Rente: Gericht entscheidet – So können sich Rentner Steuern zurückholen

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Ein Urteil des Bundesfinanzhofs (Az. VIII R 18/12) bringt steuerliche Entlastung für viele Rentner: Zinsen auf Rentennachzahlungen müssen nicht als „sonstige Einkünfte“ versteuert werden, sondern zählen als Kapitalerträge – mit deutlich besseren Freibeträgen.

Wenn die Rente auf sich warten lässt – und Zinsen anfallen

Kommt es bei der Deutschen Rentenversicherung zu Verzögerungen, etwa weil ein Rentenanspruch erst spät anerkannt wird, erhalten Betroffene eine Nachzahlung. Für den Zeitraum, in dem das Geld einbehalten wurde, werden zusätzliche Zinsen gezahlt. Diese Zinsen basieren auf § 44 SGB I und sollen den finanziellen Nachteil durch die verspätete Auszahlung ausgleichen.

So geschehen im Fall einer Rentnerin, die für mehrere Jahre rückwirkend Leistungen zugesprochen bekam: Neben rund 10.850 € Rente erhielt sie knapp 1.400 € Zinsen – wohlgemerkt als separaten Betrag, nicht als Teil der Rentenzahlung.

Finanzamt stuft Zinsen als sonstige Einkünfte ein – und fordert Steuer

Das zuständige Finanzamt wertete die Zinsen zunächst als „sonstige Einkünfte“ nach § 22 EStG. Das führte dazu, dass sie mit 50 % besteuert wurden – eine Folge der nachgelagerten Rentenbesteuerung, die mit dem Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) eingeführt wurde. Diese Einstufung bedeutete für die Rentnerin eine spürbare Steuerlast.

Doch sie wehrte sich: Ihrer Ansicht nach handelte es sich bei den Zinsen um Kapitalerträge – ähnlich wie bei Zinsen von der Bank. Und genau darauf kommt es an: Kapitalerträge können mit dem Sparer-Pauschbetrag von 1.370 € und einer Werbungskostenpauschale von 51 € gegengerechnet werden. Die Folge: Oft bleibt am Ende nichts zu versteuern.

BFH: Zinsen sind Kapitalerträge – keine Rentenleistungen

Der Fall landete vor dem Bundesfinanzhof – und die Richter entschieden eindeutig zugunsten der Rentnerin. Ihre Begründung:

  • Zinsen entstehen nicht aus der Rente selbst, sondern als Ausgleich für den Zahlungsaufschub.
  • Sie werden laut Gesetz separat berechnet und haben einen eigenständigen Rechtsgrund.
  • Aus wirtschaftlicher Sicht handelt es sich um eine (wenn auch unfreiwillige) Kapitalüberlassung – ähnlich einem zinslosen Darlehen, das der Staat dem Rententräger gewährt hat.

Damit erfüllen diese Zinsen exakt die Voraussetzungen für steuerpflichtige Kapitalerträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

Wichtige Klarstellung: Rentenzahlung ≠ Zinszahlung

Wichtig: Die Rente selbst bleibt natürlich steuerpflichtig, wie es das Alterseinkünftegesetz vorsieht. Die Zinsen hingegen stehen auf einem eigenen Blatt. Das Gericht betonte klar, dass der Zinsanspruch nicht Bestandteil der Rente ist – er entsteht unabhängig davon.

Für Rentner bedeutet das: Sie dürfen Zinsen getrennt von der Rente behandeln – und steuerlich besser stellen.

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BFH widerspricht ausdrücklich dem Bundesfinanzministerium

Noch bedeutsamer ist ein weiterer Aspekt: Das Urteil widerspricht direkt einem früheren Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) aus dem Jahr 2010. Darin hatte das Ministerium Zinsen auf Rentennachzahlungen als „andere Leistungen“ aus der gesetzlichen Rentenversicherung eingestuft – mit dem Ziel, diese pauschal zu besteuern.

Der Bundesfinanzhof machte jedoch deutlich: Verwaltungsvorschriften haben keine Gesetzeskraft. Die Finanzämter dürfen sich nicht über die klare Systematik des Einkommensteuergesetzes hinwegsetzen. Dort ist geregelt, dass Kapitalerträge Vorrang vor sonstigen Einkünften haben – ein Prinzip, das hier greift.

Warum die Auslegung des Finanzamts falsch war

Im Urteil legte das Gericht ausführlich dar, warum die Einstufung der Zinsen durch das Finanzamt rechtlich nicht haltbar ist. Der Begriff der „anderen Leistungen“ im Einkommensteuergesetz wurde ursprünglich eingeführt, um Einmalzahlungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen steuerlich zu erfassen – nicht jedoch, um Zinszahlungen im Zusammenhang mit gesetzlichen Rentennachzahlungen zu besteuern.

Diese Zinsen sind weder regelmäßig noch auf Lebenszeit angelegt, wie es für Renten typisch ist. Vielmehr stellen sie eine einmalige Zahlung dar, die wirtschaftlich betrachtet als Entschädigung für das Vorenthalten von Geldleistungen dient. Daher fallen sie nicht unter die sonstigen Einkünfte, sondern gehören eindeutig zur Einkunftsart Kapitalvermögen.

Damit gilt § 20 des Einkommensteuergesetzes vorrangig – und genau das wirkt sich für Rentner steuerlich vorteilhaft aus.

Wie Sie von der neuen Einstufung profitieren

Für Rentner, die Nachzahlungen erhalten haben, lohnt sich jetzt ein genauer Blick in die Steuerbescheide:

Wurden Zinsen als „sonstige Einkünfte“ erfasst?
Wenn ja: Könnte ein Widerspruch oder Änderungsantrag bares Geld bringen.

Beispielrechnung:
Bei Zinsen in Höhe von 1.400 € können Sie 1.370 € Sparerfreibetrag + 51 € Werbungskosten pauschal abziehen. Übrig bleiben 0 € steuerpflichtige Erträge.

Vorteil: Keine Steuer auf die Zinsen – und womöglich eine Rückerstattung bereits gezahlter Beträge.

Was Sie jetzt tun können

  1. Steuerbescheid prüfen: Sind Zinsen als sonstige Einkünfte erfasst?
  2. Widerspruch einlegen oder Antrag auf Änderung stellen, mit Verweis auf das BFH-Urteil (Az. VIII R 18/12).
  3. Zinsen korrekt in der Steuererklärung angeben – als Kapitalerträge mit den üblichen Freibeträgen.
  4. Unterstützung einholen: Steuerhilfevereine oder Rentenberater können beim Verfahren helfen.

Wichtig für ältere Steuerjahre: Antrag auf Änderung möglich

Auch wenn Ihr Steuerbescheid schon älter ist, lohnt sich ein Blick: Bis zu vier Jahre rückwirkend kann ein sogenannter Antrag auf schlichte Änderung gestellt werden – sofern keine Verjährung eingetreten ist.

Formulierungshilfe:

> “Sehr geehrte Damen und Herren,
> in meiner Steuerveranlagung für das Jahr \[Jahreszahl] wurden Zinsen gemäß § 44 SGB I aus einer Rentennachzahlung als sonstige Einkünfte behandelt.
> Gemäß BFHUrteil vom 09.06.2015 (VIII R 18/12) sind diese als Kapitalerträge einzustufen.
> Ich bitte um Überprüfung und Änderung des Bescheids unter Anwendung der Sparerfreibeträge.
> Mit freundlichen Grüßen,
> \[Name]”