Wenn versicherte Arbeitnehmer und Arbeitslose erkranken, dann zahlt erst einmal der Arbeitgeber sechs Wochen den Lohn weiter. Dann ist die Krankenversicherung in der Pflicht, wenn die Betroffenen weiter krank geschrieben sind und leisten bis zu 72 weiteren Wochen Krankengeld.
So ist die gesetzliche Regelung, doch immer wieder versuchen Krankenkassen, das Recht zu brechen, um nicht zahlen müssen. So geriet ein langjähriger Arbeitnehmer und kurzfristig Arbeitsloser, der kurz vor der Rente erkrankte, in einen Rechtsstreit mit der Krankenkasse.
Der Betroffene wurde nach fast 50 Jahren Berufsleben arbeitslos und muss derzeit nur noch rund ein Jahr warten, bis er die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte erhält.
Er wurde krank, sein Facharzt diagnostizierte eine Anpasungsstörung und schrieb ihn weiterhin krank. Die Agentur für Arbeit zahlte wie ein Arbeitgeber für sechs Wochen das Arbeitslosengeld weiter. Dann erhielt er den Bescheid, dass die Zahlung des Arbeitslosengeldes eingestellt wird.
Krankenkasse zahlt nicht – mit fadenscheiniger Begründung
Die Krankmeldung des Facharztes lag vor. Obwohl die Krankenkasse jetzt Krankengeld hätte zahlen müssen kam nichts.
Erst einen Monat später erhielt er von der Krankenversicherung einen Ablehnungsbescheid. Weder rückwirkend noch laufend würde ihm Krankengeld bezahlt. Begründet wurde dies damit, dass nach den Richtlinien für Arbeitsunfähigkeit bei Arbeitslosen diese nur dann gelte, wenn sie auch keine leichten Arbeiten ausüber könnten.
Das war zwar nicht ganz falsch. Die Krankenversicherung ignorierte aber, dass der behandelnde Facharzt ihn in Kenntnis dieser Richtlinien zur Arbeitsunfähigkeit krank geschrieben hatte.
Laut Krankenkasse liege zwar eine Behandlungsbedürftigkeit vor, aber keine Arbeitsunfähigkeit. Zuständig sei die Agentur für Arbeit. Weder mit dem Betroffenen noch mit dem verhandelnden Arzt hatte die Krankenversicherung zuvor gesprochen.
Der Facharzt akzeptierte die Begründung der Krankenkasse nicht, denn er hatte festgestellt, dass der Betroffene nicht gesund sei, sondern mindestens einen weiteren Monat krank geschrieben werden müsste.
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Widerspruch
Schließlich legte der DGB Rechtsschutz für den Kranken unverzüglich Widerspruch ein, Darin fragte sie, wie die Krankenkasse denn auf die Idee käme, dass ihr eigener Vertragsarzt nicht nach den Richtlinien zur Arbeitsunfähigkeit handele?
Eine Stellungsnahme per Akteneinsicht nahm der Rechtsschutz nicht an, sondern forderte ein zeitnahes Gutachten der Krankenkasse.
Verschleppung durch die Krankenkasse
Die Krankenkasse schickte weder die geforderten Unterlage, also eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und eine eventuelle Kommunikation mit demn Arzt noch reagierte sie pünktlich.
Stattdessen erhielt der Betroffene irgendwann einen Vordruck der Kasse, in dem er erklären sollte, warum er arbeitsfähig sei. Als das Formular bei ihm ankam, war er allerdings wieder arbeitsfähig.
Auf dem Vordruck stand zwar, dass dieser nicht ausgefüllt werden müsse, wenn der Betroffene bereits genesen sei. Trotzdem wollte die Kasse den ausgedruckten Vordruck haben. Erst als der Rechtsschutz sie auf die Lage hinwies und auf eine Entscheidung drängte, rückte die Versicherung von der Forderung ab.
Arbeitsagentur wiill nicht zahlen
Nach drei Monaten Arbeitsunfähigkeit meldete sich der Betroffene ordnungsgemäß wieder bei der Agentur für Arbeit. Doch diese wollte ihm das Arbeitslosengeld nicht auszahlen und begründete dies damit, dass sie auf eine Stellungnahme der Krankenkasse warte.
Endlich kam dann ein Krankengeldbescheid und eine Nachzahlung. Später informierte die Kasse dann auch die Agentur für Arbeit, und diese zahlte wieder.
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Die Krankenkasse ist bekannt für derlei Spielchen
Das DGB-Rechtsschutzbüro in Düren hat mit dieser Krankenkasse nicht das erste Mal ein solches Problem. In einem weiteren Fall hatte dieselbe Krankenversicherung eine psychische Erkrankung eines Versicherten nicht als Krankheit anerkannt, weil “die Ursache Mobbing” sei. Im Widerspruchsverfahren erreichte der Rechtsschutz auch hier die Weiterbewilligung von Krankengeld.
Verbreitete Praxis der Krankenkassen
Der DGB Rechtsschutz kennt derlei Praxis von Krankenkassen als verbreitetes Problem und klärt auf: “Durch unsere bundesweite Vernetzung wissen wir, dass auch andere Krankenkassen in anderen Bundesländern die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Ärzte auf die geschilderte Art und Weise entwerten, oder es zumindest versuchen.
Die Kassen scheinen nicht vorab ihre Vertragsärzte zu konsultieren, sondern stürzen die Versicherten direkt in extreme Schwierigkeiten, wenn das Krankengeld nicht gezahlt wird.”
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.