Vertreibung aus den 4 Wänden mit Hartz IV

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Niemand treibt mehr Menschen aus ihren vier Wänden als Hartz IV

Laut einem Bericht der "welt.de" vom 4. März waren im Jahr 2007 bei 8000 ALG II Empfängern in Berlin die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch, in 6000 Fällen konnten diese gesenkt werden, es gab aber dazu nur 680 Umzüge! Laut einer erst kürzlich erfolgten Auskunft der Bundesagentur für Arbeit, lässt die ALG II Verwaltungssoftware A2LL derartige statistische Erhebungen aber gar nicht zu. Wie wurden die Berliner Zahlen dann ermittelt? Und wurde sie vielleicht aus politischen Gründen schön gerechnet, wie es heutzutage Mode ist? Mussten nicht vielleicht tatsächlich viel mehr Menschen ihre Unterkunft wechseln und in billigere Wohnungen ziehen?

Und wenn sie stimmen, dann stellt sich die Frage: wenn nur 680 Betroffene ihre Kosten durch Umzug gesenkt haben, was passierte, wenn nur in 2000 Fällen die Kosten weiterhin ungekürzt als Härtefälle übernommen wurden, in den restlichen 5320 Fällen?

Nun, das ist leicht beantwortet: da Vermieter bekanntermaßen ihre Miete nicht senken, und unabhängig davon die meisten Kosten der Unterkunft nachgewiesenermaßen wegen des massiven Anstieges der Energiekosten und der damit ebenso massiv gestiegenen Neben- und Heizkosten unangemessen wurden, mussten diese 5320 ALG II Bezieher den unangemessenen Teil ihrer Unterkunftskosten aus dem Regelsatz zahlen.

Das ist zwar rechtswidrig, interessiert aber den Gesetzgeber nicht, der mit der Abschaffung der Genehmigungspflicht von Energiepreiserhöhungen der diesbezüglichen Preistreiberei erst Tür und Tor geöffnet hat. Auch das hinter diesen Zahlen 8000 Einzelschicksale stehen, 8000 mal Angst: was wird, wie soll man die nächste Miete zahlen, findet sich überhaupt eine angemessene Wohnung, muss man vielleicht in eine vergammelte Bruchbude ziehen, weil alles andere dem Amt zu teuer ist, wie soll man die Kaution aufbringen, uvm., von dem Spießrutenlauf bei Vermietern, die Arbeitslose erst gar nicht anhören, oder aber vollkommen realitätsfremde Forderungen wie: "Erst lassen sie sich die Wohnung vom Amt genehmigen. Mit der Genehmigung kommen sie wieder und erst dann können sie die Wohnung besichtigen. Vorher mache ich mir nicht die Arbeit." stellen, ganz zu schweigen.

In Deutschland sind über 5,2 Millionen Erwerbsfähige auf Hartz IV angewiesen. Sollten die Berliner Zahlen repräsentativ sein, wären das Bundesweit ca. 190.000 Fälle von unangemessenen Kosten der Unterkunft, aber nur 16.150 daraus resultierende Zwangsumzüge. Der Rest der Betroffenen, immerhin 173.850 ALG II Bezieher, müssen den unangemessenen Teil ihrer Unterkunftskosten rechtswidrig aus dem Regelsatz zahlen.

190.000 Einzelschicksale!

Aber auf genaue Zahlen werden wir wohl verzichten müssen, da diese entweder aus technischen oder politischen Gründen nicht genannt werden können. Und treffen kann es jeden: nicht nur die 2,45 Millionen arbeitslosen ALG II Bezieher, sondern auch die 2,75 Millionen, die ergänzendes ALG II erhalten, weil sie mit Billiglöhnen ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können, oder nur Teilzeitarbeitsplätze finden. Das heißt auch, das Amt kann Vollzeit arbeitende Eltern zwingen, ihre Wohnung aufzugeben, weil sie wegen der Kinder bedürftig sind – und tut es auch. Wieder ein schönes Beispiel deutscher Familienpolitik.

Die Bundesregierung stöhnt jedenfalls weiterhin unter der Kostenlast der Unterkunftskosten für ALG II Bezieher, die es sich in weiten Teilen (Stichwort: Energiepreiserhöhungen) selbst zuzuschreiben hat. Somit bleibt nur festzustellen: niemand treibt mehr Menschen aus ihren vier Wänden als Hartz IV. (11.03.2008)

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