Viele Paare kennen die Hinterbliebenenrente โ aber kaum jemand das Rentensplitting. Dabei kann die Aufteilung der in der Ehezeit erworbenen Entgeltpunkte ein strategisches Instrument sein: Sie schafft zwei eigenstรคndige Renten โ und kann sich vor allem dann lohnen, wenn die spรคtere Witwen-/Witwerrente wegen Einkommen gekรผrzt wรผrde oder bei Wiederheirat wegfรคllt.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Rentensplitting โ und was passiert genau?
Beim Rentensplitting werden nur die wรคhrend der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften (Entgeltpunkte) gleichmรครig auf beide Partner verteilt. Der Partner mit den hรถheren Anwartschaften gibt die Hรคlfte des Unterschieds an den anderen ab.
Ergebnis: Beide stehen so da, als hรคtten sie wรคhrend der Ehe identische Punkte gesammelt. Wichtig: Wer sich fรผr das Splitting entscheidet, hat spรคter keinen Anspruch mehr auf Witwen-/Witwerrente โ die Entscheidung ist verbindlich.
Wer darf das โ und ab wann?
Zulรคssig ist das Rentensplitting fรผr Ehegatten und eingetragene Lebenspartner, wenn
- die Ehe nach dem 31.12.2001 geschlossen wurde oder
- die Ehe bereits am 31.12.2001 bestand und beide Partner nach dem 1.1.1962 geboren sind.
Zusรคtzlich mรผssen beide Partner jeweils mindestens 25 Jahre rentenrechtliche Zeiten (z. B. Beitragszeiten, Kindererziehungszeiten) im Versicherungskonto haben. Die gemeinsame Erklรคrung ist frรผhestens sechs Monate vor Erreichen der Regelaltersgrenze des jรผngeren Partners mรถglich.
Verstirbt ein Partner, kann der Hinterbliebene innerhalb von 12 Monaten noch allein das Splitting wรคhlen โ dann statt einer Witwen-/Witwerrente.
Splitting oder Witwenrente โ der zentrale Unterschied
Rentensplitting: Teilt nur die Ehezeit-Ansprรผche; beide bekommen dauerhaft eigene (unabhรคngige) Renten. Diese bleiben auch bei Wiederheirat bestehen.
Witwen-/Witwerrente: Bemisst sich am gesamten Versicherungsverlauf des Verstorbenen (55 % โgroรeโ Witwen-/Witwerrente; 60 % nach โaltem Rechtโ) โ wird aber auf eigenes Einkommen angerechnet (40 % vom Netto oberhalb Freibetrag) und endet bei Wiederheirat gegen Abfindung.
Schnellvergleich
| Aspekt | Kurzvergleich (RS = Rentensplitting, WR = Witwen-/Witwerrente) |
| Grundlage | RS: Entgeltpunkte nur aus der Ehezeit. WR: Bemisst sich an der gesamten Rente des Verstorbenen. |
| Entscheidung | RS: Einmalig und verbindlich zu erklรคren. WR: Kein aktiver Verzicht nรถtig. |
| Anrechnung Einkommen | RS: Keine Anrechnung. WR: 40 % des Netto รผber Freibetrag (ab 1.7.2025: 1.076,86 โฌ, + 228,42 โฌ je waisenrentenberechtigtem Kind). |
| Wirkung bei Wiederheirat | RS: Bleibt unverรคndert bestehen. WR: Entfรคllt; Abfindung mรถglich. |
| Typischer Nutzen | RS: Stรคrkt die eigene Rente bei ungleichen Erwerbsbiografien. WR: Oft hรถher, wenn der Verstorbene sehr viele Entgeltpunkte hatte und das eigene Einkommen gering ist. |
Fรผr wen lohnt sich Splitting?
Tendenziell lohnt sich das Rentensplitting vor allem dann, wenn der geringer verdienende Partner deutlich weniger Entgeltpunkte gesammelt hat und ohne Splitting nur eine niedrige eigene Rente zu erwarten wรคre.
Zusรคtzlich spricht vieles dafรผr, wenn eigene Einkรผnfte โ etwa aus einer eigenen Rente, Erwerbstรคtigkeit oder Vermietung โ die spรคtere Witwen-/Witwerrente voraussichtlich spรผrbar kรผrzen wรผrden. Auch bei absehbarer oder zumindest denkbarer Wiederheirat ist das Splitting attraktiv, weil die Hinterbliebenenrente in diesem Fall wegfiele, die eigenstรคndige โ durch Splitting gestรคrkte โ Rente aber bestehen bleibt.
Nicht zuletzt kann das Verfahren helfen, fehlende Wartezeiten fรผr die eigene Altersrente oder eine Erziehungsrente zu erfรผllen und damit รผberhaupt erst einen Rentenanspruch zu sichern.
Fรผr wen lohnt sich Splitting nicht?
