Kündigung: Höhere Abfindung bei Freistellung

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Die Aufforderung des Arbeitgebers, die Bürotür zu schließen und „erst einmal zuhause zu bleiben“, kommt für viele Beschäftigte überraschend.

Arbeitsrechtlich handelt es sich dabei um eine einseitige Freistellung von der Arbeitspflicht bei fortbestehendem Vergütungsanspruch. Oft signalisiert dieser Schritt, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden möchte – sei es durch Aufhebungsvertrag oder nachfolgende Kündigung.

Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entsteht in dieser Phase eine selten günstige Ausgangsposition, um die eigenen Interessen – vor allem die Höhe einer Abfindung – durchzusetzen. Zugleich lauern rechtliche und psychologische Risiken, die sich mit der richtigen Strategie jedoch beherrschen lassen.

Rechtlicher Hintergrund: Arbeitspflicht, Vergütung und Direktionsrecht
Nach deutschem Arbeitsrecht darf der Arbeitgeber Beschäftigte grundsätzlich nur vorübergehend und aus sachlichem Grund von der Arbeitspflicht entbinden.

“Längere Freistellungen sind möglich, wenn ein Kündigungsschutzprozess absehbar ist oder die Parteien einen Aufhebungsvertrag verhandeln. Der Vergütungsanspruch (§ 615 Satz 1 BGB) bleibt während einer einseitigen Freistellung vollständig erhalten; der Arbeitgeber trägt also die volle Lohnkostenschuld, obwohl keine Arbeitsleistung erbracht wird. Diese Konstellation erhöht den finanziellen Druck auf das Unternehmen sowie auf die verantwortlichen Personalabteilungen, rasch zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen”, bestätigt der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Christian Lange, aus Hannover gegenüber unserer Redaktion.

Druckmittel und Schutzschild: Warum die Freistellung Ihre Position stärkt

Mit der Freistellung macht der Arbeitgeber öffentlich, dass er keinen Wert mehr auf die Leistung des Mitarbeiters legt. Kehrt der Beschäftigte später doch zurück – etwa nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage –, entsteht für das Management ein Gesichtsverlust.

Dieser Imageschaden führt oft zu höheren Vergleichsangeboten, um eine Rückkehr zu vermeiden.

Gleichzeitig sinkt das Risiko, dass sich das Unternehmen nachträglich auf verhaltensbedingte Kündigungsgründe beruft: Wer nicht im Betrieb präsent ist, kann weder „Fehler“ begehen noch in fingierte Fallen geraten. Auch das Instrument der Abmahnung verliert seine Relevanz.

Für den Arbeitnehmer bedeutet das: weniger Angriffsfläche, mehr Verhandlungsruhe.

Kosten ohne Gegenleistung: ein internes Problem des Arbeitgebers

Jeder Gehaltslauf, der ohne Gegenleistung ausgezahlt wird, erzeugt intern kritische Nachfragen. Personalverantwortliche müssen erklären, warum Budgets belastet werden, obwohl die Arbeitskraft brachliegt. Dieser Rechtfertigungsdruck verschärft sich, je länger die Freistellung dauert.

Der Arbeitgeber wird daher bestrebt sein, das Thema abzuschließen – in der Regel durch ein Abfindungsangebot, das den Arbeitnehmer zur Vertragsbeendigung motiviert. Für die Verhandlungspartner auf Arbeitnehmerseite ist das ein klarer Vorteil.

Entfremdung, Nervosität und soziale Isolation

Die räumliche Trennung vom Arbeitsplatz führt zu einer schleichenden Entfremdung beider Seiten. Kolleginnen und Kollegen gewöhnen sich an die Abwesenheit; das „Wir‐Gefühl“ zerbröckelt.

Ebenso kann beim freigestellten Arbeitnehmer Unruhe aufkommen: Wer morgens nicht mehr ins Büro fährt, fehlt plötzlich in eingespielten Routinen und sozialen Netzen. Hinzu kommt der Druck aus dem privaten Umfeld, das den abrupten Stillstand beruflicher Aktivitäten oft nicht einordnen kann.

Diese Nervosität ist verständlich, darf aber nicht die Verhandlungsstrategie dominieren. Wichtig ist, die Freistellungsphase produktiv zu nutzen – etwa für Weiterbildungen, Netzwerkpflege oder die Vorbereitung einer Kündigungsschutzklage –, statt vorschnell Zugeständnisse zu machen.

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Der Kardinalfehler: Freistellung ohne schriftliche Bestätigung

Gefährlich wird es, wenn Beschäftigte eine mündliche Freistellungsanweisung widerspruchslos akzeptieren, ohne sie schriftlich fixieren zu lassen. Fehlt eine beweissichere Dokumentation, kann der Arbeitgeber später behaupten, die Arbeitsleistung sei unentschuldigt verweigert worden – ein klassischer Ansatzpunkt für eine verhaltensbedingte Kündigung.

Wer sich unsicher ist, erscheint am nächsten Arbeitstag am Arbeitsplatz, bietet seine Leistung an und fordert eine schriftliche Freistellungsbestätigung.

Bleibt das Unternehmen eine eindeutige Erklärung schuldig, sollte man die Beratung durch eine Fachanwältin oder einen Fachanwalt für Arbeitsrecht einholen.

Strategie für erfolgreiche Verhandlungen

Während der Freistellung gilt: aktiv bleiben, aber keine Übererfüllung. “Beschäftigte schulden höchstens eine Tätigkeit mittlerer Art und Güte – mehr Performance erhöht lediglich das Frustrationspotenzial und schafft neue Fehlerquellen”, warnt Lange.

Zugleich sollte die eigene Marktfähigkeit gestärkt werden, um gegenüber dem Arbeitgeber selbstbewusst aufzutreten. Ein realistischer Abfindungsrahmen lässt sich anhand von Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Branchenüblichkeit und vorhandenen sozialen Faktoren berechnen.

Gelassenheit, Schriftform und klare Ziele

Die einseitige Freistellung eröffnet Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine komfortable, wenn auch emotional fordernde Verhandlungsposition. Wer sich nicht von Nervosität leiten lässt, schriftliche Nachweise einholt und den finanziellen Druck auf das Unternehmen kalkuliert nutzt, kann seinen Kündigungsschutz „teuer verkaufen“.

Die Freistellung ist kein Makel, sondern ein machtvolles Signal: Der Arbeitgeber möchte trennen und zahlt bereits dafür.