Jobcenter müssen einen als vorläufig gemeinten Bescheid auch als „vorläufig” kennzeichnen. Kann eine Bürgergeld-Bezieherin davon ausgehen, dass endgültig und nicht „vorläufig” die erhaltenen Leistungen ausgezahlt wurden, darf das Jobcenter nicht einfach zu viel ausgezahlte Hilfeleistungen wieder zurückfordern, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem schriftlich veröffentlichten Urteil (Az.: B 4 AS 10/20 R).
BSG: Rückforderungen sonst nur ausnahmsweise möglich
Die Rückforderung sei nur zulässig, wenn der fehlerhafte Bescheid auf arglistige Täuschung zurückgeht, auf grob fahrlässige Angaben des Hilfebedürftigen basiert oder klar erkennbar war, dass ein Vorläufigkeitsvermerk fehlt und zu Unrecht Leistungen gezahlt wurden.
Im Streitfall ging es um eine in Hamburg lebende Bürgergeld-Aufstockerin und ihren minderjährigen Sohn. Die Frau arbeitete in einem Unternehmen auf Abruf mindestens drei Stunden die Woche.
Ihre Einkünfte waren von Monat zu Monat unterschiedlich hoch. Um ihren Lebensunterhalt decken zu können, erhielten sie vom Jobcenter Hamburg aufstockendes Hartz IV (heutiges Bürgergeld).
Bescheid ohnen Vorläufigkeitsvermerk
In den Streitmonaten Januar und Februar 2014 zahlte das Jobcenter Grundsicherungsleistungen im Voraus unter Berücksichtigung eines fehlerhaft angenommenen gleichbleibenden Einkommens.
Der entsprechende Bescheid enthielt trotz der tatsächlich schwankenden Einkünfte der Frau keinen Vorläufigkeitsvermerk. Als sich herausstellte, dass die Frau deutlich mehr verdient hatte, forderte das Jobcenter die an Mutter und Sohn zu viel gezahlten Leistungen zurück, insgesamt 761 Euro.
Doch so einfach geht das nicht, entschied das BSG in seinem Urteil. Der Bescheid sei nicht als „vorläufig” gekennzeichnet worden.
Ohne solch einen Vermerk würden die Leistungen grundsätzlich als „endgültig” bewilligt gelten. Die Rücknahme eines „endgültigen” Leistungsbescheides sei aber nur ausnahmsweise möglich.
Rückzahlung nur bei arglistiger Täuschung oder wegen grob fahrlässiger falscher Angaben
Nur wenn die SGB II-Leistungen aufgrund arglistiger Täuschung oder wegen grob fahrlässiger falscher Angaben gezahlt wurden, könnten diese zurückgefordert werden.
Gleiches gelte, wenn der Leistungsempfänger nach seinem Laienverständnis davon ausgehen musste, dass er zu Unrecht Leistungen erhalten hat und er diese möglicherweise zurückerstatten muss.
Ob dies bei der Klägerin der Fall war, müsse nun das Landessozialgericht Hamburg noch einmal prüfen, so das BSG.
Doch selbst wenn dies der Fall wäre und die Mutter ihre zu viel erhaltenen Leistungen zurückzahlen muss, müsse dies nicht auch für den minderjährigen Sohn gelten.
Die Kasseler Richter verwiesen hierbei auf eine BSG-Entscheidung vom 28. November 2018 (Az.: B 14 AS 34/17 R). Danach kann das Jobcenter zu viel gezahlte Leistungen nur eingeschränkt von Kindern wieder zurückfordern. Dies ist ab Volljährigkeit möglich, wenn Kinder zu diesem Zeitpunkt über Vermögen verfügen. fle
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