Höhe der Abfindung wenn der Arbeitgeber eine Freistellung erteilt

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Kommt die Initiative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber – etwa durch das Anbieten eines Aufhebungsvertrags oder die klare Ansage, man möge doch selbst „nachdenken“ – verändert sich das Kräfteverhältnis.

Beschäftigte haben nämlich weiterhin einen gültigen Arbeitsvertrag, sind zur Arbeitsleistung bereit und beziehen Gehalt. “Der Arbeitgeber hingegen möchte seine Leistungspflicht beenden.

“Diese Asymmetrie ist Inhalt  jeder Abfindungsverhandlung – und sie darf nicht verwischt werden, indem Beschäftigte die Verantwortung für die Trennung übernehmen”, sagt der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Christian Lange aus Hannover.

In vielen Fällen spricht der Arbeitgeber parallel eine Freistellung aus: „Kommen Sie nicht mehr, bleiben Sie zu Hause.“

“Genau hier beginnt das Spiel, die in der Praxis häufig zu höheren Abfindungen führt – sofern Betroffene keine entscheidenden Fehler begehen”, bestätigt Lange.

Warum Freistellungen den Druck auf den Arbeitgeber erhöhen

Eine Freistellung ist nicht nur ein organisatorischer Schritt, sie hat eine Symbolwirkung nach innen: Die Belegschaft registriert, dass jemand „weg“ ist.

Für die Unternehmensseite ist es reputations- und konfliktträchtig, wenn freigestellte Personen später sichtbar an den Arbeitsplatz zurückkehren – etwa nach einer erfolgreichen Auseinandersetzung. “Dies möchte die Arbeitgeberseite in der Regel vermeiden”, sagt der Anwalt.

Zugleich entstehen Kosten ohne Gegenleistung. Die Personalabteilung muss erklären, warum Gehalt fließt, obwohl keine Arbeit erbracht wird. Solange jemand noch im Büro sitzt, lässt sich das nach außen relativieren. Sitzt die Person zu Hause, ist der Missstand offensichtlich.

Das erhöht den Verhandlungsdruck: “Jede weitere Monatspauschale ohne Arbeitsleistung ist ein stilles Argument zugunsten einer zeitnahen, finanziell befriedenden Einigung.”

Risikominimierung für Beschäftigte: Keine „Anlassfehler“, keine Fallen

Wer freigestellt ist, kann im Betrieb keine Fehler machen, die später als Kündigungsgründe konstruiert werden. Abmahnanlässe, Missverständnisse, eskalierende Situationen im Team – all das entfällt. In dieser Hinsicht wirkt die Freistellung wie ein Schutzschirm. Das senkt die rechtlichen Risiken und stabilisiert die Verhandlungsposition: “Je störungsärmer die Zeit bis zur Einigung verläuft, desto schwerer fällt es dem Arbeitgeber, Druckmittel zu erfinden”, sagt Lange.

Entfremdung als Katalysator der Trennung

Mit der Distanz wächst die faktische Trennung. Beziehungen kühlen ab, Routinen brechen weg, die Rückkehrschwelle steigt. In der Konsequenz wird die finale Einigung – häufig gegen Zahlung einer Abfindung – wahrscheinlicher.

Die Freistellung wirkt damit wie ein „Trennungsjahr“ im Kleinen: Sie zementiert das Auseinandergehen und erzeugt Handlungsdruck auf der Arbeitgeberseite, den Prozess zu Ende zu führen.

Die Kehrseite: Nervosität und soziale Effekte

Freistellungen haben einen emotionalen Effekt. Viele Betroffene empfinden inneren Druck, Unsicherheit und den Verlust sozialer Einbindung.

Kolleginnen und Kollegen reagieren mit Abstand; im privaten Umfeld entstehen Fragen. Diese Effekte sind real, aber verhandlungsfremd. Entscheidend ist, die Perspektive zu bewahren: Es geht nicht um Sympathien oder „Schuldfragen“, sondern um die wirtschaftliche Bewertung des Kündigungsschutzes.

Wer die Phase aktiv nutzt – zur Information über Rechte, zur beruflichen Neuorientierung oder persönlichen Stärkung – reduziert Nervosität und gewinnt Handlungsfähigkeit zurück. Das mentale Management dieser Übergangszeit ist Teil einer guten Verhandlungsstrategie.

Der Kardinalfehler: Freistellung ohne schriftliche Bestätigung

Der einzige sachliche Fehltritt mit potenziell gravierenden Folgen ist die rein mündliche Freistellung. Ohne zumindest eine Bestätigung per E-Mail bleibt unklar, ob und wie lange die Freistellung gilt. “Das öffnet Interpretationsspielräume bis hin zu dem Vorwurf, man sei unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben”, warnt Lange.

Liegt nämlich keine schriftliche Bestätigung vor, verhalten Sie sich wie eine normale Arbeitnehmerin bzw. ein normaler Arbeitnehmer. Erscheinen Sie zur Arbeit, bieten Sie Ihre Leistung an und dokumentieren Sie das. Wird Ihnen vor Ort erneut mitgeteilt, Sie seien freigestellt, verlangen Sie eine schriftliche Bestätigung und gehen erst dann. Diese Klarheit schützt vor Missverständnissen und sichert die Vergütungsansprüche ab.

