Ein an Diabetes Typ 2, einer Fettstoffwechselstรถrung sowie erhรถhter Leberwerte erkrankter Bรผrgergeld-Bezieher beantragte beim zustรคndigen Jobcenter einen Mehrbedarf in Hรถhe 150 Euro fรผr die kostaufwendige Ernรคhrung.
Das Jobcenter lehnte den Mehrbedarf im Rahmen eines รberprรผfungsantrags ab.
Das Sozialgericht Dรผsseldorf (Az: S 19 AS 3748/20) bestรคtigte die Ablehnung der Behรถrde. Auch die nachfolgende Berufung wurde seitens des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (L 7 AS 1866/21) abgewiesen.
Im Rahmen eines รberprรผfungsverfahrens gemรคร ยง 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. ยง 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X klagte der Betroffene fรผr den Zeitraum vom 01.10.2020 bis zum 30.09.2021 auf hรถhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (heute Bรผrgergeld).
Der Betroffene forderte Mehrbedarfe, insbesondere hinsichtlich einer kostenaufwรคndigen Ernรคhrung und einer Schwerbehinderung.
Schwere gesundheitliche Beeintrรคchtigungen
Der Klรคger hat infolge eines Verkehrsunfalls seinen linken Oberschenkel verloren und leidet an Diabetes mellitus Typ 2. Mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie dem Merkzeichen โGโ ist er anerkannt.
Seine berufliche Vergangenheit in der Gastronomie endete 2003, seitdem bezieht er Sozialleistungen nach dem SGB II.
Eine รคrztliche Untersuchung ergab, dass der Klรคger leichte Arbeiten fรผr drei bis sechs Stunden tรคglich ausfรผhren kann und deshalb Bรผrgergeld (damaliges Hartz IV) beziehen (muss).
Nur Warmwasser-Mehrbedarf berรผcksichtigt
Mit Bescheid bewilligte das Jobcenter dem Klรคger Leistungen fรผr den Zeitraum vom 01.10.2020 bis zum 30.09.2021. Diese berรผcksichtigten den Regelbedarf nach ยง 20 Abs. 1 SGB II, einen Mehrbedarf fรผr dezentrale Warmwassererzeugung nach ยง 21 Abs. 7 SGB II sowie die tatsรคchlichen Bedarfe fรผr Unterkunft und Heizung nach ยง 22 Abs. 1 SGB II.
Zusรคtzlich beantragte der Klรคger einen Mehrbedarf fรผr Ernรคhrung “aufgrund Diabetes”.
Der Betroffene argumentierte, dass die Preise aufgrund der Coronapandemie gestiegen seien, was sich auf seine Ernรคhrung als Diabetiker auswirke.
Zusรคtzlich betonte er die Herausforderungen durch seine Oberschenkelamputation und die damit verbundene Schwerbehinderung. Das Jobcenter lehnte diesen Antrag mit Bescheid ab, da die Kosten fรผr eine vollwertige Ernรคhrung im Regelbedarf bereits enthalten seien.
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150 Euro Mehrbedarf fรผr kostaufwendige Ernรคhrung gefordert
Nach dem Widerspruch des Klรคgers, der vom Jobcenter zurรผckgewiesen wurde, erhob dieser Klage beim Sozialgericht. Der Klรคger forderte monatlich 150 โฌ mehr, um sich angemessen ernรคhren zu kรถnnen, unter Berรผcksichtigung seines Diabetes-Mehrbedarfs und der gestiegenen Preise aufgrund der Coronapandemie.
Das Landessozialgericht NRW bestรคtigte nunmehr in einer nicht mรผndlichen Verhandlung die Entscheidung des Sozialgerichts.
Als ernรคhrungsrelevante innere Erkrankungen des Klรคgers kommen eine Adipositas, eine Fettstoffwechselstรถrung, ein Diabetes mellitus Typ IIb und erhรถhte Leberwerte unklarer Genese in Betracht.
Diese bedingen jedoch keinen ernรคhrungsrelevanten Mehrbedarf gegenรผber zu einer durch den Regelbedarf i.S.v. ยง 20 Abs. 1 SGB II abgedeckten Bedarfs, so das Gericht.
Hier ergibt sich im Hinblick auf die entscheidungserheblichen Erkrankungen des Klรคgers keine Diskrepanz zwischen den Empfehlungen des Deutschen Vereins und den vom Sozialgericht getรคtigten Ermittlungen im Einzelfall, so das LSG.
Vollkost bei Hyperlipidรคmie und Diabetes
Gemรคร den fรผr den vorliegenden Zeitraum maรgeblichen Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewรคhrung von Krankenkostzulage ist sowohl bei Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit โ Typ II und Typ I, konventionell und intensiviert konventionell behandelt) als auch bei einer Hyperlipidรคmie (Erhรถhung der Blutfette) eine Vollkost angezeigt, die keinen zusรคtzlichen Mehrbedarf benรถtige. Zudem sei aufgrund der Pandemie die Mehrwertsteuer gesenkt worden.
Auch kein behinderungsbedingter Mehrbedarf
Auch ein behinderungsbedingter Mehrbedarf sei zu gewรคhren. Die Anspruchsgrundlagen des ยง 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II und des ยง 23 Nr. 2 SGB II scheiden aus, weil sie die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach ยง 49 SGB IX, von sonstigen Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder von Eingliederungshilfen nach ยง 112 SGB IX voraussetzen, die der Klรคger im streitigen Zeitraum unstreitig nicht erhalten hat.
Die vom Betroffenen herangezogene Anspruchsgrundlage des ยง 23 Abs. 4 SGB II (โnicht erwerbsfรคhigen voll erwerbsgeminderten Personen im Sinne des Sechsten Buches wird ein Mehrbedarf in Hรถhe von 17 Prozent der nach ยง 20 Regelbedarfe anerkannt, wenn sie im Besitz eines Ausweises nach ยง 69 Abs. 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen G sindโ) greife nicht ein, da der Klรคger nicht voll erwerbsgemindert sei und ausweislich des Gutachtens dem Arbeitsmarkt zwischen 3 und 6 Stunden zur Verfรผgung stehe. (Hinweis: Tacheles)