Über das Schicksal arbeitslos zu sein

Lesedauer 8 Minuten

Über das Schicksal arbeitslos zu sein! Eine Leserzuschrift von T. Wagner

31.01.2011

Das erste Mal wurde ich arbeitslos im Jahre 2002, nachdem mich mein Chef, ein cholerischer Arzt nunmehr ein Jahr lang gemobbt und total schamlos ausgenutzt hatte. Am 1 August 2002 sagte ich ihm, ich würde gehen. Jetzt. Er glaubte mir nicht, da ich ihm das ja schon länger angedroht hatte. Um 9.00 Uhr verließ ich die Praxis. Und ging schnurstracks zum Arbeitsamt. Dort meldete ich mich arbeitslos.

Es schien alles OK zu sein, bis ich irgendwann einen Brief erhielt, dass ich eine 3-monatige Sperrzeit bekomme, aufgrund von eigener Kündigung. Auf Nachfrage, ob ich denn seelisch und psychisch mich weiter dieser Belastung aussetzen müsse, sagte man: „JA!“ Ich müsse ein Gutachten von einem Psychiater vorlegen, dass ich nicht arbeitsfähig bin. Zu dieser Zeit dauerte es allerdings auch schon lange, einen Termin, geschweige denn ein Gutachten zu bekommen. Ich verwarf diesen Plan und arbeitete schwarz und suchte nach neuen Stellen.

Der Sommer verstrich und man schickte mir ein Angebot für einen Arzt in ca. 19 km Entfernung. Nicht so weit weg, aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln, von meiner Wohnung sehr schwer zu erreichen. Da ich 20 Minuten Fußweg von der nächsten Bushaltestelle wohne, die Fahrt ca. von 05:34 bis 06:36 Uhr 62 Min. dauert, womit ich fast eine Stunde zu früh gewesen wäre, oder die 2. Fahrt von 06:24 bis 07:36 Uhr, wo ich mit dem eingerechneten Fußweg von der Haltestelle zur Praxis erst um ca. 08:00 Uhr, ohne den täglichen Stau mitzurechnen, also zu spät angekommen wäre. Die Rückfahrt sah ähnlich aus. Als ich das erwähnte, wurde mir gesagt, ich müsse 2 Stunden Pendeln erdulden. Das wäre auch kein Problem, wenn es IN Verkehrsmitteln gewesen wäre, aber auf einem Dorf, ohne Aufenthaltshalle, im Winter, fast eine Stunde in der Kälte verharren, oder einfach nur 1 Stunde unbezahlt in der Praxis zu sein, wollte ich nicht in Kauf nehmen. Das hatte ich ja grade hinter mir. Dazu kam, dass dieser Arzt, der Hausarzt meiner geliebten Oma war. Auf diesen war unsere Familie aber nicht gut zu sprechen und dieser auf mich schon gar nicht, da ich ihm Behandlungsversagen in Bezug auf meine Oma vorgeworfen habe. Also die besten Voraussetzungen für ein entspanntes Arbeitsverhältnis. Also begründete ich, dass ich mich nicht auf die vorgeschlagene Stelle beworben habe mit o.g. Das sah man natürlich nicht gerne. Man hätte mich gerne in eine neue Stelle vermittelt, die ja großartig für mich gewesen wäre. Ca. 04:30 Uhr aufstehen, zur Arbeit fahren, um ca. 20 Uhr nach Hause kommen. D.h. ich wäre ca. 14 Stunden „unterwegs gewesen“, wovon „nur“ 8 Stunden Arbeitszeit waren. (Bei Ärzten kommt meist eine 30-90 minütige Pause dazu, die natürlich nicht komplett bezahlt wird, aber meist in der Praxis verbracht wird und von den Ärzten gerne als ungezahlte Arbeitszeit genutzt wird, ob man will oder nicht)