Alltagstaktik während der Freistellung: Professionell, gelassen, dokumentiert

Sobald die Freistellung schriftlich fixiert ist, vermeidet sie Risiken und stärkt die Verhandlungsposition. Bis dahin gilt: Präsenz anbieten, Kommunikation sachlich halten, keine Übererfüllung schulden. Rechtlich ist Leistung „mittlerer Art und Güte“ geschuldet – keine Höchstleistung, keine demonstrative Verweigerung.

“Wer nüchtern bleibt und Vorgänge knapp dokumentiert, behält die Deutungshoheit, falls es später auf Details ankommt”, rate der Rechtsanwalt.

Auswirkungen auf die Abfindungshöhe und die Verhandlungen

Die Abfindung ist der Preis für die einvernehmliche Beendigung eines rechtlich geschützten Arbeitsverhältnisses. Eine Freistellung verändert die Kalkulation auf Arbeitgeberseite in mehrfacher Hinsicht: Sie verteuert das Abwarten, weil laufende Gehälter ohne Gegenleistung anfallen; sie erhöht das Reputationsrisiko einer Rückkehr; sie reduziert die Chance, drucksteigernde Vorfälle im Betrieb zu generieren.

“Für Beschäftigte bedeutet das in der Praxis oft bessere Ausgangswerte bei Frist, Faktor und Nebenpunkten – vom Zeugnis bis zu Freistellungsumfang, Boni, Variablem oder Resturlaub. Voraussetzung bleibt allerdings ein konsistentes Auftreten: keine widersprüchlichen Signale, kein vorschnelles Einlenken, klare Forderungen, und eine belastbare Faktenbasis zu Vergütung, Betriebszugehörigkeit und Vertragsdetails”, der der Rat des Arbeitsrechtlers.

Fokus auf das Ziel richten

Wer die Trennung emotional verhandelt, zahlt häufig drauf. Es geht nicht um moralische Abrechnungen, sondern um eine sachliche Einigung. Hilfreich ist ein innerer Perspektivwechsel: Der Kündigungsschutz ist ein Schutzrecht mit Marktwert.

Dieser Wert wird „so teuer wie möglich“ verkauft – nicht trotzig, sondern professionell. Informationen sammeln, professionelle Beratung nutzen, Optionen ruhig durchrechnen: So entsteht die Stabilität, die Arbeitgeber auf der Gegenseite wahrnehmen und typischerweise mit besseren Angeboten beantworten.

Und wie hoch ist die Abfindung?

Zur Abfindungshöhe gilt: Einen gesetzlichen Anspruch gibt es in der Regel nicht, in der Praxis dient jedoch häufig die „Regelabfindung“ von etwa 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr als Ausgangswert, von dem nach oben oder unten abgewichen wird. Ausschlaggebend sind das Prozessrisiko des Arbeitgebers (etwa formale Schwächen der Kündigung, besonderer Kündigungsschutz, Fehler bei der Anhörung), die Restlaufzeit und Kosten der Beschäftigung einschließlich einer bezahlten Freistellung, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sowie das Reputations- und Rückkehrrisiko.

In die Bemessungsgrundlage gehören regelmäßig alle vergütungsrelevanten Bestandteile wie Fixgehalt, variable Zahlungen und Zulagen – realistisch abgebildet über einen Durchschnittszeitraum. Den Gesamtwert des Pakets beeinflussen zudem Nebenpunkte wie Zeugnisnote, Bonus- und Provisionsabgeltung, Resturlaub, Freistellungsgestaltung, Outplacement oder ein Wettbewerbsverbot mit Karenzentschädigung.

Steuerlich entscheidet die Progression über den Nettoeffekt; die Fünftelregelung kann – wenn die Voraussetzungen vorliegen – zu einer Entlastung führen, sodass Zeitpunkt und Modalität der Auszahlung (Einmalzahlung vs. Staffel) strategisch mitbedacht werden sollten.

“Freistellungen erhöhen dabei oft den Einigungsdruck und können, richtig genutzt, die Verhandlungsmasse für eine höhere Abfindung vergrößern”, sagt Lange.

Fazit: Freistellung als Chance – mit einer Bedingung

Richtig gehandhabt, ist die Freistellung kein Nachteil, sondern ein Hebel. Sie erhöht den ökonomischen und reputativen Druck auf den Arbeitgeber, senkt Risiken für Beschäftigte und beschleunigt die Einigung. Der Preis für diesen Vorteil ist gering, aber zwingend: eine schriftliche Bestätigung. Wer sie konsequent einfordert und bis dahin normal arbeitet, vermeidet den einzigen relevanten Stolperstein.

Alles Weitere ist Handwerk: nüchtern bleiben, Rechte kennen, Kommunikation dokumentieren und strategisch denken. So wird aus „Gehen Sie nach Hause“ ein Argument, das am Ende in einer substanziellen Abfindung und einer sauberen Trennung mündet.