Darf man dem Jobcenter die Kontoauszüge verweigern?

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Wer Bürgergeld beantragt oder bezieht, wird meist aufgefordert, Kontoauszüge vorzulegen. Jobcenter sind dabei in der gesetzlichen Pflicht um Einkommen, Vermögen und Bedarfe zu überprüfen.

Allerdings schießen die Ämter dabei oftmals über das Ziel hinaus. Die Frage lautet daher weniger „ob“, sondern „in welchem Umfang“ Kontoauszüge verlangt werden dürfen – und welche Rechte Betroffene beim Datenschutz haben.

Rechtliche Grundlage: Mitwirkungspflichten und Sozialdatenschutz

Zunächst: Die Pflicht, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken, ist im Sozialrecht verankert. Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, muss erhebliche Tatsachen angeben und auf Verlangen Belege vorlegen; dazu können Kontoauszüge gehören. Rechtsgrundlage ist § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB I.

Verweigert man rechtmäßige Mitwirkung, darf die Behörde Bürgergeld-Leistungen versagen oder entziehen – aber erst nach schriftlichem Hinweis und Fristsetzung (§ 66 SGB I). Parallel gilt das Sozialdatenschutzrecht: Sozialdaten dürfen nur erhoben werden, soweit dies zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist (§ 67a SGB X). Diese Balance aus Mitwirkung und Datensparsamkeit bildet den rechtlichen Rahmen.

Wie viele Monate sind zulässig?

Die Rechtsprechung hat früh klargestellt: Das Jobcenter darf routinemäßig die Vorlage der Kontoauszüge verlangen, ohne dass ein Missbrauchsverdacht nötig ist. Das Bundessozialgericht hat die Anforderung als zulässig bestätigt; als Maß der Dinge gilt regelmäßig ein Zeitraum von drei Monaten.

Auch die „Fachlichen Weisungen“ der Bundesagentur für Arbeit zu § 37 SGB II nennen ausdrücklich: „Regelmäßig sind Kontoauszüge für die letzten drei Monate für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft vorzulegen.“ Abweichungen – kürzer oder länger – sind nur im begründeten Einzelfall möglich, etwa bei konkreten Unklarheiten.

Dürfen sechs Monate verlangt werden?

Pauschale Forderungen über drei Monate hinaus sind rechtlich heikel. Datenschutzaufsichtsbehörden betonen, dass eine längere Prüfung nur ausnahmsweise erforderlich ist und zu begründen wäre.

Die Bundesagentur selbst hält in ihren Weisungen fest, dass vom Dreimonatsrahmen im Einzelfall abgewichen werden kann – also auch verlängert –, wenn es dafür belastbare Gründe gibt. Entscheidend bleibt die Verhältnismäßigkeit im konkreten Fall.

Was darf geschwärzt werden – und was nicht?

Die Einnahmenseite muss erkennbar bleiben. Gutschriften, Zuflüsse und Salden dürfen nicht unkenntlich gemacht werden, weil sie unmittelbar leistungsrelevant sind.

Auf der Ausgabenseite besteht dagegen ein begrenztes Recht auf Schwärzung, vor allem wenn Buchungstexte besonders geschützte Daten offenbaren würden, zum Beispiel zu politischer oder gewerkschaftlicher Betätigung, Religion oder Gesundheit.

In solchen Fällen können Empfängernamen oder Verwendungszwecke verdeckt werden; Beträge, Daten und der Zahlungsfluss als solcher müssen sichtbar bleiben. Datenschutzbehörden und Jobcenter-Merkblätter heben diese Differenzierung ausdrücklich hervor.

Kopien, elektronische Akte und Aufbewahrung

Zur Nachweisführung darf das Jobcenter Kontoauszüge nicht nur einsehen, sondern auch kopieren bzw. scannen und zur elektronischen Akte nehmen, sofern dies erforderlich ist.

Der Landesdatenschutz Niedersachsen hält das ausdrücklich für zulässig. Zugleich gilt das Prinzip der Datenminimierung: Nur das speichern, was für die Aufgabe nötig ist.

Das Bundessozialgericht hat 2020 entschieden, dass Kontoauszüge mit Angaben zu Zahlungseingängen bis zu zehn Jahre nach Bekanntgabe der Bewilligung in Kopie aufbewahrt werden dürfen; sensible, nicht leistungsrelevante Ausgabeninformationen müssen dabei geschwärzt werden können.

Darf man die Vorlage verweigern?

Eine pauschale Verweigerung ist regelmäßig nicht möglich. Kontoauszüge sind ein typisches und geeignetes Beweismittel, um Hilfebedürftigkeit, Einkommen und Kosten der Unterkunft zu prüfen.

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Wer sich ohne tragfähigen Grund weigert, riskiert eine Versagung oder Entziehung der Leistung nach § 66 SGB I – allerdings erst nach schriftlicher Belehrung und Fristsetzung. Die Rechtsprechung sieht die Anforderung der letzten drei Monate als grundsätzlich verhältnismäßig an.

Grenzen der Mitwirkung: Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit

Mitwirkungspflichten sind nicht grenzenlos. § 65 SGB I setzt Schranken, etwa wenn eine Anforderung in keinem angemessenen Verhältnis zur Leistung steht oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund unzumutbar ist.