Eher ungรผnstig ist das Rentensplitting, wenn der verstorbene oder voraussichtlich zuerst versterbende Partner auรergewรถhnlich viele Entgeltpunkte aufgebaut hat und das eigene Einkommen niedrig ist โ in solchen Fรคllen fรคllt die groรe Witwen-/Witwerrente meist deutlich hรถher aus als der Zugewinn durch das Splitting.
Ebenso lohnt es selten, wenn beide Partner wรคhrend der Ehezeit in etwa gleich viele Punkte gesammelt haben, weil dann kaum Umverteilung stattfindet. Und schlieรlich scheidet das Splitting aus, wenn die erforderlichen 25 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten nicht erreicht werden.
Rechenbeispiele aus der Praxis
Beispiel 1: Klassisches Einverdiener-Modell โ Splitting bringt Unabhรคngigkeit
Ehezeit 20 Jahre. In dieser Zeit sammelt A 30, B 10 Entgeltpunkte. Differenz 20, davon Hรคlfte = 10 gehen von A zu B. Ergebnis: Beide haben aus der Ehezeit je 20 Punkte.
Angenommen, auรerhalb der Ehezeit hat A weitere 15, B weitere 5 Punkte.
Ohne Splitting: A 45 EP, B 15 EP.
Mit Splitting: A 35 EP, B 25 EP.
Bei aktuellem Rentenwert 40,79 โฌ (bundeseinheitlich seit 1.7.2025) ergibt das brutto etwa:
Ohne Splitting: A โ 1.835 โฌ, B โ 612 โฌ
Mit Splitting: A โ 1.427 โฌ, B โ 1.020 โฌ
Das Paareinkommen bleibt รคhnlich, aber B gewinnt dauerhafte Eigenstรคndigkeit โ und verliert keine Rente bei Wiederheirat, weil es keine Hinterbliebenenrente benรถtigt.
Beispiel 2: Hohe eigene Rente โ Witwenrente wird spรคter gekรผrzt
C hรคtte (ohne Splitting) eine eigene Altersrente von 1.400 โฌ brutto; D stirbt und hinterlรคsst (gedacht) eine Rente von 2.200 โฌ brutto. Die groรe Witwenrente lรคge grundsรคtzlich bei 55 % = 1.210 โฌ.
Aber: Auf die Witwenrente wird Cโs Einkommen angerechnet. Freibetrag (1.7.2025โ30.6.2026): 1.076,86 โฌ. Vom Netto รผber dem Freibetrag werden 40 % abgezogen. Bei typisierten Abzรผgen kann die Witwenrente so um dreistellige Betrรคge schrumpfen โ im Extrem sogar auf 0 โฌ, wenn das eigene Einkommen hoch genug ist.
In solchen Konstellationen kann Splitting attraktiver sein, weil es eine unabhรคngige Rente schafft, die nicht einkommensgeprรผft wird.
Beispiel 3: โNachtrรคglichesโ Splitting statt Witwenrente
E stirbt. F hรคtte Anspruch auf Witwenrente, รผberlegt aber: eigenes gutes Einkommen, Wiederheirat mรถglich. F kann innerhalb von 12 Monaten nach dem Todesfall einseitig das Splitting wรคhlen โ die Ehezeit-Punkte werden dann geteilt, statt Hinterbliebenenrente.
Das ist vor allem sinnvoll, wenn F wegen Anrechnung ohnehin wenig oder keine Witwenrente bekรคme. Achtung: Die Wahl ist endgรผltig, ein Zurรผck zur Witwenrente gibt es dann nicht.
Hรคufige Missverstรคndnisse โ kurz geklรคrt
โSplitting ist nur bei Scheidung mรถglich.โ Falsch: Das ist der Versorgungsausgleich. Rentensplitting ist eine gemeinsame Entscheidung (oder nach Tod einseitig) ohne Scheidung.
โMit Splitting verliert man immer Geld.โ Nein. Es kommt auf Punkteverteilung, Einkommen und Lebensplanung (Wiederheirat!) an. Die DRV empfiehlt ausdrรผcklich eine individuelle Probeberechnung.
โWitwenrente wird nicht angerechnet.โ Doch: 40 % des Nettoeinkommens oberhalb Freibetrag (2025/26: 1.076,86 โฌ).
Splitting ist kein Geheimtipp โ aber ein scharfes Werkzeug
Das Rentensplitting ist keine pauschale Empfehlung, sondern eine strategische Wahl: Es lohnt sich besonders, wenn Einkommensanrechnung die Witwen-/Witwerrente spรคter deutlich drรผckt, Wiederheirat im Raum steht oder eigenstรคndige Ansprรผche gestรคrkt werden sollen.
Wer dagegen niedriges eigenes Einkommen hat und der (kรผnftige) Partner sehr viele Entgeltpunkte, fรคhrt mit der klassischen Hinterbliebenenrente oft besser. Unbedingt vorab รผber die DRV eine individuelle Vergleichsberechnung anfordern โ und erst dann entscheiden.




