EM-Rente: Zwei Besonderheiten bei der Erwerbsminderungsrente ab 2026

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Mehr Spielraum ab 2026: Warum sich der Hinzuverdienst für Erwerbsminderungsrentner spürbar verändert

Wer eine Rente wegen Erwerbsminderung bezieht, lebt häufig mit zwei Realitäten zugleich: Einerseits soll die Rente den Verdienstausfall abfedern, wenn die eigene Leistungsfähigkeit krankheits- oder behinderungsbedingt dauerhaft eingeschränkt ist.

Andererseits bleibt bei vielen Betroffenen der Wunsch – und oft auch die Notwendigkeit – bestehen, zumindest in begrenztem Umfang weiterzuarbeiten. Genau an dieser Schnittstelle setzt eine Änderung an, die ab dem 1. Januar 2026 Wirkung entfaltet: Die Hinzuverdienstgrenzen steigen deutlich, weil die Bezugsgröße in der Sozialversicherung angehoben wird. Für viele bedeutet das mehr finanziellen Atem, ohne dass sofort eine Rentenkürzung droht.

Ende 2024 waren in der gesetzlichen Rentenversicherung rund 1,75 Millionen Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Bestand. Hinter dieser Zahl stehen sehr unterschiedliche Lebenslagen, Erwerbsbiografien und Gesundheitsverläufe.

Höhere Einkommensgrenzen sind nur die halbe Wahrheit. Mindestens genauso wichtig bleibt, ob die tatsächliche Arbeitszeit noch zu dem passt, was medizinisch als Restleistungsvermögen festgestellt wurde.

Warum aus einem Wert viele Grenzen folgen

Die Hinzuverdienstgrenzen bei Erwerbsminderungsrenten hängen seit einigen Jahren unmittelbar an der sogenannten Bezugsgröße der Sozialversicherung. Diese Bezugsgröße wird jährlich fortgeschrieben und orientiert sich an der Lohn- und Gehaltsentwicklung. Wenn sie steigt, steigen automatisch auch mehrere Grenz- und Rechengrößen im Sozialrecht – darunter die Hinzuverdienstgrenzen für die Erwerbsminderungsrente.

Für das Jahr 2026 wird die Bezugsgröße auf 3.955 Euro pro Monat festgesetzt, was 47.460 Euro im Jahr entspricht. Damit wächst die rechnerische Basis, aus der der Gesetzgeber die zulässigen Jahresverdienste ableitet. Für Betroffene ist das vor allem deshalb relevant, weil die Hinzuverdienstgrenzen in Eurobeträgen spürbar nach oben gehen – ohne dass es dazu einer gesonderten Reform der Erwerbsminderungsrente selbst bedarf.

Volle Erwerbsminderungsrente: So hoch liegt die Grenze 2026

Bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gilt ab 2026 eine kalenderjährliche Mindest-Hinzuverdienstgrenze, die sich gesetzlich als „drei Achtel der 14-fachen monatlichen Bezugsgröße“ beschreibt. Aus der Bezugsgröße von 3.955 Euro ergibt sich damit für 2026 ein anrechnungsfreier Hinzuverdienst von 20.763,75 Euro pro Jahr.

Wer sich die Zahl zur Orientierung in Monatswerte übersetzt, landet rechnerisch bei rund 1.730,31 Euro monatlich. Dieser Monatswert ist allerdings nur eine Rechengröße. Entscheidend ist die Jahresbetrachtung.

Im Vergleich zu 2025 fällt der Sprung bemerkenswert aus: Die jährliche Grenze steigt um 1.102,50 Euro. Das ist für viele Betroffene kein kosmetischer Betrag, sondern kann darüber entscheiden, ob ein Minijob, eine kleine Teilzeit oder einzelne Projektphasen möglich sind, ohne dass die Rente sofort reduziert wird.

Teilweise Erwerbsminderungsrente: Höhere Mindestgrenze – und oft deutlich mehr

Bei der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung liegt die gesetzliche Mindest-Hinzuverdienstgrenze höher. Hier sind es „sechs Achtel der 14-fachen monatlichen Bezugsgröße“.

Aus der Bezugsgröße 2026 folgt damit ein anrechnungsfreier Hinzuverdienst von 41.527,50 Euro pro Jahr. Gegenüber 2025 bedeutet das ein Plus von 2.205 Euro.

Noch wichtiger ist bei der teilweisen Erwerbsminderung jedoch ein zweiter Punkt: Die Mindestgrenze ist häufig nicht die Grenze, die im konkreten Einzelfall gilt. Das Gesetz sieht eine individuelle Hinzuverdienstgrenze vor, die sich am früheren beitragspflichtigen Verdienst orientiert.

