Jobcenter wollte Hartz IV Bezieher im Zelt frieren lassen

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Wohnungslose Hartz-IV-Bezieher müssen in ihrem Zelt nicht frieren. Übernachten sie in den Wintermonaten in ihrem Zelt, können sie vom Jobcenter zur Deckung ihres existenziellen Heizbedarfs eine Heizkostenbeihilfe beanspruchen, entschied das Sozialgericht Freiburg in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss (Az.: S 9 AS 84/22 ER).

Das Gericht gab damit dem Antrag eines wohnsitzlosen Mannes auf vorläufige Leistungen der Heizkostenbeihilfe in Höhe von monatlich bis zu 50 Euro statt.

Obdachloser Hartz IV-Bezieher lebt im Zelt

Der obdachlose und auf Hartz-IV-Leistungen angewiesene Mann übernachtete in seinem Zelt in einem Wald im Landkreis Emmendingen bei Freiburg.

Damit er in seiner provisorischen Bleibe nicht erfriert, erhielt er vom Jobcenter seit 2016 für die Monate Oktober bis März vom Jobcenter eine Heizkostenbeihilfe in Höhe von jeweils bis zu 46 Euro monatlich.

Die Anschaffungskosten für das Heizmaterial musste der wohnsitzlose Mann aber nachweisen.

Doch im November 2021 lehnte das Jobcenter die Zahlung für die Wintersaison 2021/2022 ab. Voraussetzung für die Beihilfe sei eine „Unterkunft”, die vor den Unbilden des Wetters schütze und eine gewisse Privatsphäre gewährleiste, einschließlich der Möglichkeit, private Gegenstände zu verwahren, so die Behörde mit Verweis auf ein Urteil des Bundessozialgerichts in Kassel (Az.: B 14 AS 79/09 R).

Bereits das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz in Mainz habe am 7. März 2013 im Fall eines umgebauten VW-Busses mit Matratze entschieden, dass es sich hierbei nicht um eine „Unterkunft handele (Az.: L3 AS 69/13 B ER; JurAgentur-Meldung vom 4. April 2013).

Die geforderte gewisse Privatsphäre sei im Zelt aber nicht möglich, so das Jobcenter. Weder könne man in dem Zelt stehen, noch sei ein ungestörter Kleidungswechsel möglich. Es fehle im Vergleich zu einer normalen Wohnung auch an Hygienemöglichkeiten und einem gewissen Maß an Komfort

Sozialgericht Freiburg: Jobcenter muss Wärme-Grundbedürfnis decken

Doch das Sozialgericht sprach dem wohnsitzlosen Mann für die noch kommenden Wintermonate eine Heizkostenbeihilfe von bis zu 50 Euro monatlich vorläufig zu.

Der Bedarf für Heizung sei ein „elementarer Bestandteil des physischen Existenzminimums, das zur verfassungsrechtlich gebotenen Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens unabdingbar ist” und damit um einen Bedarf von „erheblichem grundrechtlichen Gewicht”, heißt es in dem Beschluss.

Das Jobcenter sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass für den Bedarf für Heizung immer eine „Unterkunft” erforderlich sei. Dies sei zwar bei Wohnungsmietern der Normalfall, bei Wohnsitzlosen aber nicht.

Der Gesetzgeber habe vielmehr vorgesehen, dass das Jobcenter die angemessenen Kosten für eine Unterkunft „und” Heizung gewährleisten muss. Es handele sich hier um unabhängig voneinander zu gewährende Bedarfe.

Das Jobcenter müsse den existenziellen Heizungsbedarf auch desjenigen sicherstellen, der in abweichenden Verhältnissen lebt. Andernfalls würde dies der Menschenwürde zuwiderlaufen, wenn gerade jenen die Mittel vorenthalten werden, die sich am wenigsten wärmen können.

Zelt wird als Unterkunft gewertet

Auch wenn es auf das Vorhandensein einer „Unterkunft” hier nicht ankomme, könne aber auch das Zelt als Unterkunft gewertet werden. Die Mindestvoraussetzung hierfür würden dort gewahrt: ein Wetterschutz und eine gewisse Privatsphäre wie etwa bei einem „ungestörten Kleidungswechsel”, so das Gericht mit Verweis auf eigene Camping-Erfahrung. fle/mwo

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