so Klein.
Regierung und Parlament hätten das Problem bisher einfach ausgesessen. "Nachdem sich die öffentliche Empörung über die bekanntesten Fälle wie Schröder oder Schily gelegt hatte, ist das Thema in der untersten Schublade des Innenausschusses verschwunden. Bevor 2009 die nächsten Bundestagswahlen stattfinden, gehört dieses Thema wieder auf die Tagesordnung!", fordert Klein. (16.11.07)
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