Vereinfacht ausgedrückt fließt dabei das Kalenderjahr mit den höchsten Entgeltpunkten aus den letzten 15 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung in eine Formel ein. Dadurch kann die individuell zulässige Grenze erheblich über der Mindestgrenze liegen, insbesondere bei Versicherten, die in der Vergangenheit überdurchschnittlich verdient haben.

Gut zu wissen: In der Praxis lohnt sich bei teilweiser Erwerbsminderung fast immer ein genauer Blick in die persönliche Berechnung. Wer sich nur an der Mindestgrenze orientiert, unterschätzt unter Umständen den eigenen Spielraum deutlich.

Jahresbetrachtung statt Monatsgrenze

Ein entscheidendes Detail wird in der öffentlichen Debatte leicht übersehen: Die Hinzuverdienstgrenze ist ein Jahreswert. Es gibt keine starre monatliche Obergrenze, die jeden Monat einzeln geprüft wird.

Der Hinzuverdienst wird dem Grenzbetrag für das gesamte Kalenderjahr gegenübergestellt. Das kann Betroffenen eine echte Erleichterung bringen, weil Arbeitsphasen flexibler gestaltet werden können.

Wer etwa nur einige Monate im Jahr arbeitet oder zeitweise mehr Stunden leisten kann, kann den zulässigen Jahresverdienst in einem kürzeren Zeitraum ausschöpfen, solange die Jahresgrenze am Ende eingehalten wird. Das gilt auch dann, wenn die Erwerbsminderungsrente erst im Laufe eines Jahres beginnt.

Eine automatische monatsweise Kürzung der Jahresgrenze allein wegen eines späteren Rentenbeginns ist in der Systematik der kalenderjährlichen Betrachtung nicht angelegt. In der Folge kann sich die – rein rechnerisch zulässige – Konstellation ergeben, dass bei einem sehr späten Rentenbeginn der gesamte Jahresbetrag noch innerhalb weniger Wochen verdient wird, ohne dass dadurch allein wegen der Verdiensthöhe eine Kürzung ausgelöst wird.

Gleichzeitig entsteht daraus ein Fallstrick: Wer unregelmäßig verdient oder Einmalzahlungen erhält, kann die Jahresgrenze schneller reißen, als es das monatliche Gefühl nahelegt. Gerade Sonderzahlungen, projektbezogene Honorare oder gebündelte Arbeitszeiten sollten deshalb vorab sauber durchgerechnet und mit der Rentenversicherung besprochen werden.

Was als Hinzuverdienst zählt – und warum „brutto“ die Größe ist

Hinzuverdienst ist nicht einfach „das, was netto auf dem Konto ankommt“. Maßgeblich sind Bruttogrößen und steuerrechtliche bzw. sozialversicherungsrechtliche Definitionen.

Berücksichtigt werden typischerweise der Bruttoverdienst aus abhängiger Beschäftigung, Gewinneinkünfte bei Selbstständigen sowie vergleichbare Einkommen. Je nach Rentenart können außerdem bestimmte Sozialleistungen in die Betrachtung einfließen.

Für Betroffene ist das deshalb wichtig, weil der Abstand zwischen brutto und netto erheblich sein kann. Wer nur auf den Auszahlungsbetrag schaut, riskiert, die Jahresgrenze unbemerkt zu überschreiten.

Hinzu kommt, dass die Rentenversicherung zunächst mit einer Prognose arbeitet und später rückblickend eine Spitzabrechnung vornimmt. Weicht der tatsächliche Hinzuverdienst von der Prognose ab, kann das zu Rückforderungen oder Nachzahlungen führen.

Wenn die Grenze überschritten wird: So funktioniert die Kürzung

Auch 2026 bleibt das Prinzip unverändert: Erst wenn die Hinzuverdienstgrenze überschritten wird, wird die Erwerbsminderungsrente gekürzt. Die Kürzung erfolgt nicht dadurch, dass „jeder Euro“ vollständig verloren geht.

Stattdessen wird der Betrag oberhalb der Grenze auf das Jahr bezogen betrachtet, durch zwölf geteilt und davon werden 40 Prozent auf die monatliche Rente angerechnet. Das bedeutet: Eine Überschreitung kann die Rente spürbar reduzieren, aber sie führt nicht automatisch sofort zum vollständigen Wegfall.

Ein Beispiel verdeutlicht es: Liegt der Hinzuverdienst im Jahr 1.200 Euro über der Grenze, entspricht das rechnerisch 100 Euro pro Monat. Davon werden 40 Euro auf die Rente angerechnet, die Monatsrente sinkt also um 40 Euro. Erst wenn der abzuziehende Betrag die Rente in voller Höhe erreicht, wird die Rente nicht mehr gezahlt.

