Vorsorgeuntersuchungen zur gesetzlichen Pflicht machen. Herrschende Politik bietet keine Perspektive
Anlässlich des Bekanntwerdens eines erneuten Falles von Kindesvernachlässigung in Berliner Familien erklärt das Mitglied des
Landesvorstandes der WASG Berlin, Michael Prütz:
Wie gestern bekannt wurde, entdeckten tags zuvor Reinickendorfer Polizeibeamte im Einsatz erneut einen Fall schwerer Kindesvernachlässigung – sechs Kinder und Jugendliche zwischen zwei und siebzehn Jahren gemeinsam mit ihrer Mutter, drei Kampfhunden und zwei Katzen in einer völlig verwahrlosten Wohnung.
Die sich häufenden Fälle des Bekanntwerdens von Kindesvernachlässigung in Berliner Familien werden von den Medien und der Öffentlichkeit zu Recht mit höchstem Interesse wahrgenommen und verfolgt, denn sie verdeutlichen eine äußerst ernstzunehmende Entwicklung, bei der die Dunkelziffer die bekannt werdenden Fälle um ein Vielfaches übersteigt.
Die Gründe für diese Entwicklung sind bekannt: Es handelt sich in den meisten Fällen um Kinder und Jugendliche, deren erwachsene Bezugspersonen selbst gesellschaftlich vernachlässigt sind, weil die herrschende Politik ihnen keine Perspektive bieten kann. Andauernde Arbeitslosigkeit und damit zusammenhängende soziale Ausgrenzung bestimmen in den meisten Fällen das Leben der Betroffenen. Die staatlichen Mittel für öffentliche Hilfe-, Betreuungs- und Präventionsangebote werden zusehends gekürzt oder ganz
gestrichen und die zuständigen Jugend- und Sozialämter sind außerstande, diese Entwicklung einzudämmen – es fehlt an entsprechender Personalausstattung und gesetzlichen Regelungen, die eine nachhaltige Hilfe für die Betroffenen ermöglichen.
In dieser Situation kommt den kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen U1 bis U9 in den ersten fünf Lebensjahren als auch der kinderärztlichen Jugenduntersuchung im Alter von ungefähr dreizehn Jahren wachsende Bedeutung zu, denn nur sie bieten die Möglichkeit, Kinder und Jugendliche regelmäßig in ihrer Entwicklung einschätzen und beurteilen zu können. Der Senat von Berlin muss die Wahrnehmung dieser Vorsorgeuntersuchungen deshalb endlich zur gesetzlichen Pflicht machen. (WASG Berlin, 26.01.07)
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