Natürlich wurde mir wieder Arbeitslosengeld gesperrt, obwohl ich mich in der Zwischenzeit schon bei etlichen anderen Stellen beworben hatte, aber noch keine Antwort erhalten hatte. Mir wurde eine Praktikumsstelle angeboten, in einem mir fremden Beruf, doch da ich dort private Interessen (Musik) mit einem Beruf verbinden konnte, wollte ich diese schlecht bezahlte Praktikumsstelle annehmen. Das ging! Aber nur für 4 Wochen. Quasi, so zum reinschnuppern. In der Zwischenzeit : weitere Bewerbungsvorschläge und Bewerbungen, doch kein Erfolg. Ende November bekam ich dann das Angebot von einer Freundin, ihre Saisonstelle in Österreich in einem Skigebiet zu übernehmen. Ich überlegte nicht lange und sagte zu. Ohne das Wissen des Arbeitsamtes. Mit meiner Mutter vereinbarte ich, Post von mir zu öffnen, mir per Fax nach Österreich zu senden und bei Briefen wo meine Unterschrift erforderlich war, diese drunter zu setzen und zurück zu faxen. Glücklicherweise hatte ich keine Einladungen zu Vorstellungsgesprächen und ein Gespräch bei meiner Beratung nur einmal, wo ich absagte mit der Begründung meine Oma sei krank, ich müsse mich um sie kümmern.

Ich hatte 3 Monate sehr viel Knechterei, teilweise bis zu 16 Stunden am Tag, doch ich hatte auch sehr viel Spaß und einen wundervollen Arbeitsplatz mit super netten Kollegen. Als ich zurück kam, ging das Spiel weiter. Ich bemerkte, dass ich in die nächst größere Stadt ziehen müsse, um dort eine Stelle zu finden. Im Juni 2003 ergab sich beides, eine tolle Wohnung und eine super Stelle. Arbeitsamt losgeworden. Im Mai 2008 flog ich für 1 Jahr nach Neuseeland, wozu ich meinen Job zuvor gekündigt hatte und natürlich pflichtgemäß dem Arbeitsamt dieses mitteilte. Ich erwähnte auch, dass ich nur 2 Wochen „arbeitslos“ sei, da ich danach im Ausland sei und keine Ansprüche geltend machen möchte. Aber weit gefehlt, Dramen und Einladungen zu Gesprächen, wieso ich denn meine Stelle kündige und so würde das ja nicht gehen und mir stände kein ALO Geld zu, ich hätte ja selber gekündigt. Flugtickets, Visum etc. vorgezeigt und mehrmals, vergeblich, versucht zu erklären, dass ich mich „vorsorglich“ arbeitslos gemeldet hätte.

Zum Glück ging dann mein Flug Mitte Mai und ich habe meine Mutter, wieder einmal gebeten, Post für mich zu öffnen und per email mitzuteilen was mir in Deutschland seitens der Behörden entgehen würde. Mehrere Schreiben kamen und flogen in den Müll, von mir persönlich so angeordnet. Ich hatte keine Lust auf der anderen Seite der Welt mich mit den schlechten Nachrichten, Sanktionen und Missständen der Arbeitsagentur zu befassen. Ich arbeitete und reiste, ganz nach meinen Wünschen fast ein Jahr lang, bevor ich 6 Wochen in Südostasien verbrachte um wieder auf deutschem Boden zu landen. In diesem Jahr habe ich alle meine Reisen selber finanziert. Ich habe gearbeitet, Miete gezahlt, bin gereist und habe dann noch 6 Wochen „Urlaub“ hinten dran gehangen.

Als ich wieder kam, wusste ich was mir bevor steht: Arbeitsamt. Da ich erst mal bei meinen Eltern gewohnt hab, auf einem Dorf mit drei Busverbindungen pro Tag, konnte ich natürlich nicht so einfach zum nächsten Arbeitsamt kommen, doch meine Mutter erbarmte sich und fuhr mich eines Morgens zu einer der „Filialen“. Da wie immer das gleiche Prozedere, aber noch dümmer als vorher. Was ich denn in dem Jahr gemacht hätte? Alles erklärt und dann zu hören bekommen „ Ich sei es ja selber schuld, warum ich denn gekündigt hätte, was ich mir denn vorgestellt hätte in Australien machen zu können. Neuseeland. Ja aber Australien ist doch am Ende der Welt, da gibt’s doch bestimmt keine qualifizierte Arbeit für sie…Neuseeland. Doch ich habe gearbeitet. Mein Englisch ist jetzt perfekt, ich bin wieder entspannt und aufgetankt und bereit für Herausforderungen. Aber nicht mit dehnen. Es folgten unzählige Schreiben, Telefonie etc. Die Ignoranz der Mitarbeiter ist so groß, dass ich es trotz Google Maps, mit der Aufzeichnung wo ich denn wohne nicht geschafft habe meine Sachbearbeiterin davon zu überzeugen, dass ich ohne Auto fast nirgendwo hin käme. Täglich 6 km zur nächsten S-Bahnhaltestelle zu Fuß oder mit dem Fahrrad hätte ich aber auch in Kauf nehmen sollen. Nun, da ich ja solche Schwierigkeiten hatte, wieder einen Job zu finden, vermittelte man mir ein Bewerbungstraining in einer Stadt, kaum mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichende Einrichtung, die aber nun mal die einzige Einrichtung war, die diese „Fortbildung“ durchführte. So saß ich mit ca. 25 Teilnehmern von 18-55 Jahren in einem stickigen Raum und lernte den „Weg der Bewerbung“.

