Die Bedingungen für eine volle Erwerbsminderungsrente sind klar. Ein Anspruch ist nur gegeben, wenn die Betroffenen die notwendigen Versicherungszeiten erfüllt haben und wenn sie nur noch weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten können. Umstritten sind hingegen oft die Bewertungen, ob dies im Einzelfall zutrifft.
Das Sozialgericht Hannover entschied zugunsten eines Betroffenen. Zwar würden dessen Einschränkungen grundsätzlich keine Erwerbsminderung bedeuten, doch sein psychischer Zustand machte es unmöglich, ihn in eine Beschäftigung auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt zu vermitteln. (S 64 R 858/12)
Weniger als sechs Stunden pro Tag leistungsfähig
Der Betroffene hatte eine Rehabilitationsmaßnahme hinter sich, und im Entlassungsbericht wurden qualitative Einschränkungen besonders des geistigen Leistungsvermögens genannt. Der Bericht stellte mit einem Leistungsvermögen von mehr als drei, aber weniger als sechs Stunden pro Tag eine teilweise Erwerbsminderung fest.
Konzentrationsschwäche und fehlende geistige Ausdauer
Der Betroffene beantragte bei der Rentenversicherung eine Erwerbsminderungsrente. Die Versicherung ließ ihn durch einen Nervenarzt begutachten. Der Betroffene äußerte diesem gegenüber Probleme bei der Konzentration und mangelhafte geistige Ausdauer. Der Gutachter hielt ihn für mehr als sechs Stunden pro Tag für leistungsfähig, allerdings bei qualitativen Einschränkungen. Auf dieser Grundlage lehnte die Versicherung eine Erwerbsminderungsrente ab. Der Betroffene legte Widerspruch ein, und die Rentenkasse wies den Widerspruch zurück.
Betroffener klagt wegen Erwerbsunfähigkeit
Der Betroffene klagte jetzt vor dem Sozialgericht Hannover. Er argumentierte, er sei erwerbsunfähig. Die Richter holten jetzt zwei zusätzliche Gutachten ein, eines von einer Psychiaterin und eines von einem Allgemeinmediziner. Das psychiatrische Gutachten kam grundsätzlich zu der Auffassung, dass leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit geringen geistigen Anforderungen mehr als sechs Stunden pro Tag möglich seien. Die geringen geistigen Anforderungen umfassten laut der Psychiaterin Konzentration, Aufmerksamkeit, Übersicht und Reaktion.
Das zweite Gutachten konzentrierte sich auf Berufskunde. Hier kam der Sachverständige zu dem klaren Ergebnis, dass auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt keine Tätigkeiten denkbar seien, die der Betroffene mit seinen Einschränkungen ausüben könnte.
Erwerbsarbeit grundsätzlich möglich
Die Richter führten aus: „dem Kläger (sind) noch Arbeiten im Knien, im Hocken oder verbunden mit Bücken möglich. Auch Überkopf- oder Überschulterarbeiten kann er noch ausüben. Vom Kläger können Lasten bis 10 Kilogramm getragen und gehoben werden. Tätigkeiten auf Gerüsten oder Leitern kann der Kläger nicht mehr verrichten.(…)
Die Arbeiten dürfen nicht unter extremen Temperaturschwankungen und lediglich unter Ausschluss von Nässe, Staub, Gas, Dampf, Rauch oder Schmutz ausgeübt werden. Arbeiten in Wechsel- oder Nachtschicht sind ebenso ausgeschlossen wie Arbeiten unter besonderem Zeitdruck oder Arbeiten mit häufigem Publikumsverkehr. Es bestehen keine Einschränkungen in der Gebrauchsfähigkeit der Hände oder der Feinmotorik.“
Diagnostiziert sei auch eine geringe Stresstoleranz. Arbeiten mit gehobener Verantwortung, Überwachung oder Steuerung seien nicht möglich.
Erwerbsarbeit zwar möglich, aber kein berufliches Leistungsvermögen auf dem Arbeitsmarkt
Die Richter kamen zu dem Schluss, dass der Betroffene zwar grundsätzlich in der Lage sei, einer Erwerbsarbeit von mehr als sechs Stunden täglich nachzugehen. Er sei aber nicht in der Lage, eine Arbeit von auch nur weniger als drei Stunden unter den Bedingungen des Allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. So hätte er kein „auf dem Arbeitsmarkt noch wettbewerbsfähig verwertbares berufliches Leistungsvermögen.“
Rente wegen voller Erwerbsminderung
Er hätte also Anspruch auf eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Befristet sei diese deshalb, da bei einer psychosomatisch orientierten Verhaltenstherapie eine Verbesserung seines Zustands möglich sei.