Sozialhilfe: Instandhaltungskosten zum Nachteil des Sozialamts ist sittenwidrig

Lesedauer 4 Minuten

Ein schwerbehinderter Sozialhilfeempfänger mit lebenslangem Wohnrecht in einer Dachgeschosswohnung bei seiner Schwester hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Klimaanlage als Kosten der Unterkunft, wenn der Vertrag mit seiner Schwester über die Instandhaltungskosten nur abgeschlossen wurde, die Kosten für die Instandhaltung der Wohnung mittelbar durch den Kläger auf die Sozialbehörde abzuwälzen. Der Vertrag ist sittenwidrig und damit nichtig nach § 138 Abs. 1 BGB.

Des weiteren wäre die Kostenübernahme der Heiz- und Klimaanlage nicht angemessen im Sinne des § 35 Abs. 1 SGB XII (Orientierungssatz Detlef Brock).

Aktuell gibt das LSG Baden-Württemberg mit seinem Urteil bekannt, dass in der Sozialhilfe gilt:
Keine Übernahme der Kosten für die Instandhaltung der Heiz- und Klimaanlage bei Unangemessenheit i. s. d. im Sinne von § 35 Abs. 1 SGB XII.

Prinzipiell könnten auch Aufwendungen für Instandhaltungs- und Reparaturmaßnahmen als Unterkunftskosten nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII übernommen werden.

Zwar habe der Gesetzgeber einen dem § 22 Abs. 2 SGB II entsprechenden Absatz in das SGB XII nicht eingefügt. Danach würden als Bedarf für die Unterkunft auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den der folgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen seien.

Kosten für Reparaturen und Instandhaltung bei selbst bewohntem Wohneigentum auch im SGB XII möglich

Da die Interessenlage im SGB XII gleich und kein Grund für eine unterschiedliche Handhabung der Instandhaltung von selbst bewohntem Immobilieneigentum ersichtlich sei, insbesondere auch nicht aus den Gesetzesmaterialien, könne auch im SGB XII bei der Beurteilung der Angemessenheit von Aufwendungen für Reparaturen und Instandhaltung bei selbst bewohntem Wohneigentum die Regelungen des § 22 Abs. 2 SGB II entsprechend berücksichtigt werden.

Grundsätzlich müssten aus Gründen der Gleichbehandlung sowohl Eigentümer als auch Mieter bei der Berechnung der zu leistenden Unterkunfts- bzw. Heizkosten im Wesentlichen nach den gleichen Grundsätzen behandelt werden.

Deshalb seien die Instandhaltungskosten nicht nur bei selbst bewohntem Wohneigentum Gegenstand der Kosten der Unterkunft, soweit sie angemessen seien. Angemessen seien die Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur demnach, wenn sie die geltende Angemessenheitsgrenze nicht überstiegen.

Bei Mieten beziehe sich diese Angemessenheitsgrenze auf die Gesamtkosten der Unterkunft, die mietvertraglich geschuldet seien.

Grundlegende Sanierungsarbeiten und wertsteigernde Erneuerungsmaßnahmen, um eine Heizanlage auf einen, dem aktuellen Stand der Technik entsprechenden Stand zu bringen, seien nicht als notwendige Aufwendungen für die Unterkunft zu berücksichtigen

Im vorliegenden Fall diene die Installation der neuen Heiz- und Klimaanlage nicht dazu, die Wohnung nutzbar zu machen oder die Nutzbarkeit zu erhalten, sondern sie diene der Verbesserung des Standards der Wohnung. Die Gebrauchsfähigkeit der Wohnung hänge nicht von der Installation des Klimageräts ab.

Dabei dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass für Leistungsberechtigte in Frage kommende Wohnungen nach deren Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen müssten, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen.

Die Kosten für die Installation des begehrten Klimageräts seien mithin nicht angemessen und deswegen auch nicht im Rahmen der Kosten der Unterkunft gemäß § 35 Abs.1 SGBXII zu übernehmen.

Rechtstipp zum SGB II: LSG Bayern, Beschluss v. 23.08.2013 – L 11 AS 479/13 NZB –

Untermietvertrag zum Nachteil des Jobcenters kann sittenwidrig sein, wobei auf Inhalt, Beweggrund und Zweck der getroffenen Vereinbarung abzustellen ist.

Persönliche Anmerkung zu diesem Urteil

Um den Heizbedarf sicherzustellen, hatte der Sozialhilfeträger bereits die Kosten für nachfolgende Neuanschaffungen im Rahmen der Unterkunftskosten in Höhe von ca. 7000 € bewilligt:

Installation Gastherme und Schornsteinverlängerung, Installation Gas-Durchlauferhitzer, Anschaffung Gasofen, Anschaffung und Installation Infrarotheizung, Überprüfung und Austausch Warmwasserspeicher.

Ich will Niemanden auf die Füße treten, aber man muss auch mal die Kirche im Dorf lassen, denn es gibt viel schlimmere Fälle, wie zum Bsp. hier.

Seit 8 Monaten sitzt ein Bürgergeldempfänger im Dunkeln (Quelle: Harald Thome)

Heizung, Strom und Wasser gehören nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum menschenwürdigem Existenzminimum.

Doch hier weigert sich das Jobcenter aufgrund von Behauptungen , welche nicht nachgewiesen werden können, einem Bürgergeldempfänger sein ALG II zu zahlen.

Seit acht Monaten fehlt ihm Geld für seinen Lebensunterhalt, er hat keinen Krankenversicherungsschutz und auch die Miete konnte er nicht bezahlen. Infolgedessen wurde seine Wohnung fristlos gekündigt. Die Räumungsklage steht nun vor der Tür.

Ich persönlich finde es menschenverachtend, dass es überhaupt soweit kommen konnte. Hier braucht man unbedingt Richter gnadenlos, der dem Ganzen ein Ende bereitet.

Ich wünsche diesem Menschen von ganzen Herzen, dass die Dinge sich bald klären werden und er nicht mehr im Dunkeln sitzen muss.

Praxistipp:

Hartz IV – Empfänger (übertragbar aufs Bürgergeld) saß circa eineinhalb Jahre im Dunkeln – Stromsperre – Jobcenter muss das Licht wieder anknipsen – ein Beitrag von Detlef Brock veröffentlicht damals zu Hartz IV – Zeiten für RA L. Zimmermann

Denn auch die das Bewohnen einer Wohnung im üblichen Rahmen gewährleistende Energieversorgung gehört zum menschwürdigen Existenzminimum, auf dessen Gewährleistung sich ein Anspruch gegen den Staat unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ableiten lässt(vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09).

Dies ist bei der Auslegung des den Leistungsanspruch konkretisierenden SGB II sowohl von den Leistungsträgern als auch von den Gerichten zu beachten.

Eine lang andauernde Stromsperre (eineinhalb Jahre)ist vergleichbar mit drohender Wohnungslosigkeit im Sinne von § 22 Abs. 8 Satz 2 SGB II,so die Rechtsauffassung des LSG Sachsen-Anhalt,Beschluss v. 13.03.2012- L 2 AS 477/11 B ER -.

Es reicht nicht aus, lediglich den Erhalt des Überlebens unter widrigen Bedingungen zu gewährleisten. In diesem Sinne zählt zu dem sicherzustellenden Bedürfnis auf Leben und Wohnen auch eine funktionierende Stromversorgung.