Bundesverfassungsgericht: Vorlagen des SG Mainz unzulässig
Der gesetzliche Ausschluss von Hartz-IV-Leistungen für arbeitsuchende Ausländer hat weiter Bestand. Das Bundesverfassungsgericht hat in zwei am Donnerstag, 6. Februar 2020, veröffentlichten Beschlüssen die Vorlagen des Sozialgerichts Mainz wegen einer möglichen Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Bestimmungen als unzulässig zurückgewiesen (Az.: 1 BvL 4/16 und 1 BvL 6/16). Zur Begründung verwiesen die Karlsruher Richter unter anderem auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach arbeitsuchende Ausländer auch Sozialhilfe erhalten können.
Ausländer sind von Hartz IV ausgeschlossen
Nach dem Sozialgesetzbuch II sind Ausländer, die zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen, von Hartz-IV-Leistungen ausgeschlossen. Gleiches gilt generell für Personen, die eine nach dem Bundesausbildungsfördergesetz förderfähige Ausbildung machen.
Von diesen Bestimmungen war auch eine Familie aus Usbekistan betroffen, die seit mehreren Jahren in Deutschland lebt. Der Mann hatte sein Medizin-Studium erfolgreich abgeschlossen. Danach hatte er eine bis Mai 2017 befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, die ihm auch eine Erwerbstätigkeit erlaubte. Doch er fand nur geringfügige Jobs in einem Schlaflabor mit Monatseinkünften um 200 Euro.
Seinen Hartz-IV-Antrag lehnte das zuständige Jobcenter ab. Die Behörde verwies auf den gesetzlichen Ausschluss von Hilfeleistungen für arbeitsuchende Ausländer.
Im zweiten Verfahren ging es um eine Iranerin mit einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis. Sie war in der Vergangenheit zusammen mit ihrem Ehemann zeitweise auf aufstockende Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Als sie eine unvergütete Ausbildung zur Medizinisch-technischen Radiologieassistentin begann, wurden ihre Anträge sowohl auf Berufsausbildungsbeihilfe als auch auf Hartz-IV-Leistungen abgelehnt, da die Frau eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung mache. Bafög erhielt sie allerdings auch nicht, da sie ihre Ausbildung erst nach ihrem 30. Lebensjahr begonnen hatte.
Sozialgericht: Hartz IV-Ausschluss sei verfassungswidrig
Das Sozialgericht Mainz hielt in beiden Fällen den gesetzlichen Ausschluss von Hartz-IV-Leistungen und anderer Sozialleistungen für Ausländer für verfassungswidrig (Vorlagebeschlüsse vom 18. April 2016, Az.: S 3 AS 149/16 und 3 AS 99/14; JurAgentur-Meldung vom 1. Juni 2016). Alle Menschen hätten Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, „die sich in Deutschland tatsächlich aufhalten” und hilfebedürftig sind. Dies müsse bedingungslos gelten.
Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschieden, dass arbeitsuchende EU-Ausländer mit einem verfestigten Aufenthalt – in der Regel sind dies sechs Monate – zumindest Sozialhilfe beanspruchen können (Urteile und JurAgentur-Meldung vom 3. Dezember 2015, Az.: B 4 AS 44/15 R, B 4 AS 59/13 R und B 4 AS 43/15 R). Der Gesetzgeber sei aber verpflichtet, das menschenwürdige Existenzminimum für alle hier lebenden Menschen zu sichern. Auch für Ausländer mit längerem Aufenthalt dürfe dieser im Grundgesetz geschützte Anspruch nicht allein auf die Rechtsprechung des BSG zurückgehen.
Bundesverfassungsgericht wies Vorlagen zurück
Doch das Bundesverfassungsgericht wies in seinen Beschlüssen vom 4. Dezember 2019 und vom 17. Dezember 2019 die Vorlagen des als unzulässig zurück.
Im ersten Fall habe das Sozialgericht nicht geprüft, warum die Kläger kurz vor ihrer Hartz-IV-Antragstellung eine Aufenthaltsverlängerung erhalten haben. Denn für diese müsse grundsätzlich der Antragsteller belegen, dass er ausreichende finanzielle Mittel für seinen Lebensunterhalt hat. Auch habe das Sozialgericht nicht ausreichend dargelegt, warum die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hier nicht anzuwenden sei und der Kläger zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums nicht auf die Sozialhilfe verwiesen werden könne.
Im zweiten Verfahren habe sich das Gericht zudem unzureichend mit dem Ausbildungsförderungsrecht befasst. Auch habe es nicht geprüft, ob die Behörden, die von den Ausbildungsplänen der Iranerin wussten, diese über den drohenden Hartz-IV-Ausschluss informiert hatten. Ohne ausreichende Beratung komme eine Existenzsicherung im Wege der Amtshaftung in Betracht. fle/mwo
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