Ein Sozialgericht klärte die Frage: Ist rechtswidrig gezahltes oder überzahltes Arbeitsentgelt als Einkommen beim Bürgergeld anrechenbar? Der Fall betrifft eine alleinlebende Frau, die nach einer Kündigungsschutzklage weiteres Gehalt vom ehemaligen Arbeitgeber erhielt, das später allerdings wieder zurückgefordert wurde.
Die Tragik des Falles liegt darin, dass der betroffenen Frau der ihr zunächst vom Arbeitsgericht zugesprochene Lohn vom Landesarbeitsgericht wieder aberkannt wurde. Das Jobcenter beharrte jedoch auf der Anrechnung. Sie zog deshalb vor Gericht – ohne Erfolg.
Was aber war passiert?
Die Klägerin war seit 1991 bei einer Gewerkschaft beschäftigt, wurde jedoch zum 30. September 2018 gekündigt.
Ihre Kündigungsschutzklage hatte zunächst Erfolg, weshalb ihr Arbeitgeber die Gehaltszahlungen wieder aufnahm. Im Januar 2019 erhielt sie 9.457,17 € und im Februar und März 2019 jeweils 2.366,11 €.
Später hob das Landesarbeitsgericht (LAG) das Urteil auf und wies die Kündigungsschutzklage ab. Im November 2019 forderte der Arbeitgeber das gezahlte Arbeitsentgelt zurück.
Anrechnung beim Bürgergeld
Für die Zeit von Januar bis März 2019 hatte die Klägerin Anspruch auf Bürgergeld-Leistungen (damals Hartz IV) in Höhe von monatlich 1.060,91 €. Nach Mitteilung der Gehaltszahlungen hob das Jobcenter die Bewilligung der Leistungen rückwirkend auf und forderte die Erstattung der gezahlten 3.182,73 €.
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Gerichtsurteil
Das Sozialgericht Potsdam wies in der Vorinstanz bereits die Klage der Frau gegen die Rückforderung ab. Das Gericht begründete dies damit, dass die Klägerin im betreffenden Zeitraum bedarfsdeckendes Einkommen erhalten hatte.
Auch wenn das Arbeitsentgelt später als rechtswidrig gezahlt eingestuft wurde, war es zum Zeitpunkt des Zuflusses Einkommen. Eine Rückzahlungsverpflichtung bestand erst nach dem Zeitraum, weshalb das Arbeitsentgelt als Einkommen berücksichtigt wurde.
Entscheidung des Gerichts
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (AZ: L 18 AS 1178/23) bestätigte, dass das Arbeitsentgelt im Zuflussmonat als Einkommen angerechnet wird.
Entscheidend ist, dass die Rückzahlungsverpflichtung erst nach dem Zuflussmonat entstand. Daher musste die Klägerin die erhaltenen Leistungen zurückzahlen.
Abzahlen vom Regelsatz
Auch die vom Beklagten schriftlich bekanntgegebene Aufrechnungsentscheidung ab dem 1. Februar 2020 in Höhe von 10 % der monatlichen Regelleistung (also 43,20 € monatlich) ist rechtmäßig.
Das Jobcenter kann gegen Ansprüche auf Bürgergeld mit Erstattungsansprüchen aufrechnen (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB II). Diese Aufrechnung beträgt 10 % des maßgeblichen Regelbedarfs (§ 43 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Ausschlusstatbestände liegen nicht vor.
Der Beklagte hat sein Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt, wie aus den Bescheiden hervorgeht. Dabei wurden die Interessen der Klägerin und der Gemeinschaft der Steuerzahler abgewogen.
Dass kein Endzeitpunkt für die Aufrechnung festgelegt wurde, ist gesetzlich unbedenklich und entspricht verfassungsrechtlichen Vorgaben.
Fazit des Urteils
Das Urteil zeigt, dass auch rechtswidrig gezahltes Arbeitsentgelt zunächst als Einkommen bei der Berechnung des Bürgergelds berücksichtigt wird. Eine spätere Rückforderung durch den Arbeitgeber ändert daran nichts. Bürgergeldempfänger müssen erhaltene Einkommen im Zuflussmonat angeben und damit rechnen, dass diese auf ihre Leistungen angerechnet werden, selbst wenn sie das Geld später zurückzahlen müssen. (Hinweis Tacheles e.V.)
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