45 Jahre Rentenwartezeit erfüllt: Rente dennoch mit Abschlag

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Wer in der gesetzlichen Rentenversicherung insgesamt 45 anrechenbare Jahre nachweisen kann, darf eine besondere Form des Ruhestands beantragen: die Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Sie wird häufig noch immer „Rente mit 63“ genannt, obwohl diese Bezeichnung nur für die vor 1953 Geborenen exakt zutraf.

Heute verschiebt sich der abschlagsfreie Rentenbeginn wegen der stufenweisen Anhebung des gesetzlichen Rentenalters nach hinten. Wer beispielsweise 1964 oder später geboren wurde, erreicht die reguläre Altersgrenze erst mit 67 Jahren und kann folglich frühestens mit 65 Jahren in die abschlagsfreie 45‑Jahre‑Rente einsteigen. Früher geht es nicht, weil das Gesetz maximal zwei Jahre Vorziehen erlaubt.

Warum verweigert die Rentenversicherung trotz erfüllter Wartezeit die abschlagsfreie Auszahlung?

Die Rentenversicherung prüft stets zwei Voraussetzungen: die Wartezeit und das erforderliche Alter. Fehlt auch nur ein einziger Monat zum maßgeblichen Alter, wird der Antrag auf die Altersrente für besonders langjährig Versicherte abgelehnt.

Der maßgebliche Stichtag richtet sich nicht nach einer festen Zahl wie „63“, sondern nach der jeweils persönlichen Regelaltersgrenze minus zwei Jahre.

Wer also laut Gesetz bis 66 Jahre und 10 Monate arbeiten müsste, darf den abschlagsfreien Ruhestand erst ab 64 Jahre und 10 Monate beginnen – auch wenn die 45 Jahre Beitragszeit längst voll sind.

Kann man das Zwei‑Jahres‑Fenster überschreiten, wenn man Abschläge akzeptiert?

Die Antwort lautet Ja, aber nicht mit derselben Rentenart. Wer noch früher gehen will und keinen Schwerbehindertenausweis besitzt, landet automatisch bei der Altersrente für langjährig Versicherte. Hier genügen schon 35 Versicherungsjahre.

Der Preis ist ein lebenslanger Abzug von 0,3 Prozent pro vorgezogenem Monat – allerdings gerechnet auf die Regelaltersgrenze, nicht auf das um zwei Jahre vorgezogene Datum.

Ein drei Jahre früherer Ruhestand (36 Monate) bedeutet also 10,8 Prozent weniger Bruttorente plus geringere Zuschüsse zur gesetzlichen Kranken‑ und Pflegeversicherung.

Wie stark wirken sich die Abschläge aus?

Der prozentuale Abzug bleibt dauerhaft. Er belastet nicht nur den Anfangsbetrag, sondern dämpft alle künftigen Rentenanpassungen mit. Zugleich sinkt der absolute Krankenkassen‑ und Pflegeversicherungsanteil der Rentenversicherung – Betroffene tragen also einen größeren Beitragsanteil selbst.

Die Kombination aus Abschlag und höheren Eigenbeiträgen führt insbesondere bei Wohnkosten, die meist nicht schrumpfen, zu Engpässen. Ein genauer Kassensturz auf Basis der persönlichen Rentenauskunft ist unverzichtbar, bevor man den Antrag stellt.

Gibt es Strategien, um trotzdem ohne Abschlag früher aufzuhören?

Für manche Versicherte kann eine Phase von Krankengeld oder – nach Aussteuerung – Arbeitslosengeld I unmittelbar vor dem Rentenbeginn ein Weg sein.

Denn diese Zeiten zählen teilweise zur 45‑jährigen Wartezeit, erschließen aber kein neues Erwerbseinkommen, sodass der Übergang gleitend wird. Auch Zeiten der Kindererziehung, Pflege von Angehörigen oder geringfügiger Beschäftigung können die 45 Jahre füllen, ohne dass zusätzliche Beitragsmonate erarbeitet werden müssen.

Allerdings erfordert jede Variante eine individuelle Beratung, um Lücken in der Kranken‑ und Pflegeversicherung zu vermeiden und steuerliche Folgen abzuschätzen.

Lohnt sich ein freiwilliges „Einkaufen“ von Abschlägen?

Seit einigen Jahren lässt das Gesetz Sonderzahlungen zu, um die prozentuale Kürzung ganz oder teilweise auszugleichen. Wer über Ersparnisse verfügt, kann so die spätere Nettorente erhöhen.

Die Rechnung geht nur auf, wenn man ein ausreichend langes Leben oder einen versorgungsbedürftigen Partner einplant und gleichzeitig den Steuervorteil der Sonderausgaben nutzt.

In einer Niedrigzinsphase kann das Einzahlen in die Rentenkasse – rechnerisch – attraktiver sein als konservative Geldanlagen. Doch die Einmalzahlung ersetzt keine fehlenden Versicherungsjahre; sie reduziert lediglich den Abschlag.

Was sollte man tun, bevor man den Rentenantrag stellt?

Der wichtigste Schritt ist die Klärung des eigenen Versicherungskontos, damit alle rentenrechtlich bedeutsamen Zeiten erfasst sind.

Danach empfiehlt sich ein Beratungsgespräch bei der Deutschen Rentenversicherung oder – wie im Video – beim Sozialverband, um genau zu berechnen, welche Altersgrenze und welcher Rentenartmix die individuell günstigste Lösung ist.

Denn wer früh ihren Bescheid in Händen hält, kann notfalls fehlende Monate noch durch freiwillige Beiträge schließen oder seinen Antrag verschieben.

Erst wenn alle Stellschrauben bekannt sind, wird die Entscheidung zwischen Abschlägen, Sonderzahlungen oder einem längeren Berufsleben tragfähig.

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Fazit – warum exakte Planung heute wichtiger denn je ist

Mit dem stetig steigenden Regelalter hat sich das frühere „Rente mit 63“ zu einem flexiblen, aber komplexen Instrument entwickelt. Die 45‑Jahres‑Rente bleibt ein attraktives Ziel, doch sie ist an enge Altersgrenzen geknüpft.

Wer darüber hinaus früher in den Ruhestand strebt, muss den Preis in Form dauerhafter Abschläge zahlen oder alternative Brückenmodelle nutzen. Angesichts steigender Lebenshaltungskosten und längerer Rentenbezugszeiten entscheidet nicht allein die Anzahl der Versicherungsjahre, sondern die präzise Abstimmung von Alter, Beitragszeiten, Sonderzahlungen und Gesundheitsstatus.

Eine gründliche Vorbereitung und unabhängige Beratung helfen, teure Fehltritte zu vermeiden und die Rente wirklich sorgenfrei zu beginnen.