Warum die Arbeitszeit trotzdem der kritische Punkt bleibt

So erfreulich die höheren Verdienstmöglichkeiten sind: Für den Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente ist nicht nur das Einkommen bedeutsam, sondern vor allem das festgestellte Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Bei teilweiser Erwerbsminderung geht der Gesetzgeber davon aus, dass eine Tätigkeit von mindestens drei, aber weniger als sechs Stunden täglich möglich ist. Bei voller Erwerbsminderung liegt das Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich. Diese zeitlichen Schwellen sind keine bloßen Formalien, sondern bilden die Grundlage der medizinischen Beurteilung.

Bitte beachten: Wer dauerhaft und regelmäßig über dem festgestellten zeitlichen Leistungsvermögen arbeitet, liefert der Rentenversicherung einen Anlass, den Gesundheitszustand und damit den Rentenanspruch erneut zu prüfen.

Selbst wenn die Hinzuverdienstgrenze eingehalten wird, kann eine Arbeitszeit, die nicht mehr zur bewilligten Rentenart passt, im Ergebnis zu einer Neubewertung führen – bis hin zum Wegfall der Rente. Die Verdienstgrenze schützt also nicht davor, dass die medizinischen Voraussetzungen überprüft werden.

Arbeitserprobung: Der kontrollierte Wiedereinstieg ohne sofortigen Bruch

Für viele Betroffene liegt die größte Schwierigkeit nicht im Rechnen, sondern in der Frage: „Schaffe ich das überhaupt – und wenn ja, wie lange?“ Genau hier setzt die Arbeitserprobung an, die seit Anfang 2024 ausdrücklich im Gesetz verankert ist. Sie soll ermöglichen, unter realen Bedingungen zu testen, wie belastbar man tatsächlich ist, ohne dass allein dieser Versuch sofort den Grundanspruch auf die Erwerbsminderungsrente gefährdet.

Die Arbeitserprobung ist typischerweise auf einen Zeitraum von regelmäßig bis zu sechs Monaten angelegt. In dieser Zeit kann auch über das festgestellte Restleistungsvermögen hinaus gearbeitet werden, ohne dass daraus automatisch der Schluss gezogen wird, die Erwerbsminderung bestehe nicht mehr.

In der Praxis bleibt es dennoch klug, den Schritt nicht stillschweigend zu gehen, sondern ihn vorher mit dem Rentenversicherungsträger abzustimmen. Denn weiterhin gelten die Hinzuverdienstgrenzen, und der konkrete Einzelfall entscheidet darüber, wie der Versuch bewertet wird.

Praxisbeispiel für volle Erwerbsminderungsrente ab 2026

Eine EM-Rentnerin arbeitet stundenweise und erzielt im Kalenderjahr 2026 einen Brutto-Hinzuverdienst von 22.000,00 Euro. Die jährliche Hinzuverdienstgrenze bei voller EM-Rente liegt 2026 bei 20.763,75 Euro.

Rechnung: 22.000,00 Euro minus 20.763,75 Euro ergibt einen Überschreitungsbetrag von 1.236,25 Euro. Dieser Betrag wird auf zwölf Monate verteilt: 1.236,25 Euro geteilt durch 12 ergibt 103,02 Euro pro Monat (gerundet). Davon werden 40 Prozent auf die Rente angerechnet: 103,02 Euro mal 0,40 ergibt 41,21 Euro.

Folge: Die monatliche EM-Rente würde im Jahr 2026 um rund 41,21 Euro gekürzt (solange dieser Hinzuverdienst so festgestellt wird). Entscheidend ist dabei die Jahresbetrachtung: Maßgeblich ist der Bruttoverdienst im gesamten Kalenderjahr, nicht ein einzelner „starker“ Monat.

Mehr Einkommen möglich, aber nur mit klarer Strategie

Die Anhebung der Hinzuverdienstgrenzen ab 2026 ist für viele Menschen mit Erwerbsminderungsrente eine echte Entlastung. Sie schafft spürbar mehr Raum, um eine Beschäftigung im gesundheitlich vertretbaren Rahmen aufzunehmen, finanzielle Engpässe zu reduzieren und im besten Fall schrittweise wieder näher an das Erwerbsleben heranzurücken.

Wer die Chancen nutzen will, braucht mehr als nur die neue Eurogrenze. Es braucht eine realistische Einschätzung der eigenen Belastbarkeit, eine saubere Planung bei unregelmäßigem Einkommen und die Bereitschaft, mit der Rentenversicherung offen zu kommunizieren.

Besonders bei teilweiser Erwerbsminderung kann es sich lohnen, die individuelle Hinzuverdienstgrenze exakt berechnen zu lassen, statt sich an Mindestwerten zu orientieren. Und wer nach langer Erkrankung wieder einsteigen möchte, findet in der Arbeitserprobung ein Instrument, das Sicherheit geben kann, wenn es umsichtig genutzt wird.

Quellen

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS): Presseinformation zu den Sozialversicherungs-Rechengrößen 2026 (Bezugsgröße 2026: 3.955 Euro monatlich / 47.460 Euro jährlich).
BMAS