Wurden die Sanktionen in Hartz IV noch vor einiger Zeit gesellschaftlich angeprangert, wird der Ruf nach Strafen und geringeren Regelleistungen im Bürgergeld wieder lauter. Auch vielen Jobcentern wünscht man sich offenbar wieder “hartes Durchgreifen”. Dabei haben eine Reihe von Auswertungen gezeigt, dass Sanktionen nicht zu einer höheren Vermittlungsquote führen.
Bürgergeld-Anpassung werden zum Ziel von Angriffen
Bereits vor der der Einführung des Bürgergeldes gab es reichlich Kritik, die bis heute nicht verstummt ist. Im Gegenteil: Mit der geplanten Anpassung der Regelleistungen um etwa 12,2 Prozent im kommenden Jahr werden Bürgergeld-Beziehende zum Angriffsziel der Politik, obwohl es sich bei der Anpassung eben nicht um eine Erhöhung im eigentlichen Sinne handelt, sondern um eine Inflationsanpassung. Das bedeutet, dass die Regelleistungen eben nicht eine höhere Kaufkraft für Leistungsbeziehende erzeugt, sondern lediglich die momentane Unterdeckung etwas ausgleicht.
Nicht nur politische Parteien wie die Union, FDP und AfD ziehen gegen die Erhöhung des Bürgergeldes zu Felde, sondern auch eine Jobcenter-Leiterin hat sich nun öffentlich zu den neuen Regelsätzen beim Bürgergeld geäußert.
Bürgergeld vs. Arbeit: Der finanzielle Anreiz fehlt?
Trotz Berechnungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, die einen klaren finanziellen Vorteil bei der Arbeit aufzeigen – etwa 532 Euro mehr für einen Single im Vergleich zum Bürgergeld – behaupten viele weiterhin, dass sich Arbeit nicht mehr lohne.
Eine von ihnen ist Steffi Ebert, die Leiterin des Jobcenters Schmalkalden-Meiningen. Sie hat in einem Gespräch mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe die Bürgergeld-Anpassung dennoch kritisiert.
Besonders betonte die Jobcenter-Chefin die Bedenken hinsichtlich des sogenannten Lohnabstandsgebots. Ihrer Ansicht nach würde die Erhöhung dazu führen, dass immer mehr Menschen Bürgergeld beantragen, da der finanzielle Anreiz zur Arbeit in Haushalten mit geringem oder keinem Einkommen fehle. Dieser Umstand werde selbst durch eine Erhöhung des Mindestlohns nicht verändert.
Hinsichtlich der Fortschreibung der Regelleistungen sagte Ebert: „Nicht nur ich, auch andere Akteure in der Jobcenter-Welt sehen sie kritisch – gerade auch mit Blick auf das Lohnabstandsgebot.“ Nach Ansicht der Jobcenter-Leiterin würden künftig immer mehr Menschen das Bürgergeld beantragen, weil angeblich der Anreiz zur Arbeit fehle.
Wie eine aktuelle Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, gibt es aber sehr wohl ein Lohnabstand zum Bürgergeld, wie die folgende Tabelle beispielhaft verdeutlicht.
Haushaltseinkommen bei Bürgergeld | Haushaltseinkommen bei Mindestlohn | Differenz | |
---|---|---|---|
Single | 966 € | 1.498 € | 532 € |
Alleinerziehend, 1 Kind (14-17 J.) | 1.701 € | 2.465 € | 764 € |
Familie, 3 Kinder (14 -17 J.) | 3.514 € | 3.960 € | 446 € |
Quelle: WSI/Böckler, September 2023
Mehr SGB II-Anträge durch das Bürgergeld?
Zwar hätten in den letzten Jahren immer weniger Menschen einen Antrag auf SGB II Leistungen gestellt, neue Rahmenbedingungen würden jedoch dafür sorgen, dass wieder mehr Menschen einen Bürgergeld-Antrag stellen würden. Was die Jobcenter-Mitarbeiterin jedoch vergisst zu erwähnen, ist die Tatsache, dass aufgrund der Ukraine Krise die Zahl der Berechtigten durch die Kriegsflüchtlinge gestiegen ist. Das hat nichts mit den veränderten Rahmenbedingungen des Bürgergeldes zu tun.
Wieder mehr Sanktionen gewünscht
Neben der Kritik an der Bürgergeld-Erhöhung äußerte Steffi Ebert auch Bedenken hinsichtlich der Möglichkeiten zur Leistungsminderung, früher als Sanktionen bekannt.
Sie betonte, dass seit der Corona-Pandemie Leistungen nur noch bedingt gekürzt werden könnten, da dies mit erheblichen verwaltungsrechtlichen und technischen Hürden verbunden sei. Dadurch werde mehr Zeit in Anspruch genommen, bevor entsprechende Maßnahmen ergriffen werden könnten.
Die Jobcenter-Leiterin verglich das Bürgergeld mit einem bedingungslosen Grundeinkommen, da das Einfordern von Leistungen nur mit erheblichem Aufwand möglich sei. Dies führe zu hohen Ausfallquoten.
Fakt ist aber: Zahlreiche Studien legen jedoch nahe, dass Sanktionen kontraproduktiv sind und nicht dazu beitragen, Menschen schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Zudem werden Sanktionen häufig eher willkürlich ausgesprochen, wie eine weitere Studie belegte.
Auch andere Stimmen
Es sei aber auch erwähnt, dass es aus den Jobcenter aber auch andere kritische Stimmen gibt, die hier und hier nachzulesen sind.
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