Hunderttausende verzichten auf Hartz IV

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Bei niedrigem Stundenlohn kann Anspruch auf Hartz IV bestehen

03.06.2013

Wer wenig verdient, hat häufig Anspruch auf Hartz IV. Doch hunderttausende Beschäftigte scheinen darauf zu verzichten, weil sie schlichtweg nicht wissen, dass sie ihr geringes Einkommen mit Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) aufstocken können. Das ergab eine Studie des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) an der Universität Duisburg-Essen.

Trotz Niedriglohn beantragen viele kein Hartz IV
Rund vier Millionen Beschäftigte in Deutschland verdienen weniger als sieben Euro brutto in der der Stunde. Dazu gehören auch Schüler oder Studenten, die mit ihrem Einkommen irgendwie über die Runden kommen. Anders sieht es jedoch bei Familien oder Alleinerziehenden aus, bei denen das Gehalt einfach nicht ausreicht, um den alltäglichen Bedarf zu decken. Trotz Vollzeitjob liegt ihr Nettolohn unterhalb des Existenzminimums. Dass diesen Menschen ergänzende Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) zustehen, wissen viele der Betroffenen jedoch scheinbar nicht, denn einer neuen Studie des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen zufolge verzichten hunderttausende Beschäftigte auf die ergänzende Hartz IV-Grundsicherung. Obwohl die Beschäftigten im Niedriglohnsektor wie beispielsweise Zimmermädchen, Gebäudereiniger und Leiharbeiter zum Teil Anspruch auf einige hundert Euro im Monat hätten, verzichten sie auf ergänzende Leistungen vom Staat. Häufig würden die Betroffenen nicht bewusst auf die finanzielle Hilfe verzichten, sondern wüssten überhaupt nicht, dass ein Anspruch auf Hartz IV bestehen könnte, berichtete Gerhard Bäcker vom IAQ. „Angesichts der äußerst komplexen Regelungen und Zusammenhänge von Nettoarbeitseinkommen, Wohngeld und Kinderzuschlag einerseits und anerkannten Kosten der Unterkunft, Regelsätzen und Freibeträgen bei der Grundsicherung andererseits haben die Betroffenen keine Kenntnisse darüber, ob und inwieweit noch ein ergänzender Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung besteht“, heißt es in der Auswertung des Experten.

Vergleich: Hartz IV-Bezieher und Niedriglöhner
Für die Untersuchung wurden Hartz IV-Bezieher mit in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmern verglichen: Ein Hartz IV-Bezieher erhält monatlich 382 Euro sowie Kosten für die Unterkunft. Zudem kann er einen bestimmten Betrag dazuverdienen, ohne das dieser von der staatlichen Hilfe abgezogen wird, die mit Zahl der im Haushalt lebenden Kinder steigt. Bäcker errechnete, dass ein Single im Januar 2013 einen Stundenlohn von mindestens 7,98 Euro brutto und ein Alleinverdiener mit Ehefrau und einem Kind bereits 10,65 Euro benötigte, um gegebenenfalls mit Wohngeld, Kindergeld und Kinderzuschlag so viel Nettoeinkommen zu haben wie ein Hartz IV-Bezieher.

Für die Berücksichtigung der Wohnungskosten legte der Experte die Kosten zugrunde, die Jobcenter für Hartz-IV-Bezieher bundesweit im Durchschnitt anerkennen. Dementsprechend höher müssten die Einkommen in Städten wie München sein, wo die Mieten ungleich höher ausfallen. Für einen Single-Haushalt in München wäre demnach ein Einkommen von 9,66 Euro pro Stunde notwendig, um nicht finanziell schlechter gestellt zu sein als ein Hartz IV-Bezieher.

Rund 1,3 Millionen Menschen stocken ihr Einkommen derzeit mit Hartz IV auf, wobei davon mehr als 300.000 Betroffene eine Vollzeit-Arbeitsstelle haben. Bäcker ermittelte jedoch, dass die Zahl der Aufstocker mehr als doppelt so hoch sein müsste. (ag)

Bild: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de

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