Am 12. November 2024 stellte der Bundesfinanzhof (Az. IX R 20/22) klar: Artikel 15 DSGVO gilt uneingeschränkt auch für Steuerbehörden. Finanzämter müssen Bürgerinnen und Bürgern auf Anfrage eine kostenlose Kopie sämtlicher gespeicherter Personendaten liefern – selbst wenn das viel Arbeit verursacht. Wer Bürger Wohngeld oder Aufstockungsleistungen bezieht, kann mit dieser Kopie Fehler früh erkennen und Kürzungen verhindern.
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Was der BFH genau entschieden hat
Ein Steuerzahler verlangte Einblick in seine Akte. Das Finanzamt bot nur Vor-Ort-Einsicht und verwies auf den hohen Bearbeitungsaufwand für Kopien. Der BFH wies dieses Argument zurück und bekräftigte das Transparenzprinzip der DSGVO: Behörden genießen keine Sonderrolle, das Auskunftsrecht umfasst eine echte Kopie, und erst bei offenkundig „exzessiven“ Mehrfachanträgen dürfen Gebühren erhoben oder Auskünfte verweigert werden.
Warum Leistungsbezieher jetzt handeln sollten
Jobcenter, Familienkassen und Vollstreckungsstellen stützen sich häufig auf Steuerdaten. Schon kleine Unstimmigkeiten – etwa veraltete ELStAM-Merkmale, falsche Unterhaltsangaben oder unzutreffende Säumniszuschläge – können Bürgergeld, Wohngeld oder Pfändungsfreigrenzen empfindlich verkürzen. Eine aktuelle Kopie Ihrer Finanzamtsdaten deckt solche Fehler auf, bevor Bescheide ergehen.
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In drei Schritten zur vollständigen Aktenkopie
Identität beilegen, Artikel 15 DSGVO zitieren, Frist setzen und beweissicher versenden: Legen Sie eine geschwärzte Ausweiskopie bei (Name, Anschrift, Geburtsdatum sichtbar), verlangen Sie ausdrücklich die „vollständige Kopie sämtlicher verarbeiteten Personendaten inklusive interner Vermerke, Kommunikationsvorgänge, Bescheide und Metadaten“ und schicken Sie den Antrag per Einschreiben oder De-Mail mit 30-Tage-Frist.
Musterbrief (Textbaustein)
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Betreff: Auskunftsersuchen nach Art. 15 DSGVO – Kopie aller personenbezogenen Daten
Sehr geehrte Damen und Herren,
bitte stellen Sie mir binnen 30 Tagen eine vollständige Kopie sämtlicher personenbezogener Daten zur Verfügung, die Ihr Haus über mich verarbeitet. Dazu gehören Steuerbescheide, interne Vermerke, E-Mails, ELStAM-Datensätze, Angaben zu Drittempfängern sowie Informationen zu Speicherdauer, Löschfristen und automatisierten Entscheidungsprozessen. Eine geschwärzte Ausweiskopie liegt bei. Ich bevorzuge die Bereitstellung als PDF.
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift)
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Was kostet das – und ab wann wird es teuer?
Der erste inhaltlich begründete Antrag pro Jahr ist kostenfrei. Stellen Sie ohne neuen Anlass mehrere identische Auskunftsersuchen, kann das Finanzamt eine „angemessene Gebühr“ von meist 30 bis 50 € verlangen. Ein zielgerichteter Antrag pro Jahr bleibt gratis.
DSGVO oder § 25 SGB X? Zwei Wege zur Akte
Artikel 15 DSGVO öffnet die Steuerakte inklusive interner Notizen; § 25 SGB X gewährt Einsicht in Sozialakten bei Jobcenter oder Rentenversicherung. Kombinieren Sie beide Rechte, wenn Ihre Leistungsberechnung auf Daten mehrerer Behörden beruht.
Häufige Fehler in Steuerakten
Eine Studie des Instituts für Finanzrecht fand 2023 in jeder fünften ELStAM-Akte veraltete Kinder oder Pendlerdaten. Bei Bürgergeld-Haushalten führten solche Patzer zu durchschnittlich 87 € weniger Leistungen im Monat. Eine DSGVO-Kopie deckt Abweichungen sofort auf.
Nach der Akteneinsicht: so reagieren
Lesen Sie die Datei sorgfältig, markieren Sie unbekannte, zeitlich unpassende oder rechnerisch unlogische Angaben und verlangen Sie anschließend per Art. 16 DSGVO die Berichtigung oder wenden Sie sich direkt ans Jobcenter mit einem Antrag nach § 44 SGB X, um falsche Bescheide zu korrigieren.