3 Jahre langes Bürgergeld-Verfahren

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Verfahren vor Sozialgerichten dauern zu lange, zumindest in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Im Durchschnitt endet ein, oft einfach zu entscheidendes, Verfahren erst nach bis zu drei Jahren.

Dabei handelt es sich bei Konflikten über Sozialleistungen oft um Menschen, die am Existenzminimum leben. Für diese Betroffenen ist es existentiell, auch Konflikte über kleine Geldbeträge zu klären. Selbst wenn nämlich Beträge Jahre später nachbezahlt werden, lindert das für die Betroffenen nicht ihre Not im Hier und Heute.

Warum dauern die Verfahren so lange?

Die Gründe, warum die Verfahren so lange dauern, sind zum einen Klagewellen der letzten Jahre, die heute nur langsam abgearbeitet werden können. Zuglich gehen bald eine Menge an Richtern und Richterinnen in Pension.

So können die Berge an unbearbeiteten Klagen wegen Personalmangels noch schlechter abgetragen werden. Eine Umfrage zeigte, dass mehr als 80 Prozent der befragten Bürger/innen die Länge der Verfahren kritisieren. Drei von vier der Befragten sehen die Gerichte als überlastet an.

Klagewelle durch Hartz IV

Die Einführung von Hartz IV führte seit 2005 zu einer großen Menge an Klagen, und diese konnten bis heute nicht vollständig behandelt werden. In Chemnitz und Leipzig liegt die durchschnittliche Wartezeit bis zum Urteil bei drei Jahren, in Dresden und Halle bei zwei Jahren, und in Chemnitz bei etwas über einem Jahr.

Sozialgericht statt Jobcenter?
Doch nicht nur der Stapel an Klagen selbst verzögert, dass Verfahren zügig beendet werden. In manchen Fällen werden die Sozialgerichte auch unnötig beschäftigt, weil sie faktisch erledigen sollen, was Kernaufgabe des Jobcenters ist – Menschen, die Bürgergeld beziehen (oder zuvor Hartz IV) dazu beraten, wie deren Ansprüche berechnet werden.

Richter müssen Bescheide der Jobcenter erklären

So berichtet der Mitteldeutsche Rundfunk über den Fall eines Selbstständigen, der während des Corona-Lockdowns Arbeitslosengeld bezog. Von diesem forderte das Jobcenter einen Teil des Geldes zurück, und er legte Widerspruch ein.

Der Mann selbst sagte, dass es ihm im Prinzip nur um ein aufklärendes Gespräch gegangen sei. Eine solche Beratung / Aufklärung hätte er aber vom Jobcenter nie bekommen. Dabei handelt es sich hier um wesentliche Aufgaben dieser Behörde und keinesfalls um die Aufgaben eines Beschwerdegerichtes. Die in diesem Fall zuständige Richterin erklärte, laut MDR, dass sie in vielen Verhandlungen die Bescheide der Jobcenter erklären müsste. Das aber wäre wiederum die Aufgabe der Jobcenter.

Sozialgerichte müssen selbst ermitteln

Ein weiterer Faktor, der Verfahren in die Länge zieht, betrifft speziell Sozialgerichte. Deren Richter:innen müssen nämlich, im Unterschied zu anderen Gerichten, die Fakten und Beweise im Verfahren selbst ermitteln. Dazu müssen ihnen andere Behörden, vor allem die Jobcenter, die Quellen liefern.

Derlei Unterlagen anzufordern und zu erhalten, kostet schnell Monate. Auch bis Gutachten erstellt sind, dauert es meist lange. Je komplexer ein Verfahren ist, je mehr Unterlagen gesichtet werden müssen, und je mehr Behörden in die zu behandelnden Fragen involviert sind, umso zähflüssiger wird das Verfahren. Eine vom MDR vorgestellte Richterin am Sozialgericht hat noch Fälle von 2016, die bisher nicht bearbeitet werden konnten.

Probleme mit der Personalpolitik

Es ist nicht zu erwarten, dass sich das Problem durch ein zusätzliches Einstellen vieler Jurist:innen lösen würde. Denn die bundesweit vereinheitlichte Berechnung für den Personalbedarf der Gerichte bezieht sich nur auf die eingegangenen Verfahren des Vorjahrs. Das wesentliche Problem der Sozialgerichte ist aber der Stapel an Klagen vieler vergangener Jahre und dieser wird von der Personalpolitik nicht erfasst.