Trotz jahrelang bestätigter Arbeitsunfähigkeit keine Erwerbsminderung – Urteil

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Behandelnde Arzt bestätigten über Jahre hinweg die Arbeitsunfähigkeit einer Betroffenen. Trotzdem reichte dies dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen nicht als Nachweis einer Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung. (L21 R 741/20)

Wie das Gericht zu dieser Entscheidung kam, und worum es bei der Feststellung einer Erwerbsminderung geht, das zeigen wir Ihnen in diesem Beitrag.

Behinderung und chronische Schmerzen

Die Betroffene machte nach ihrem Realschulabschluss eine Ausbildung zur Konditorin, und sie arbeitete in diesem Beruf zuletzt 2008. Bis 2018 war sie im Betrieb ihres Lebensgefährten tätig, allerdings nur in geringem Ausmaß.

Seit 2009 hat sie einen anerkannten Grad der Behinderung von 40 und bezieht eine Rente wegen Berufsunfähigkeit aus einer privaten Lebensversicherung.

Sie klagt seit Jahren über Fibromyalgie und eine somatoforme Schmerzstörung, wobei eine entzündlich rheumatische Erkrankung nach medizinischen Untersuchungen ausgeschlossen wurde. 2009 / 210 war sie teilstationär in psychiatrischer Behandlung mit Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode.

Seitdem ist sie durchgehend in ambulanter und stationärer Behandlung, insbesondere wegen ihrer Schmerzstörung. Die behandelnden Ärzte bescheinigten ihr dabei übereinstimmend Arbeitsunfähigkeit. 2011 stellte sie einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente – ohne Erfolg.

Rehabilitation und Integration

2014 beantragte sie Leistungen zur Teilhabe und nahm von Mai 2015 bis Februar 2016 an einem Lehrgang zur beruflichen Rehabilitation und Integration teil. 2016 beantragte sie erneut die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente durch die gesetzliche Rentenversicherung. Diesmal begründete sie den Anspruch damit, dass die Teilhabeleistung nicht erfolgreich gewesen sei.

Rentenantrag wird abgelehnt

Wieder lehnte die Rentenversicherung den Antrag ab und ebenso den Widerspruch der Betroffenen. Auch eine Klage vor dem Sozialgericht scheiterte.

Dagegen legte die Frau Berufung ein. Sie begründete diese damit, dass sie seit Jahren arbeitsunfähig sei, und dass ihre unterschiedlichen Erkrankungen sich gegenseitig verstärkten. Auch verschiedene Fitnessangebote, die sie wahrgenommen hätte, könnten die Beschwerden nicht heilen.

Das Landessozialgericht weist die Berufung zurück

Das Landessozialgericht holte mehrere ergänzende medizinische Befundberichte ein und nahm eine Stellungnahme des vom Sozialgericht zuvor angehörten Sachverständigen auf. Im Zentrum hätte eine teils somatoforme, teils chronische Schmerzstörung gestanden.

Bei Erwerbsminderung geht es um Funktionsbeeinträchtigung

Für eine Erwerbsminderung stünden allerdings die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen im Vordergrund. So führten bei der Betroffenen Schäden im Skelettsystem nur zu wenigen funktionellen Einschränkungen. Die Depression habe nach Auffassung des psychiatrischen Sachverständigen keine wesentliche Funktionseinschränkung zur Folge.

Subjektive Beschwerden und objektive Fähigkeiten

Die Klägerin betone zwar ihre Beschwerden. Sie erscheine funktionell allerdings kaum eingeschränkt, gestalte ihren Alltag intakt und führe den Haushalt weitgehend selbstständig. Das gelte ebenso bei sozialen Kontakten und Freizeitaktivitäten wie Sport und zahlreichen Urlaubsfahrten.

Die vorhandenen Erkrankungen führten zwar zu qualitativen Einschränkungen und Belastungen beim Knien, Hocken oder Bücken. Diese Beschwerden reichten aber für die Feststellung einer Erwerbsminderungsrente nicht aus. Die herangezogenen Gutachter würden leichte bis mittelschwere Tätigkeiten für möglich halten.

Fazit

Medizinische Gutachten zur Prüfung einer Erwerbsminderung können sehr aufwändig sein. Dreh- und Angelpunkt dabei ist die Antwort auf die Frage, ob die Betroffenen nur noch weniger als drei Stunden pro Tag (volle Erwerbsminderung) oder weniger als sechs Stunden pro Tag (teilweise) Erwerbsminderung arbeiten können.

Dabei geht es nicht nur um den gelernten und ausgeübten Beruf, sondern um alle Arten von Erwerbsarbeit. Erwerbsminderung bedeutet also weit mehr als nur Berufsunfähigkeit.

Gerade bei neuropsychologischen Untersuchungen geht es dabei laut dem Landessozialgericht Bayern darum, den Gesamteindruck mit dem Alltagsverhalten zu untersuchen.

Hier kam das Gericht in diesem Fall zu dem Ergebnis, dass die Klägerin ihre neuropsychologisch bedingten Beschwerden zum einen sehr in den Fokus rückte. Zum anderen zeigte, laut Gericht, ihr Alltagsverhalten insgesamt, dass sie keine Leistungsminderungen in einem Ausmaß hatte, die eine Erwerbsminderung begründen würden.