Viele der Teilnehmer sprachen schlechtes Deutsch und der Unterricht stockte und wirklich vermittelt wurde nicht viel, wir sollten zu Hause lernen, im Internet recherchieren und „Musterbewerbungen“ schreiben. Da ich zu dieser Zeit keinen eigenen PC besaß, konnte ich diese Aufgaben nicht ausführen und wurde prompt wieder angeschissen, ich solle mir gefälligst einen Computer besorgen. Ich teilte mit, dass ich im Internetcafe nach Stellen suche und mich auch von dort bewerbe. Das ginge so nicht, ich brauche einen Computer, den hätten Kinder schon in der 5. Klasse. Wieder mal war ich es leid und ich zog, trotz keinerlei Einkünfte, in eine WG in die „große“ Stadt. Suchte mir einen 400 Euro Job, knechtete mich um meine Miete zahlen zu können und erhielt dann doch irgendwann Arbeitslosengeld. Natürlich wieder mit etlichen DIN A 4 Seiten verbunden. Wieder einen Job zu finden, erwies sich immer noch als schwierig und man vermittelte mir eine sauteure Fortbildung für Arzthelferinnen, Berufsrückkehrerinnen. Ich freute mich, denn in den 10 Jahren seit meiner Ausbildung hatte sich viel getan und ich war froh Neues lernen zu können. Die Fortbildung war ganztags, da ich ja auch Arbeitslosengeld „Vollzeit“ erhielt. Diese Fortbildung war fürn´n Arsch. Außer den Röntgenschein, der ca. 1000 Euro gekostet hat und den ich mir niemals hätte selber leisten können, hat dieser Kurs nichts gebracht als hohen Blutdruck und zerrissene Nerven. Und viel Papierkram. Doch dazu muss ich sagen, ich habe das Beste daraus gemacht und den „Röntgenschein“ bzw. die Prüfung dazu mit der besten Punktzahl abgeschlossen, die in mehreren Jahren nur wenige erreichten. Gestärkt und zuversichtlich bewarb ich mich jetzt auch auf Stellen, wo ein Röntgenschein erforderlich war.

Ich bat das Arbeitsamt um Erlaubnis ein 4 wöchiges UNBEZAHLTES Praktikum in einer Röntgenabteilung eines Krankenhauses machen zu dürfen, welches mir mein Ex-Chef über seinen ehemaligen Chef besorgt hatte. Das ginge nicht. Ich würde dann dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen und außerdem sei ich ja auch nicht versichert in diesem Praktikum. Meine Begründung, dass ich nur mit Praxiserfahrung auch meinen Röntgenschein anwenden könne wurde vollkommen in Grund und Boden gestampft mit o.g. Aussagen. Das ich natürlich das Praktikum jederzeit hätte beenden können bei einer Stellenaufnahme oder vielleicht sogar in diesem Krankenhaus über das Praktikum eine Stelle hätte bekommen können war für die Sachbearbeiterin des Arbeitsamtes wirklich einige Nummern zu hoch um logisch zu klingen. Somit dauerte es wiederum fast zwei Monate bis ich endlich eine Stelle gefunden hatte.