In der Praxis bedeutet das: Unbestimmte oder überzogene Forderungen, die sich ohne großen Aufwand auch anders belegen ließen, können zurückgewiesen werden. Greifen diese Grenzen, dürfen Rechtsfolgen nach § 66 SGB I nicht eintreten.

Praktischer Umgang: Rechtssicher vorlegen, Privates schützen

Wer aufgefordert wird, sollte vollständige, gut lesbare Kontoauszüge im geforderten Zeitraum bereitstellen – möglichst als Kopie oder PDF. Persönlich oder schriftlich kann man zugleich auf das Recht zur Schwärzung nicht leistungsrelevanter, besonders sensibler Ausgabentexte hinweisen und dies transparent kenntlich machen.

Falls das Jobcenter mehr als drei Monate verlangt, lohnt die höfliche Nachfrage nach der Begründung; liegt ein konkreter Anlass vor, ist eine erweiterte Vorlage zulässig. Bleibt eine Anforderung unklar oder unverhältnismäßig, kann man auf § 65 SGB I verweisen und um Präzisierung bitten. Diese Vorgehensweise verbindet Mitwirkung mit wirksamem Datenschutz.

Wie haben die Gerichte entschienden (Auswahl an Urteilen)

Bundessozialgericht, Urteil vom 19. September 2008 – B 14 AS 45/07 R
Das Bundessozialgericht hat klargestellt, dass Jobcenter zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit die Vorlage von Kontoauszügen verlangen dürfen – regelmäßig für drei Monate. Zugleich wurde betont, dass auf der Ausgabenseite besonders sensible Angaben (etwa Religion, Gesundheit, Gewerkschaft) geschwärzt werden dürfen, solange Zahlungsflüsse, Beträge und Zeiträume erkennbar bleiben. Diese Leitlinien prägen bis heute die Praxis.

Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 10/08 R
Ein Jahr später stellte das BSG ausdrücklich fest, dass die Vorlagepflicht nicht nur beim Erstantrag, sondern auch bei Weiterbewilligungen gilt – und zwar ohne dass ein konkreter Missbrauchsverdacht vorliegen muss. Der Drei-Monats-Zeitraum gilt als Regelfall; länger nur, wenn der Einzelfall dies rechtfertigt.

Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Mai 2020 – B 14 AS 7/19 R
Mit Blick auf die elektronische Akte entschied das BSG, dass Kontoauszüge mit Angaben zu Gutschriften in Kopie bis zu zehn Jahre nach Bekanntgabe der Bewilligung aufbewahrt werden dürfen. Maßstab ist die DSGVO: Eine Löschung kommt nur in Betracht, wenn die Verarbeitung von Anfang an unbefugt war oder die Speicherbefugnis später entfällt. Gleichzeitig bleibt das Recht auf Schwärzung nicht leistungsrelevanter, besonders sensibler Ausgabentexte bestehen.

LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Dezember 2009 – L 20 B 104/09 SO ER
In einem Sozialhilfe-Verfahren hielt das Gericht die Vorlage von sechs Monaten Kontoauszügen für rechtmäßig. Der Beschluss wird vielfach als Beleg dafür herangezogen, dass über drei Monate hinausgehende Anforderungen zulässig sein können – allerdings nur ausnahmsweise und mit tragfähiger Begründung.

LSG Bayern, Beschluss vom 21. Mai 2014 – L 7 AS 347/14 B ER
Zur Speicherung entschied das LSG, dass das Aufbewahren von Kontoauszügen (im Original oder als Kopie) in der Verwaltungsakte eine zulässige Datenverarbeitung ist, weil eine bloße „kurze Einsichtnahme“ den Prüfaufgaben nicht genügt. Diese Linie wurde später durch das BSG 2020 gestützt.

LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. August 2022 – L 5 AS 463/22 B ER
Bei Selbständigen reicht der Hinweis auf vertragliche Verschwiegenheit gegenüber Kunden nicht aus, um ungeschwärzte Kontoauszüge grundsätzlich zu verweigern. Die Pflicht zur Mitwirkung geht vor; besondere Kategorien personenbezogener Daten bleiben gleichwohl schwärzbar.

LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. April 2022 – L 7 AS 1746/21 B ER
Das Gericht beanstandete nicht, dass ein Jobcenter im Einzelfall Kontoauszüge für sechs Monate angefordert hatte. Entscheidend sei, ob die Ausdehnung über den Dreimonatsrahmen konkret begründet und verhältnismäßig ist.

SG München, Beschluss vom 28. August 2023 – S 46 SO 274/23 ER
Auch in der Sozialhilfe bestätigte das Gericht die Praxis, vierteljährlich Kontoauszüge für drei Monate zu verlangen. Es verwies hierzu explizit auf die BSG-Rechtsprechung von 2009 und 2020.

Fazit

Zusammengenommen zeigen die Entscheidungen eine Richtung: Drei Monate gelten als Regel; längere Zeiträume sind die begründete Ausnahme. Einnahmen müssen erkennbar bleiben; auf der Ausgabenseite sind Schwärzungen besonders sensibler Informationen zulässig. Die Speicherung in der E-Akte ist erlaubt, soweit sie für die gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist – bei Gutschriften sogar bis zu zehn Jahre.