BSG: Hartz-IV-Freibeträge gelten auch für Motivationszuwendung

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Caritas-Zuwendung für Arbeitstherapie darf ein bisschen motivieren

Fördern freie Wohlfahrtsverbände für die Teilnahme an einer Arbeitstherapie Hartz-IV-Bezieher mit einer „Motivationszuwendung”, darf das Jobcenter diese Motivation nicht gänzlich wieder zunichtemachen. Den Arbeitslosen müssen zumindest die Erwerbstätigenpauschale in Höhe von 100 Euro sowie bei darüber hinausgehenden Einkünften 20 Prozent davon verbleiben, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am Freitag, 18. September 2020, bekanntgegebenen Urteil vom Vortag (Az.: B 4 AS 3/20 R).

Motivationszuwendung für Arbeitstherapie

Im konkreten Fall ging es um einen alkoholkranken, seelisch behinderten Mann, der seit 2005 Hartz-IV-Leistungen erhält. Eine anhaltende Arbeitsleistung kann der 58-Jährige suchtbedingt nicht erbringen. Der bayerische Caritasverband Neuburg-Schrobenhausen bot ihm daher eine Arbeitstherapie an, damit er wieder eine Tagesstruktur entwickeln konnte. Für die Teilnahme zahlte die Caritas ihm eine „Motivationszuwendung” in Höhe von fünf Euro pro Anwesenheitsstunde.

Wöchentlich durfte er an bis zu 14,99 Trainingsstunden teilnehmen. Monatlich erhielt er so im Streitzeitraum Februar bis September 2015 zwischen 127 und 295 Euro ausbezahlt.

Jobcenter berechnet Motivationszuwendung als Einkommen

Das Jobcenter Neuburg-Schrobenhausen minderte daraufhin in vorläufigen Bescheiden das Arbeitslosengeld II in Höhe der voll ausgezahlten Motivationszuwendung.

Zwar seien nach dem Sozialgesetzbuch II „Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege” grundsätzlich nicht als Einkommen anzurechnen, so das Jobcenter. Damit seien aber nur geringfügige Zuwendungen wie Kleider- oder Möbelspenden oder Lebensmittelgaben der Tafeln gemeint.

Sowohl der Caritasverband als auch der Kläger meinten, dass die „Motivationszuwendung” als Zuwendung von Wohlfahrtsverbänden nicht als Einkommen auf Hartz IV berücksichtigt werden dürfe.

Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in München urteilte am 21. März 2019, dass dem alkoholkranken Mann 200 Euro zuzüglich einer Versicherungspauschale und fünf Euro für seinen Riester-Vertrag verbleiben müsse (Az.: L 7 AS 114/16; JurAgentur-Meldung vom 15. November 2019). Es handele sich hier um eine Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege, die nicht als Einkommen berücksichtigt werden dürfe. Die Höhe des freizustellenden Betrages ergebe sich aus vergleichbaren Vorschriften bei Freiwilligendiensten. Deren Teilnehmer könnten ebenfalls bis zu 200 Euro monatlich als Taschengeld behalten.

Abfindung bei Kündigung

Das BSG hob das LSG-Urteil jedoch auf. Das Gericht ließ offen, ob es sich bei der Zahlung um eine Zuwendung oder um Einkommen handele. Es sei aber im Ergebnis nicht gerechtfertigt, dass Teilnehmer an einer Arbeitstherapie unbestimmter Dauer mit einem Freibetrag von 200 Euro besser gestellt werden, als Arbeitslose, die etwa einem Minijob nachgehen und dabei nur einen Freibetrag in Höhe von 100 Euro geltend machen können. Der Gesetzgeber schreibe hier eine „Gerechtigkeitsprüfung” vor.

Art, Wert, Umfang und Häufigkeit der Zuwendungen müssen einbezogen werden

Dabei müssten „Art, Wert, Umfang und Häufigkeit der Zuwendungen” einbezogen werden. Hier erhalte der erwerbsfähige Kläger mit der Anwesenheit in dem Zuverdienstprojekt über einen längeren Zeitraum Zuwendungen, die maßgeblich zur Bestreitung des Lebensunterhaltes beitragen. Es sei daher gerechtfertigt, dass die Caritas-Gelder die Hartz-IV-Leistungen mindern.

Dem Kläger müssten aber, ebenso wie bei Erwerbseinkommen, die monatliche Erwerbstätigenpauschale in Höhe von 100 Euro erhalten. Bei darüber hinausgehenden Beträgen stehe ihm 20 Prozent davon zu. Die Versicherungspauschale sei darin bereits enthalten. Diese Einkommensfreistellungen dienten ähnlichen Zwecken wie die vorliegenden Motivationszuwendungen.

Der Verweis des LSG auf eine höhere Freistellung des Taschengeldes von bis zu 200 Euro bei Freiwilligendiensten sei dagegen nicht durchgreifend, da es sich hier um andere Personengruppen handele, so das BSG. fle

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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