BSG zu Hartz-IV-Rückzahlungspflicht wegen sozialwidrigen Verhaltens: Gesetzes-Klarstellung war keine Klarstellung
09.02.2017
Kassel (jur). Jobcenter dürfen eine am 1. August 2016 eingeführte Gesetzesverschärfung zur Hartz-IV-Rückzahlung wegen sozialwidrigen Verhaltens eines Hartz-IV-Beziehers nicht auch schon für vorhergehende Zeiträume anwenden. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel am Mittwoch, 8. Februar 2017, entschieden und damit einem Hartz-IV-Bezieher aus dem Landkreis Emsland recht gegeben (Az.: B 14 AS 3/16 R). Die vom Gesetzgeber als „Klarstellung“ bezeichnete Änderung sei tatsächlich eine Neuregelung gewesen, die nicht rückwirkend angewandt werden dürfe.
Der Mann erhielt 2011 Arbeitslosengeld II. Als er einen Job als Schweißer in einer Zeitarbeitsfirma fand, war er weiter auf aufstockende Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Doch als der Mann vorwiegend anderen Tätigkeiten als dem Schweißen nachgehen sollte, kündigte er. Zuvor hatte er beim Jobcenter seine Kündigungsabsicht bereits kundgetan.
Die Behörde wies ihn darauf hin, dass die Kündigung zu Sanktionen führen werde. Es folgte dann eine Kürzung des Arbeitslosengeldes II um 30 Prozent.
Ein Jahr später kam für den mittlerweile in Lohn und Brot stehenden Mann zusätzlich noch eine dicke Rechnung. Das Jobcenter warf ihm vor, sich damals „sozialwidrig“ verhalten zu haben. Daher müsse er die wegen seiner Kündigung erhaltenen Hartz-IV-Leistungen wieder zurückzahlen. Im Streit standen zunächst mehrere Tausend Euro.
Das Jobcenter warf ihm vor, dass er seine Hilfebedürftigkeit mit seiner Kündigung „herbeigeführt“ habe.
Sein Einwand, dass er als Hartz-IV-Aufstocker auch während seiner Beschäftigung ohnehin hilfebedürftig war und er die Hilfebedürftigkeit daher nicht „herbeigeführt“ habe, ließ das Jobcenter nicht gelten. Die Behörde verwies schließlich auf ein ab 1. August 2016 eingeführte Gesetzesänderung, die laut Begründung eine „Klarstellung“ sein sollte. Danach könne auch derjenige sozialwidrig handeln, der seine Hilfebedürftigkeit nicht nur „herbeigeführt, sondern auch „aufrechterhalten“ hat. Dies sei hier der Fall gewesen.
Doch mit der in der Gesetzesbegründung bezeichneten „Klarstellung“ ist keine Klarstellung erfolgt, betonte das BSG. Die Begriffe „herbeiführen“ und „aufrechterhalten“ seien schlicht etwas anderes. Daher dürften Jobcenter die sei 1. August 2017 geltende Vorschrift nicht für vorhergehende Zeiträume anwenden.
Im konkreten Fall führe dies dazu, dass das Jobcenter keinen Erstattungsanspruch geltend machen könne. Die damals geltende Voraussetzung für eine Rückzahlung von erhaltenen Hartz-IV-Leistungen wegen sozialwidrigen Verhaltens legte fest, dass die Hilfebedürftigkeit „herbeigeführt“ worden sein musste. Die Hilfebedürftigkeit sei bei dem Kläger mit der Kündigung aber nicht „herbeigeführt“ worden, sondern habe bereits vorher bestanden. fle/mwo
Bild: p365.de – fotolia
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