Von Bewerbungskosten die ich zurück erstattet bekommen wollte, konnte ich träumen. Dafür muss man nämlich erst mal ein Jahr arbeitslos sein hieß es. Dazu fehlten mir vier Wochen. Die neue Stelle entpuppte sich schnell als totaler Reinfall. Ich war mit meinen zwölf Jahren Berufserfahrung zum Karteikarten einsortieren grade gut genug. Jegliche Fehler waren natürlich meine Schuld. Ich erduldete das Ganze, schließlich war ich froh eine Stelle nah an meiner Wohnung und gut bezahlt gefunden zu haben. Zu meinen Aufgaben gehörte auch das Sortieren der Post, wo ich feststellen musste, dass noch immer Bewerbungen für meine ausgeschriebene Stelle eintrafen. Nicht dass ich die Umschläge geöffnet habe, an einem Tag fielen mir eindeutig zwei Bewerbungen mit Termin Post it im Arztzimmer auf. Nach einem Gespräch mit einem der Chefs, wo ich die Situation erläutert bekommen wollte, ob mein Arbeitsplatz gefährdet sei und eine zweiwöchige Kündigungsfrist in der Probezeit für den Fall einer Kündigung recht kurzfristig seien, erhielt ich am nächsten Tag meine Kündigung mit sechswöchiger Kündigungsfrist. Die Gründe die ich mündlich von dem anderen Chef zu hören bekam erschienen mir aus der Luft gegriffen, doch ich wollte nicht aufgeben und arbeitete die sechs Wochen genauso gut wie zuvor und bewarb mich fleißig auf andere Stellen. Eigentlich wollte ich den Gang zum Arbeitsamt vermeiden, hatte ich doch genug schlechte Erfahrung gemacht und langsam das Gefühl, dass ich ganz allein für alle meine bisherigen „arbeitssuchenden“ Zeiten verantwortlich war und wieder mit Sanktionen und Unverständnis rechnen musst. Zwei Wochen vor Beendigung meines Vertrages konnte ich dann meine Chefs dazu bewegen, mir frei zu geben, damit ich mich, leider, arbeitslos melden konnte. Viel, viel später, als es zu spät war, erfuhr ich, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, mich für den Gang zum Arbeitsamt frei zustellen. Und ahnen Sie es schon? Ich hätte mich 3 Werktage nach Erhalt der Kündigung schon arbeitslos melden müssen. Ich bekam also wieder eine Sperre.

Das ich ausgerechnet in dieser Zeit umgezogen bin erwies sich als großer Fehler, denn ich hatte plötzlich gar kein Geld mehr um mir Essen und Trinken leisten zu können, das alles Geld in die Mietkaution eingeflossen ist. Die Kaution aus der alten Wohnung ist nach acht Monaten noch nicht zurück gezahlt worden. Mein Anspruch auf Arbeitslosengeld I war auch nach einem Monat ausgelaufen und ich musste mich für Harz 4 melden. Auf meinem Mietvertrag stand auch der Name meines Partners, was das Amt darauf schließen ließ, dass wir eine Lebensgemeinschaft führen. Das mein Partner also für mich aufkommen müsse. Er war zu dieser Zeit freiberuflich beschäftigt, was für das Amt heißt selbständig also mit Einkommen. In Wirklichkeit aber hatte er ein sehr unregelmäßiges Einkommen, welches sich nicht auf ein Jahr vorrausschätzen ließ, so wie das Amt es von uns verlangte. Also wurden seine Einnahmen, die er davor das Jahr hatte einfach ins neue Jahr übernommen und somit hatten wir keinen Anspruch auf Unterstützung. Zu meiner Freude erfuhr ich ungefähr zur selben Zeit das ich schwanger war, wir freuten uns natürlich riesig auf das Kind. Doch als ich erneut beim Amt vorsprach und sagte, ich brauche Geld wurde ich abgewiesen. Ich blieb hartnäckig und drohte damit, zum Leiter oder höchsten Vorgesetzten zu gehen, denn ich hatte keinen Cent mehr übrig um überhaupt einkaufen gehen zu können. Mit der Mitleidstour, das ich schwanger sei und Essen brauche bekam ich einen Essensgutschein auf Kredit über 50 Euro. Das war alles. Das Geld fordert das Zollamt zurück, wenn man nicht sofort nach Anweisung des Amtes das Geld wieder zurück zahlt.
Eine Beschwerde, bzw. Klage beim Sozialgericht erwies sich auch als verschwendeter Aufwand, denn ich bekam in einem Schreiben mitgeteilt, dass ich doch schon mehrmals arbeitslos in den letzten vier Jahren gewesen sei und die Fristen kennen müsse. Das ich zurück schrieb, das sei nicht der Fall, da würden falsche Informationen seitens des Arbeitsamtes vorliegen und ich das belegen könnte erhielt ich keine Antwort mehr. Bis zu meinem nächsten Gehalt überbrückten wir die Zeit mehr schlecht als recht. Ich konnte eine neue Stelle beginnen. Doch der Arbeitsvertrag ist nur befristet auf ein Jahr und somit stehe ich nach Beendigung meiner Elternzeit wieder vor dem Problem arbeitslos zu sein. Und das mit einem sechs Monate alten Kind. Vielleicht habe ich aber auch das Glück und mein Arbeitsvertrag wird verlängert. Dann muss ich nur noch eine Betreuung für mein Kind finden. (Ein Leserbrief von T. Wagner)

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