Bundessozialgericht: Nur das sollten angemessene Unterkunftskosten bei Hartz IV sein

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Bundessozialgericht konkretisiert „angemessene” Unterkunftskosten bei Hartz IV

Die Hartz-IV-Senate des Bundessozialgerichts (BSG) haben ihre Rechtsprechung zur Berechnung „angemessener” Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger bekräftigt und weiter konkretisiert. So dürfen die Jobcenter aus einer Mietpreis-Datenbank nicht nur den Durchschnitt als „angemessen” ansehen, wenn die Datenbank nur „einfache” Wohnungen oder nur wenige Stadtteile umfasst, wie der 4. BSG-Senat in einem am Freitag, 18. September 2020, bekanntgegebenen Urteil vom Vortag entschied (Az.: B 4 AS 22/20 R). Grundsätzlich zulässig ist es aber, wenn ein Jobcenter für ihre Berechnung nicht von den Bestandsmieten ausgeht, sondern von aktuellen Mietangeboten.

Häufiger Steit wegen Unterkunftskosten

Um die von den Jobcentern zu zahlenden „angemessenen” Mieten gibt es immer wieder Streit. Für die Berechnung der jeweils örtlichen Obergrenze fordert das BSG in ständiger Rechtsprechung ein „schlüssiges Konzept”. Auch Beraterfirmen bieten solche Konzepte an, die aber den rechtlichen Anforderungen häufig nicht genügen, wie die aktuellen BSG-Urteile zeigen.

Beim 4. BSG-Senat ging es um die von Beratern erstellten Konzepte der Jobcenter Duisburg und Gelsenkirchen. Beides sind sogenannte Angebotsmietenkonzepte. Anders als üblich gehen diese nicht von bestehenden Mietverträgen aus, sondern von den Preisen, zu denen Wohnungen aktuell angeboten werden. Vorteil ist, dass die Mietpreisentwicklung so automatisch mit berücksichtigt wird.

Hierzu urteilte nun das BSG, dass dies ein geeignetes Verfahren sein kann, „um ein wohnungsbezogenes Existenzminimum zu ermitteln, auch wenn keine Bestandsmieten erhoben werden”. Entscheidend sei, dass Hartz-IV-Empfänger zu der vom Jobcenter festgesetzten Angemessenheitsgrenze tatsächlich auch eine Wohnung bekommen können.

Üblich setzen Jobcenter den Durchschnitt oder den mittleren Wert (Median) aus ihrer Wohnungsdatenbank als noch „angemessen” fest. Zu den Betriebskosten der Wohnungen stellte das BSG im Gelsenkirchener Fall erneut klar, dass dies nicht immer zulässig ist. Durchschnitt oder Median reichten nur dann aus, wenn die Datenbank nahezu den gesamten Wohnungsmarkt abbildet.

Zu den Netto-Kaltmieten hatte dies auch schon früher der 14. BSG-Senat entschieden (siehe Urteil und JurAgentur-Meldung vom 23. August 2011, Az.: B 14 AS 91/10 R). In seiner jüngsten Sitzung am 3. September 2020 bekräftigte er dies nun in Fällen aus Berlin (Az.: B 14 AS 37/19 R und B 14 AS 40/19 R).

Sofern die Datenbank nur oder überwiegend Wohnungen einfachen Standards erfasst, etwa von den Wohnungsbaugesellschaften, oder sogar nur die Miet- und Betriebskosten der örtlichen Hartz-IV-Bezieher, führe dies zu einem unzulässigen Zirkelschluss und einer Abwärtsspirale der „angemessenen” Wohnungen. Ausreißer ausgenommen sei dann daher „auf die obere Kostengrenze dieses Segments abzustellen”, urteilte das BSG nun im Gelsenkirchener Fall.

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Durchschnitt von billig ist zu wenig

Auch beim Jobcenter Duisburg seien „wesentliche Faktoren, wie zum Beispiel der Wohnungsstandard” nicht berücksichtigt worden (Az.: B 4 AS 11/20 R). Zudem forderte das BSG, dass die zugrundeliegende Datenbank nicht nur wenige Stadtteile erfassen darf. Die Jobcenter dürften die „Segregation des Wohnungsmarkts”, also die in den meisten größeren Städten wohl ohnehin schon gegebene Konzentration der Hartz-IV-Empfänger auf bestimmte Quartiere, nicht weiter verschärfen.

Ähnlich hatte der 14. BSG-Senat am 3. September 2020 zum Konzept des Jobcenters Hof Stadt die fehlende „Repräsentativität der Daten im Hinblick auf das Verhältnis von Groß- zu Kleinvermietern” gerügt (Az.: B 14 AS 34/19 R).

Sozialgerichte dürften „kein eigenes schlüssiges Konzept aufstellen

Beide betonten Senate zudem, „dass die Methodenauswahl dem Jobcenter obliegt und es nicht Aufgabe des Gerichts ist, ein unschlüssiges Konzept mit sachverständiger Hilfe schlüssig zu machen”. Die Sozialgerichte dürften „kein eigenes schlüssiges Konzept aufstellen”. Wenn ein Jobcenter kein schlüssiges Konzept vorlegen kann, das den rechtlichen Anforderungen genügt, können sich danach die Gerichte an Mietspiegeln orientieren oder hilfsweise an der Wohngeldtabelle mit einem Aufschlag von zehn Prozent. mwo