Rechtmäßigkeit und Verfassungskonformität des freien Falls von Arbeitslosengeld auf Hartz IV muss auf den Prüfstand der Sozialgerichte
12.01.2011
Die Übergangsleistungen vom Arbeitslosengeld I zu Hartz IV wurden gestrichen. „Da reibt sich der von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – trotz wiederholt, deutlich gegenteiliger Signale aus der Berlin Gesetzes-Fabrik – immer noch nicht gänzlich abgefallene Bürger mächtig die Augen,“ stellt Hartz4-Plattform Sprecherin Brigitte Vallenthin verwundert fest. „Sollte es tatsächlich mit „Recht“en Dingen zugehen, dass – auf leisen Sohlen, unter Vermeidung öffentlichen Getöses – ein Gesetz durch die Hintertür eines anderen Gesetzes geändert werden kann – ohne dass Ersteres sich der demokratischen Prüfung durch das Parlament stellen musste? Glauben die Damen und Herren Gesetzgeber wirklich, dass sie uns für dumm verkaufen können – und wir es noch nicht einmal merken – wenn sie uns klammheimlich einen Teil der SGB II-Novellierung, getarnt durch das Haushaltsbegleitgesetz (HbeglG), unterjubeln wollen?“
Die Rede ist von dem, was seit dem 1. Januar 2011 überraschend all denen schmerzhaft auf die Füße fällt, die von Arbeitslosengeld I auf Hartz IV stürzen. Bislang erhielten sie – wenn sie innerhalb von zwei Jahren keinen neuen Arbeitsplatz fanden – monatlich eine am letzten Arbeitslosengeld orientierte Übergangsleistung von maximal 160 € im ersten Jahr und 80 € im zweiten Jahr. Das haben die Hartz IV-Verwaltungen nun seit 1 Januar gestrichen – teilweise sogar unangekündigt. In den zugestellten „Änderungsbescheiden“ wird mit unterschiedlich vernebelnden Begründungen behauptet, ein Recht auf
„Wegfall des befristeten Zuschlages gemäß § 24 SGB II“ umsetzen zu müssen und dadurch bereits erteilte Leistungszusagen aus dem – immer noch gültigen! – Sozialgesetzbuch II zurück nehmen zu können.
Nach Einschätzung der Hartz4-Plattform ist in den ihr bislang für die Zeit von Anfang November bis Ende Dezember dokumentierten so genannten Änderungsbescheiden aus beispielsweise Niedersachsen, Hessen und Bayern nichts anderes zu erkennen als Leistungsentzug durch Vortäuschung einer angeblichen Rechtslage mittels unterschiedlicher nicht rechtswirksamer
Behauptungen zu erkennen.
Da heißt es nämlich Anfang November aus Hessen:
„Die Bundesregierung hat am 07 Juni 2010 entschieden, den befristeten Zuschlag gemäß § 24 SGB II ab 01 Januar 2011 ersatzlos zu streichen.“
Oder Ende November aus Niedersachsen:
„Eine geplante Rechtsänderung sieht vor, dass der Zuschlag zum Arbeitslosengeld II ab dem 01. Janaur 2011 entfällt.“
„Vom 29 Dezember liegt uns aus Bayern der bisherige Gipfel der „Kunden“-Täuschungsmanöver durch die Bundesagentur für Arbeit vor. Da wird – nach dem Motto: die Hartz IV-Betroffenen durchschauen das eh nicht – einfach mal frech der Eindruck erweckt, als sei am 17 Dezember die Gesetzesnovelle von Hartz IV im Bundesrat nicht gescheitert sondern verabschiedet worden. Höchst vorsorglich wird dabei vermieden, den 9. Dezember zu erwähnen, an dem das HBeglG rechtskräftig wurde. Auf das wiederum beruft sich nämlich die Bundesregierung bei ihrer Streichung des § 24 im SGB II,“ stellt Brigitte Vallenthin fest. In dem kurz vor Jahresende hektisch zugestellten Änderungsbescheid heißt es dann auch kryptisch: „Durch Rechtsänderung vom 17 Dezember 2010 entfällt der Zuschlag zum Arbeitslosengeld II ab dem 01 Januar 2011.“
Kein Wunder, dass bei dem Durcheinander die von den Betroffenen angesprochenen Sachbearbeiter ins Schleudern kommen und allenfalls ausweichend bis gar nicht antworten. Dieses abermals vom Sozialministerium und der Bundesagentur für Arbeit mutwillig erzeugte Chaos scheint nach Einschätzung der Hartz4-Plattform – wieder einmal nur noch auf einem Wege zu lösen – nämlich der Überprüfung von Rechtmäßigkeit und Verfassungskonformität durch die Sozialgerichte. Das bedeutet: „Alle § 24 SGB II-Gekürzten sollten sich vorsorglich durch Widerspruch, Überprüfungsantrag, Eilklage und Klage ihre Rechte sichern.
Wir werden in Kürze dazu ausführliche Erläuterungen und Tipps veröffentlichen,“ fasst Brigitte Vallenthin zusammen.
„Geradezu schäbig“ findet Brigitte Vallenthin, „dass Ministerin von der Leyen zwar um die Auszahlung von 5,- € ab 1. Januar herum eiert, weil es noch keine Gesetzesgrundlage gäbe – sich gleichzeitig aber nicht schämt, in voraus eilendem Gehorsam gegenüber Finanzminister Schäuble den Berechtigten Leistungen vorzuenthalten, für die es ausweislich der Rechtsunsicherheiten in den ihr unterstellten ARGEn ganz offenlichtlich ebenfalls keine Gesetzesgrundlage zu geben scheint. Wir erwarten deshalb von Ursula von der Leyen, dass sie – gemäß dem Grundsatz „gleiches Recht für alle“ – sofort die Bundesagentur für Arbeit anweist – ebenfalls mangels neuer Gesetzesgrundlage -, die Leistungen des Übergangsgeldes vom Arbeitslosengeld zu Hartz IV nach zu
zahlen und auch weiterhin zu leisten.“ (Hartz 4 Plattform)
Bild: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt
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